Collage: Kirche von außen links, Deckengewölbe rechts

Kirchen aus dem Bistum: St. Leonhard in Ganacker

Eine Kette umhängt die Kirche


Regensburg/Ganacker, 16. Oktober 2025

Der Heilige Leonhard gilt als Befreier von Gefangenen. So ist die Kette ein Symbol für den Heiligen, dem man zudem gerne Votivgaben aus Eisen zuwendet. Die Kirche in Ganacker ist voll von Symbolen und Darstellungen des Heiligen. 

Die Dorfkirche in Ganacker ist dem Heiligen Leonhard geweiht. Das Benefizium St. Leonhard in Ganacker wurde im Jahr 1454 wurde von Heinrich von Parsberg, einem Domherrn zu Regensburg und Pfarrer von Pilsting sowie von Kaplan Erasmus Heyndl von Regensburg und Vikar von Pilsting gestiftet. Der Bau der Kirche im Dorf stammt aus der Mitte oder, wie andere annehmen aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die Kirche hatte ursprünglich drei Portale. Aus diesem Grund kann davon ausgegangen werden, dass ursprünglich eine bedeutende Wallfahrtskirche geplant war. Die frühere neugotische Inneneinrichtung wurde bei einer grundlegenden Innenrenovierung unter dem Benefiziat Erhard Unterburger im Jahr 1963 entfernt. Die jetzige Altargestaltung stammt vom Künstler Joseph Michael Neustifter aus Eggenfelden.

Die letzte gründliche Restaurierung der Kirche wurde in den Jahren 2002 und 2003 durchgeführt. Im November 2004 konsekrierte Bischof Gerhard Ludwig Müller anlässlich des 550-jährigen Jubiläums des Benefiziums den Altar der Kirche. Die Kirche in Ganacker ist eine dreischiffige Staffelhalle. Die Sakristei ist im südlichen Chorwinkel angebaut und stammt aus dem Jahr 1679. Sie hat ein Oratorium im Obergeschoss. Der spätgotische Bau der Kirche besteht aus dem von Strebepfeilern gestützten dreischiffigen Langhaus zu vier Jochen und einem dreiseitig geschlossenen Chor zu zwei Jochen im Osten der Kirche. Der Kirchturm hat einen quadratischem Grundriss und steht im Westen des Mittelschiffs. Im Erdgeschoss liegt der westliche Eingang zur Kirche. Innen findet sich eine sterngewölbte Eingangsvorhalle. Die Portalgewände sind durch Rundstab und Kehlung profiliert. Spitzbogenblenden finden sich an den oberen drei quadratischen Turmgeschossen. Der Turm schließt nach oben mit einer Welschen Haube auf dem achteckigen Obergeschoss ab. Äußerlich ist die Kirche mit einem umlaufendem Sockel und gestuften Strebepfeilern unter einem steilen Satteldach ausgeführt. Auffälligstes Merkmal der Kirche und Zeugnis einer jahrhundertelang regen Wallfahrtstätigkeit ist eine Eisenkette, die den Kirchenbau in halber Höhe umspannt. Diese Eisenkette kann als ins Monumentale gesteigertes Attribut des Kirchenpatrons angesehen werden. Das Alter der Kette wird mit rund 430 Jahren angegeben. Wie lange die Kette die Ganackerer Kirche umspannt, ist nicht mehr nachzuweisen. Sie hat jedoch eine bewegte Geschichte. Um ein Einschmelzen der Kette zu verhindern, wurde sie in den Wirren der Napoleonischen Kriege zur Sicherheit abgenommen und nach Landau gebracht. Nach dem Krieg wurde die Kette zurückgegeben und 1828 wieder um die Kirche gehängt. Vorerst ein letztes Mal wurde die Kette am 19. Juni 1999 von Mitgliedern des Benefiziums Ganacker nach einer Generalsanierung wieder aufgehängt. 

