Regensburg, 6. Mai 2024
Am 2. Mai 2024 hat Papst Franziskus allen Pfarrern der Welt einen Brief geschrieben. Darin macht er deutlich, was ihm in den Beratungen der Bischofssynode wichtig ist, und wie er Synodalität versteht. Der Brief mit seinen Akzentsetzungen wirft möglicherweise ein Licht auf das Nachsynodale Apostolische Schreiben, mit dem der Heilige Vater das Ergebnis der im Oktober 2024 abschließend versammelten Bischofssynode festhalten wird. Ein Kommentar von Prof. Josef Kreiml.
Vom 28. April bis 2. Mai 2024 haben sich in Sacrofano, in der Nähe von Rom, 200 Pfarrer aus rund 90 Ländern – darunter auch drei Pfarrer aus Deutschland – zu Beratungen über Themen der Weltsynode getroffen. Die Ergebnisse dieser Beratungen sollen in das Arbeitsdokument („Instrumentum laboris“) für die zweite Sitzung der Weltsynode im kommenden Oktober einfließen. Pfarrer Jochen Thull, einer der Teilnehmer des Pfarrertreffens und Leitender Pfarrer im Erzbistum Köln, berichtet, nach seinem Eindruck sei es bei der Konferenz „nicht so sehr um einzelne Themen, sondern darum gegangen, wie man einen Zugang dazu findet, zuzuhören und abzuwägen“. Für die Teilnehmer war es wichtig, zunächst aufeinander zu hören und zu lernen, die Wege der einzelnen Ortskirchen zu respektieren. Es sei um einen Erfahrungsaustausch und neue Ideen zum Thema Synodalität gegangen. Pfarrer Stefan Ulz aus dem Bistum Graz-Seckau berichtet über das Treffen in Sacrofano, in 20 international zusammengesetzten Arbeitsgruppen habe man Antworten gesammelt auf die Frage, was Synodalität für die Kirche allgemein sowie auf Pfarr- und Bistumsebene bedeute.
Am 2. Mai hat Papst Franziskus die Teilnehmer der Konferenz in einer Audienz empfangen und am selben Tag seinen Brief an die „Pfarrer für die Synode“ veröffentlicht. In diesem Brief schreibt der Papst, er richte seine Worte an alle Pfarrer auf der Welt „mit großer Zuneigung“. Papst Franziskus stellt mit großer Klarheit fest: „Die Kirche könnte ohne Euer Engagement und Euren Dienst nicht fortbestehen.“ Er bringt seine Dankbarkeit und Wertschätzung „für die großzügige Arbeit“ zum Ausdruck, die die Pfarrer jeden Tag leisten. In seinem Brief erwähnt der Papst die „sehr unterschiedlichen Situationen“, in denen die Pfarrer ihren Dienst verrichten: angefangen bei Gemeinden in der Peripherie von Megastädten und bei Gemeinden, die in dünn besiedelten Regionen so groß wie Provinzen sind, bis hin zu Gemeinden in den urbanen Zentren vieler europäischer Länder, „in denen alte Basiliken immer kleinere und ältere Gemeinden beherbergen“, und hin zu Gemeinden, „in denen man unter einem großen Baum feiert und sich der Gesang der Vögel mit den Stimmen der vielen Kinder vermischt“.
Die Pfarrer – so Papst Franziskus – „kennen das Leben des Volkes Gottes von innen heraus, seine Mühen und Freuden, seine Bedürfnisse und Reichtümer“. Deshalb braucht eine synodale Kirche ihre Pfarrer. „Ohne sie werden wir nie lernen können, gemeinsam unterwegs zu sein, wir werden nie in der Lage sein, den Weg der Synodalität einzuschlagen“, der das ist, „was Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet“. Was versteht der Papst unter einer synodalen Kirche? Es ist bekannt, dass der Begriff „Synodalität“ schillernd ist und von vielen Hirten und Gläubigen in der Kirche in unterschiedlicher Weise gebraucht wird. Schon mehrfach wurde festgestellt, dass „Synodalität“ beim „Synodalen Weg“ der deutschen Diözesen in wesentlichen Punkten anders verstanden wurde als im Kontext des vom Papst ausgerufenen weltweiten synodalen Prozesses.
