News Bild „Katholizismus ist weltumspannend“ – Erster Weihnachtsfeiertag im Dom St. Peter

„Katholizismus ist weltumspannend“ – Erster Weihnachtsfeiertag im Dom St. Peter

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Am Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages feierte Bischof Dr. Rudolf Voderholzer zusammen mit den Gläubigen, den Weihbischöfen Reinhard Pappenberger und Dr. Josef Graf sowie dem Domkapitel ein Pontifikalamt im Regensburger Dom St. Peter. Unter der Leitung von Domkapellmeister Roland Büchner und Katrin Giehl sangen die Regensburger Domspatzen. Domorganist Prof. Franz Josef Stoiber spielte die Orgel.

Dass der Katholizismus weltumspannend ist, zeigte sich auch in der Abfolge der Gottesdienstfeier, die am 25. Dezember traditionell in lateinischer und deutscher Sprache gefeiert wird. Denn bei Lesung und Fürbitten kamen heuer zusätzlich die russische, polnische und indische (Malayalam) Sprache zum Tragen.

Das „Vaterunser“ zu beten ist ein Wagnis

Wie auch bei der Christmette am Vorabend, ging Bischof Rudolf in seiner Predigt auf das „Vaterunser“ ein: Das „Vaterunser“ zu beten, sei ein Wagnis. Gott „Vater“ zu nennen, ein alles andere als selbstverständliches Unterfangen. Davon jedenfalls sei die Liturgie der Kirche überzeugt, die seit alters her zum Gebet des Herrn in der Messfeier zwischen Hochgebet und Kommunionempfang einlädt mit der Formulierung: „Dem Wort unseres Herrn und Erlösers gehorsam und getreu seiner göttlichen Weisung wagen wir zu beten“, erklärte Bischof Rudolf. Man müsse sich dabei in Erinnerung rufen, dass wir uns die Vateranrede im Gebet nicht sozusagen frech selbst herausnehmen, sondern dass wir es tun dürfen, ermächtigt durch Jesu Belehrung und durch die im Heiligen Geist empfangene Gotteskindschaft. Diese Zurückhaltung erkläre sich mit der Abgrenzung zu ganz dinglichen und physischen Vorstellungen von Vaterschaft in den umliegenden heidnischen Religionen.

Mit dem „Vaterunser“ lernen wir das christliche Beten kennen

„Es ist das Christusereignis in seiner ganzen Fülle, Jesu Geburt, sein Leben und seine Lehre, sein Sterben am Kreuz, die Auferweckung und schließlich die Sendung seines Geistes, die uns ermächtigen und befähigen, zu Gott Vater zu sagen, das Vaterunser zu beten. Der Grund für die Vateranrede, zu der wir Christen ermächtigt sind, liegt in der Sendung des Sohnes vom Vater her.“, betonte Bischof Dr. Rudolf Voderholzer. „Vater“ sei zuerst ein personaler Begriff, und meine die Beziehung. Menschlich gesprochen könnten wir die Beziehung nicht anders als mit auch geschlechtlich bestimmten Namen zum Ausdruck bringen, und so verwendeten wir „treu seiner göttlichen Weisung“ den Vater-Namen im Gebet im Wissen, dass es ein Wagnis ist, nicht von uns erfunden, sondern von Gott offenbart. Anhand des „Vaterunser“ werde das christliche Beten insgesamt kennengelernt. Als Gebet im Gottesdienst der Kirche dürfe es von den Gläubigen erst gesprochen werden, wenn sie getauft sind, so der Regensburger Oberhirte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier ist die Predigt von Bischof Rudolf zum Nachhören:

 

 

Lesen Sie hier die Predigt des Bischofs im Wortlaut:

Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht

Liebe Schwestern und Brüder, versammelt zum festlichen Hochamt im Regensburger Dom am Weihnachtstag des Jahres 2017 nach Christi Geburt!