Im Innenraum findet sich ein breit gelagerter Raum mit Jochen, der durch kräftige Achteckpfeiler unterteilt ist. Die verbindenden Scheidbögen sind spitzbogig ausgeführt und beiderseits leicht gekehlt. Der Chor ist zweijochig und mit drei Achteckseiten geschlossen. Er wird durch einen spitzen, gekehlten Chorbogen vom Langhaus abgegrenzt. Die Decke zeigt Rippengewölbe in Sechsrautenstern-Figuration auf kurzen Halbkreisstelzen und Schildkonsolen. Die unterwölbte Westempore steht auf Rundstützen. Auf der Empore steht die Orgel von Ignaz Weise aus dem Jahr 1910. 

Die Ausstattung der Kirche wurde bei den jüngsten Renovierungen in den Jahren 1962/1963 und in 2001 bis 2003 neu geordnet. Die Bildhauerarbeiten stammen von Josef Neustifter aus Eggenfelden. Im Chorraum und an der Westwand des südlichen Seitenschiffs finden sich spätgotische Holzbildwerke aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts, die vom ehemaligen Hochaltar stammen. Es finden sich Darstellungen des heiligen Leonhard und eine Reliefszene, in der der heilige Leonhard Gefangene befreit. An der Westwand des südlichen Seitenschiffs hängt ein großformatiges Ölgemälde, das den heiligen Leonhard als Patron des Viehs zeigt. Das Bild datiert ins 18. Jahrhundert. Im Chorraum findet sich eine geschnitzte Pietà, die um 1720/30 datiert. In der Kirche finden sich zudem zahlreiche Votivtafeln und Eisenvotive, letztere zum Teil in Menschengestalt, die eine Besonderheit der Leonhard-Verehrung darstellen. 

Die barocke Friedhofskapelle, die nordwestlich der Kirche steht, wurde im Jahr 1700 nach einem Entwurf von Domenico Mazio erbaut.

Leonardi-Wallfahrt nach Ganacker

Der Heilige Leonhard, der Patron der Kirche, ist ursprünglich Patron und Befreier der Gefangenen. Er wurde vom Bauernstand als Beschützer vor allem der Pferde und Rinder auch als der „Bayerische Herrgott“ bezeichnet. In der Ikonographie ist er immer wieder mit den Attributen einer Kette und Tieren dargestellt. Bei Wallfahrten wurden dem Heiligen, zumindest in Ganacker, vor allem eiserne Votivgaben gestiftet. Hier hauptsächlich geschmiedete Haus- und Stalltiere, aber auch Eisenfunde, welche menschliche Gliedmaßen bzw. Organe darstellen. 

Bei mehreren Grabungen um die Leonhardikirche wurden Funde von solchen Votivgaben in einem Ausmaß gesichert, welches für ganz Europa bedeutend ist. Es ist eine Fundgrube für die Erforschung religiöser Kunstgeschichte. Die Wallfahrt zum Heiligen Leonhard hatte im Benefizium Ganacker vor allem Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Dabei ist die Wallfahrt zum 500-jährigen Bestehen des Benefiziums im November 1954 vielen Zeitzeugen auch nach über 60 Jahren noch in guter Erinnerung geblieben. Am Festsonntag strömten vor allem zum Leonhardiritt über 5000 Besucher in das kleine Dorf. Am Leonhardiritt mit nahezu 100 Pferden beteiligten sich viele Vereine aus Ganacker und der Umgebung mit ihren feierlich geschmückten Festwagen. Zum letzten Mal fand der Leonhardiritt in Ganacker im November 1980 statt. Hierbei waren dann nicht mehr Rösser aus der Landwirtschaft, sondern überwiegend Pferde von Reitvereinen und ansonsten nur noch ein Festwagen zu sehen.


Text: Peter Winnemöller

(kw)

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In der Reihe Kirchen aus dem Bistum Regensburg stellen wir Kirchen, Klöster und Kapellen vor, die sich im weiten Einzugsgebiet der Diözese befinden.



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