Im Verständnis von Papst Franziskus ist die Kirche – so ist es in einer jüngst veröffentlichen Doktorarbeit nachzulesen – eine Kirche „von demütig Liebenden, von wachsam und achtsam Lebenden und von ehrfürchtig Glaubenden“ (G. Weiten, Synodale Communio. Papst Franziskus und Joseph Ratzinger / Benedikt XVI. im Vergleich, Regensburg 2023, S. 308). Ausgehend vom Anliegen der Evangelisierung zieht sich die Betonung der Synodalität wie ein roter Faden durch das Pontifikat von Papst Franziskus. Dabei versteht der Papst die sakramentale Struktur der Kirche, ihre bischöflich-hierarchische Verfassung sowie ihre Lehre, ihre Liturgie und ihre Disziplin „als nicht zur Disposition stehende Orientierungspunkte“ (ebd., S. 290) der Synodalität. Papst Franziskus rückt ein „geistliches Verständnis“ von Synodalität in den Vordergrund. Er legt ein Verständnis von Synodalität an den Tag, das in der Kontinuität mit der bisherigen Glaubenslehre der Kirche steht.
Papst Franziskus hat wiederholt vor Fehldeutungen der Synodalität gewarnt. Das Hauptproblem besteht dabei darin, dass vielfach die vertikale Dimension von Synodalität (die Beziehung zu Gott) außer Acht gelassen wird. Der Heilige Geist muss der Hauptakteur synodaler Prozesse sein. Nicht wenige Vertreterinnen und Vertreter des Synodalen Weges in Deutschland verstehen Synodalität als rein horizontalen, innerweltlichen Prozess des Aushandelns von Positionen. Franziskus warnt sogar vor einem „ekklesialen Atheismus“, der „nicht mehr wirklich und wirkmächtig an Gott glaubt“ (ebd., S. 299). Für die Zukunft der Kirche ist es eine besondere Herausforderung, angesichts einer zunehmenden Säkularisierung die vertikale Dimension des Glaubens stärker in den Blick zu nehmen.
Dass es Papst Franziskus bei seiner Betonung der Synodalität in erster Linie nicht um eine Veränderung der Kirchenverfassung, sondern um das missionarische Element des Kirche-Seins geht, wird in seinem Brief an die „Pfarrer für die Synode“ überdeutlich. Synodalität und Mission bilden eine unlösbare Einheit des kirchlichen Auftrags. Es geht dem Papst um eine stärkere Beteiligung aller Getauften an der Sendung der Kirche: „Wir werden nie eine synodale missionarische Kirche werden, wenn die Pfarrgemeinden die Beteiligung aller Getauften an der einen Mission der Verkündigung des Evangeliums nicht zum Kennzeichen ihres Lebens machen.“ Man kann dieses Anliegen des Papstes auch als Fortschreibung und Aktualisierung des Dekrets über das Laienapostolat „Apostolicam actuositatem“ (1965) des Zweiten Vatikanischen Konzils verstehen. Die ganze Kirche kann nur dann „synodal und missionarisch“ sein, wenn es auch die Pfarreien sind. Der Papst verweist in seinem Brief auch ausdrücklich auf den „Synthese-Bericht“ der Ersten Sitzung der XVI. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode vom Herbst 2023. In diesem Synthese-Bericht (in Nr. 8: „Die Kirche ist Mission“) ist zu lesen: Ausgehend von ihren Strukturen und der Organisation ihres Alltags, sind die Pfarreien aufgerufen, sich „in erster Linie im Dienst der Sendung zu verstehen, die die Gläubigen in der Gesellschaft, in der Familie und im Berufsleben ausüben, ohne sich ausschließlich auf die Aktivitäten zu konzentrieren, die in ihnen stattfinden, und auf ihre organisatorischen Bedürfnisse“.