Das „Vaterunser“ zu beten, ist ein Wagnis. Gott „Vater“ zu nennen, ist ein alles andere als selbstverständliches Unterfangen. Davon jedenfalls ist die Liturgie der Kirche überzeugt, die seit alters zum Gebet des Herrn in der Messfeier zwischen Hochgebet und Kommunionempfang einlädt mit der Formulierung: „Dem Wort unseres Herrn und Erlösers gehorsam und getreu seiner göttlichen Weisung wagen wir zu beten; heute wird es auf lateinisch gesungen werden und heißen: Praeceptis salutaribus moniti et divina institutione formati audemus dicere – wagen wir zu beten.

So lautet die lange Zeit einzig mögliche Gebetseinladung, die im neuen Messbuch um einige weitere vermehrt wurde, die aber alle ebenso in Erinnerung bringen, dass wir uns die Vateranrede im Gebet nicht sozusagen frech selbst herausnehmen, sondern dass wir es tun dürfen, ermächtigt durch Jesu Belehrung und durch die im Heiligen Geist empfangene Gotteskindschaft.

Das Festgeheimnis von Weihnachten, besonders das Evangelium des Weihnachtstages, geben uns eine Antwort gerade auch auf die Frage, warum die Liturgie der Kirche sich so zurückhaltend und vorsichtig, ja geradezu scheu dem Vaterunser-Gebet nähert. Jenem zentralen Gebet der Christenheit, das, so ist zu hoffen, noch jedem Getauften seit seiner Kindheit vertraut ist und das jeder Christ und jede Christin zumindest einmal am Tag betet.

Es lohnt, sich gerade am Weihnachtsfest der Nichtselbstverständlichkeit dieses Gebetes neu inne zu werden und den tieferen Gründen zu seiner Ermächtigung, zur Erlaubnis seines Betens nachzuspüren. Denn das Vaterunser ist ein zutiefst weihnachtliches Gebet, indem es vor allem das Weihnachtsgeschehen voraussetzt.

Religionsgeschichtlich gesehen ist die Bezeichnung Vater für einen Gott oder den höchsten der Götter durchaus öfter belegt. Der oberste Gott der griechischen Mythologie, Zeus, wird beispielsweise auch Göttervater genannt. Diese mythologische Vorstellung ist freilich vom Glauben an einen geschichtsmächtigen personalen Gott, wie er der jüdisch-christlichen Tradition entspricht, vollkommen verschieden. Die Götter der griechischen Mythologie sind Personifizierungen menschlicher Weisheit und selbst der Moira, dem Schicksal unterworfen.

Beim Blick auf das Alte Testament zeigt sich jedoch eine große Zurückhaltung, Jahwe als Vater zu bezeichnen. Diese Zurückhaltung erklärt sich mit der Abgrenzung zu ganz dinglichen und physischen Vorstellungen von Vaterschaft in den umliegenden heidnischen Religionen. Erst im späten, hellenistisch gefärbten Judentum sind Aussagen bezeugt, die zumindest an die Schwelle des Neuen Testaments und der Gottesbeziehung Jesu hinführen im Sinne einer vertrauensvollen Beziehung zu Jahwe als Vater Israels oder des ganz persönlichen Lebens. Das nachchristliche Judentum hat die Gottesanrede „Vater“ nicht aufgenommen, um sich vom Christentum zu unterscheiden und die trinitätstheologischen Konsequenzen der Vateranrede zu vermeiden.

Im Islam wird die Vateranrede für Allah kategorisch abgelehnt. Sie steht im Widerspruch zum ersten Glaubensartikel, dass Allah keinen Sohn und keine Kinder hat. Aber auch die Unnahbarkeit und radikale Weltunterschiedenheit Allahs verbietet diese vertrauliche Anrede.

Wenn wir diesen Religionenvergleich mitbedenken, wird schon ein wenig verständlicher, warum es in der Liturgie so vorsichtig heißt, „wagen wir, wagen wir Christen, zu beten: Vater unser“.

