News Bild Kirchenbau der Gegenwart - Besuch beim Sohn des Kirchenbaumeisters von St. Wolfgang

Kirchenbau der Gegenwart - Besuch beim Sohn des Kirchenbaumeisters von St. Wolfgang

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Die Böhms aus Köln gelten als die bedeutendsten Kirchenbaumeister des vergangenen Jahrhunderts. Über 75 Gotteshäuser hat allein Professor Dominikus Böhm (1880-1955) entworfen. Als sein Lieblingswerk nannte er die Wolfgangskirche in Regensburg. Sein Sohn Professor Gottfried Böhm (geb. 1920) schuf die kolossale Kalksteinfigur des Pfarrpatrons auf dem Kirchplatz der Kumpfmühler Pfarrkirche. Dessen Sohn Professor Peter Böhm (geb. 1954) erbaute das Pfarrheim St. Wolfgang. Somit gilt St. Wolfgang als einziges Bauwerk der Böhm-Dynastie, an dem drei Generationen gewirkt haben.

 

Viele Architekturbegeisterte waren dabei

Es lag also auf der Hand, dass sich die Pfarrei St. Wolfgang in Regensburg zu einer außergewöhnlichen Exkursion auf den Spuren der Baumeisterfamilie Böhm aufmachte. Dass bei der Gelegenheit gleich mehrere Sakral- und Profanbauten der international bekannten Architekten ins Besichtigungsprogramm aufgenommen werden mussten, war klar. Insgesamt gab es in drei Tagen über ein Dutzend Objekte im Rheinland zu besuchen, denn dort stehen die meisten „Böhm-Kirchen“. Viele Architekturbegeisterte aus Regensburg und Umgebung waren dabei. Vor allem Prälat Alois Möstl war es hier, der die aufwendige Vorarbeit leistete, die notwendig war, und der die Kontakte zu dortigen Kunstspezialisten herstellte. Mitveranstalter der Exkursion auf höchstem Niveau waren der Geschichts- und Kulturverein der Stadt Regensburg-Kumpfmühl mit Hubert H. Wartner als Erstem Vorsitzendem und seinem Vertreter Dr. Hermann Reidel, ebenso mit dem Stadtheimatpfleger Dr. Werner Chrobak.

 

Raffinierte Lichtführung mystischen Flutens

Kriterium bei jedem Besuch eines Böhm-Bauwerks war die Erkundung, wie es dem Architekten Dominikus Böhm vor 80 Jahren gelang, sich aus den vielfältigen Fesseln des Historismus zu lösen, um den Stil der Gegenwart aufzunehmen. Beachtung fand dabei seine gelungene Korrespondenz zwischen Altar und der feiernden Gemeinde. Das Augenmerk galt ferner den Geheimnissen seiner raffinierten Lichtführung des mystischen Flutens hin zum Presbyterium, der symbolischen Aussagekraft des Baus, der architektonischen Bedeutung des Wortes Gottes und des Altars, der Rolle der mitfeiernden Gemeinde 40 Jahre vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) oder wie meisterhaft Böhm die neuen Baumaterialien beherrschte, die damals zur Verfügung standen. Der tiefgläubige Dominikus Böhm sagte einst: Kirchbauten dienen nicht allein den Anforderungen einer Gemeinde. Sie müssen eine Glaubensüberzeugung ausdrücken und dürfen nicht zu profanen Hallen werden.

 

Werk des Expressionismus in Ostbayern

Prof. Gottfried Böhm, der ursprünglich Bildhauer werden wollte, schuf für Regensburg-Kumpfmühl neben der steinernen Wolfgangsfigur auch den „Petrus in der Reue“ in Bronze, das bedeutendste Werk des Expressionismus in Ostbayern, der Enkel Prof. Peter Böhm schließlich setzte die bereits in den 30er Jahren von seinem Großvater erstellten Planskizzen zum Pfarrheim an der Simmernstraße in die Realität um. Die Teilnehmer der Exkursion waren sich einig in ihrem Urteil: Das Pfarrheim in St. Wolfgang gilt, zusammen mit der kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs fertiggestellten Kirche, als einmaliges architektonisches Gesamtkunstwerk. Nirgendwo ist die Christozentrik von Haus Gottes und Haus der Pfarrgemeinde so klar wie hier umgesetzt. Peter Böhm schuf auch die Einhausung des Portals der Regensburger Schottenkirche. Markus Böhm, ebenfalls ein Enkel von Dominikus Böhm, entwarf als jüngstes Werk das Glasfenster des heiligen Wolfgang in der Krypta der Kumpfmühler Pfarrkirche.

 

Briefbeschwerer: Modell von St. Wolfgang

Höhepunkt dieser Architekturreise war ganz unzweifelhaft die Begegnung mit dem hochbetagten Professor Gottfried Böhm, der 1986 den international renommierten Pritzker-Preis verliehen bekommen hatte, der in der Fachwelt als „Nobelpreis für Architektur“ angesehen wird – einmalig in Deutschland. Zur großen Freude der Besucher war Böhm Senior zusammen mit Sohn Peter Böhm in die Kölner Kirche St. Maria Königin gekommen, um sich mit Prälat Alois Möstl und den Regensburgern zu treffen. Der Regionaldekan überreichte dem 97-jährigen renommierten Architekten einen Briefbeschwerer, ein kleines Modell der Kirchenanlage von St. Wolfgang in vergoldeter Messingausführung von Bildhauer Michael Neustifter und sagte dazu: Das eigne sich gut, um die aufgerollten Pläne und Zeichnungen auf dem Arbeitstisch festzumachen. Hubert Wartner übergab vier Bände der Publikationsreihe „Der Vitusbach“, darunter den aktuellen Band mit dem Beitrag von Alois Möstl über den „Dom von Kumpfmühl“, die Wolfgangskirche.

 

Kühner Entwurf für die Reichstagskuppel

Übrigens hatte den ersten kühnen Entwurf für die Glaskuppel auf dem Reichstag zu Berlin Prof. Gottfried Böhm dem damaligen Bundeskanzler Kohl vorgestellt, dabei sollte das Parlament in der Glaskuppel sichtbar tagen, heißt doch das Gebäude „Dem Deutschen Volk“. Später führte das Projekt Architekt Sir Norman Foster aus, es sind nun Touristen, die die Kuppel begehen können. Hochinteressant war die Führung durch die vieldiskutierte Zentralmoschee Ditib in Köln. Auch dieser Entwurf stammt aus dem Hause Böhm. Aus über einem Dutzend eingereichter Modelle erhielt der eigenwillige Kuppelbau Böhms den Zuschlag, sozusagen religionsübergreifend. Die islamische Gemeinde dort ist von dieser Idee begeistert. Mit dem Besuch der Wallfahrermesse im sehr bekannten Mariendom „Königin des Friedens“ in Neviges bei Wuppertal von Gottfried Böhm, der auf einer Briefmarke der Deutschen Post gewürdigt wurde, fand die Exkursion einen bemerkenswerten Schlusspunkt.



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