Es ist – so Papst Franziskus – notwendig, dass die Pfarrgemeinden immer mehr „zu Orten werden, von denen die Getauften als missionarische Jüngerinnen und Jünger ausziehen und zu denen sie voller Freude zurückkehren, um von den Wundern zu erzählen, die der Herr durch ihr Zeugnis gewirkt hat“. Die Hirten sind gerufen, die Gemeinden auf diesem Weg zu begleiten und sich mit Gebet, Unterscheidungsvermögen und apostolischem Eifer zu bemühen, dass ihr Dienst „den Anforderungen einer synodalen missionarischen Kirche gerecht wird“. Christus, der „uns berufen und geweiht hat“, lädt uns heute ein, in die von ihm gewiesene Richtung zu gehen. „Er wird es uns nicht an seiner Gnade fehlen lassen.“ Der Papst fordert die Priester auf, den Ruf des Herrn anzunehmen, „als Pfarrer Bauleute einer synodalen missionarischen Kirche zu sein“ und sich „mit Begeisterung für diesen Weg einzusetzen.“
Im Blick auf dieses Ziel macht der Papst drei Vorschläge: 1) Er lädt die Pfarrer ein, ihr spezifisches Charisma immer mehr im Dienst der vielfältigen Gaben zu leben, die der Heilige Geist dem Volk Gottes schenkt. Es ist „dringend notwendig“, die vielfältigen Charismen der Laien, die für die Evangelisierung der Lebenswirklichkeit der Menschen unverzichtbar sind, aufzuspüren (vgl. Zweites Vatikanum, Dekret über Dienst und Leben der Priester „Presbyterorum Ordinis“ [1965], Nr. 9). Der Papst ist überzeugt, „dass Ihr auf diese Weise viele verborgene Schätze zum Vorschein bringen und Euch bei der großen Aufgabe der Evangelisierung weniger allein gelassen fühlen werdet“.
2) Papst Franziskus empfiehlt den Pfarrern, die Kunst der gemeinschaftlichen Unterscheidung zu erlernen und zu praktizieren und dafür die Methode des „Gesprächs im Heiligen Geist“ zu nutzen. Franziskus ist sich „sicher“, dass damit nicht nur in den Gemeinschaftsstrukturen (z. B. Pastoralrat der Pfarrei), sondern auch in zahlreichen anderen Bereichen „viele Früchte“ zu ernten sind. Der Synthese-Bericht der Ersten Vollversammlung der Bischofssynode vom Herbst 2023 hat in Erinnerung gerufen, dass die „Unterscheidung“ ein „Schlüsselelement des pastoralen Wirkens einer synodalen Kirche“ ist. Die Praxis der „Unterscheidung“ wird es ermöglichen, „die in der Gemeinschaft vorhandenen Charismen besser zu erkennen, Aufgaben und Ämter weise zu übertragen und pastorale Wege im Licht des Geistes zu planen“ (Synthese-Bericht, S. 9).
3) Der Papst empfiehlt den Pfarrern, den Austausch und die Brüderlichkeit untereinander und mit ihren Bischöfen „zur Grundlage von allem zu machen“. Wir sind nur dann in der Lage, Gemeinschaft in den uns anvertrauten Gemeinden zu fördern, wenn wir sie „zuallererst unter uns selbst leben“.
Im Hinblick auf die Zweite Sitzung der XVI. Ordentlichen Bischofssynode im Herbst 2024 lädt der Papst die Teilnehmer des Internationalen Treffens der „Pfarrer für die Synode“ in Sacrofano ein, nach ihrer Rückkehr in die Heimat gegenüber ihren Mitbrüdern „Missionare der Synodalität“ zu sein und die Reflexion über die Erneuerung des Pfarrerdienstes in einem synodalen und missionarischen Sinn anzuregen und gleichzeitig dem Generalsekretariat der Synode zu ermöglichen, „Euren unersetzlichen Beitrag“ für das Verfassen des „Instrumentum laboris“ aufzunehmen. – Abschließend sagt Papst Franziskus: „Ich bin an Eurer Seite auf diesem Weg, den auch ich zu gehen versuche. Ich segne Euch alle von Herzen und brauche auch meinerseits Eure Nähe und die Unterstützung Eures Gebets“.
Wenn man wahrnimmt, mit welcher Intensität Papst Franziskus in diesem Brief an die „Pfarrer für die Synode“ den tiefen inneren Zusammenhang von Synodalität und Mission betont, dann könnte dies ein erster Hinweis auf jene Inhalte sein, die der Papst nach Abschluss dieser Bischofssynode, bei der auch zahlreiche Ordensleute, Laien und Priester stimmberechtigte Mitglieder sind, in seinem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben aufgreifen wird. Auch ein nochmaliger Blick auf den „Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ (vom 29. Juni 2019) – vor Beginn des „Synodalen Weges“ der deutschen Bistümer – ist lohnend. Darin hat Papst Franziskus geschrieben: Die Evangelisierung bildet „die eigentliche und wesentliche Sendung der Kirche.“ Evangelisierung muss „unser Leitkriterium schlechthin“ sein. „Alle Bemühungen des Hörens, des Beratens und der Unterscheidung zielen darauf ab, dass die Kirche im Verkünden der Freude des Evangeliums … täglich treuer, verfügbarer, gewandter und transparenter wird.“
Text: Domkapitular Prof. Dr. Josef Kreiml
(kw)