Es ist das Christusereignis in seiner ganzen Fülle, Jesu Geburt, sein Leben und seine Lehre, sein Sterben am Kreuz, die Auferweckung und schließlich die Sendung seines Geistes, die uns ermächtigen und befähigen, zu Gott Vater zu sagen, das Vaterunser zu beten. Das Vaterunser-Gebet setzt die ganze alttestamentliche Glaubensgeschichte und auch das Christusereignis voraus, ja im Vaterunser ist alles wie in einem Kompendium verdichtet.

Im Prolog zum Johannes-Evangelium, den wir gerade als Frohbotschaft zum Weihnachtsfest verkündet bekommen haben, steht, am Schluss, der entscheidende Satz: Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht. Der Grund für die Vateranrede, zu wir Christen ermächtigt sind, liegt in der Sendung des Sohnes vom Vater her. Jesus konnte von sich sagen: „Wer mich sieht, sieht den Vater“, und er ist gegangen, „um uns im Hause seines Vaters ewige Wohnungen zu bereiten“.

Die Menschwerdung Gottes in seinem Sohn geschieht um des Zieles willen, uns in die Beziehung des Sohnes vom Vater im Heiligen Geist einzubeziehen und so die Menschen mit Gott zu versöhnen. Vorausgesetzt ist dabei, dass diese Gottesrede analog ist, also einer Ähnlichkeit mit menschlich erfahrbarer Wirklichkeit eine je größere Unähnlichkeit entspricht. So steht Gott der Vater jenseits der geschöpflichen Geschlechterdifferenz und integriert väterliche und mütterliche Züge. Im Glaubensbekenntnis nachher werden wir, auf lateinisch, eine paradoxe Formulierung verwenden und vom Sohn im Blick auf seine ewige Ursprungsbeziehung zum Vater bekennen: „ex patre natum ante omnia saecula“ – aus dem Vater geboren (!) vor aller Zeit! Vater ist zuerst ein personaler Begriff, und meint die Beziehung. Menschlich gesprochen können wir die Beziehung nicht anders als mit auch geschlechtlich bestimmten Namen zum Ausdruck bringen, und so verwenden wir „treu seiner göttlichen Weisung“ den Vater-Namen im Gebet im Wissen, dass es ein Wagnis ist, nicht von uns erfunden, sondern von Gott offenbart.

Es ist also nicht nur so dahingesagt, wenn wir davon sprechen, es zu wagen, Vater unser zu beten. In der Dramaturgie der Taufkatechese der Alten Kirche etwa ist die Übergabe des Vaterunser ein eigener Akt, wie die Übergabe des Glaubensbekenntnisses auch. Anhand des Vaterunser wird das christliche Beten insgesamt kennengelernt. Als Gebet im Gottesdienst der Kirche darf es von ihnen erst gesprochen werden, wenn sie getauft sind. „Das Vaterunser beten zu dürfen, ist aus Sicht eines Taufbewerbers daher ein erstrebenswertes Privileg“ (Julia Knop, „Wo das Gebet still steht, endet auch das Verständnis.“ Vaterunser-Auslegungen von Reinhold Schneider und Alfred Delp, in: IKaZ 38 [2009] 494–506, 495). Wenn es also auch ein Privileg der Getauften ist, Vaterunser beten zu dürfen, ist es nicht das Gebet ausschließender Exklusivität, sondern einschließender, alle Menschen einschließender Stellvertretung, verbunden mit der Einladung, sich Christus zu nähern und durch ihn zum Vater zu gelangen.

Uns, denen das Vaterunser eine liebe Gewohnheit geworden ist und die wir es manchmal mehr auswendig als inwendig beten, tut vielleicht eine Geschichte gut, die zeigt, welch eine Faszination das Vaterunser ausüben kann gerade auch auf Menschen, die es nicht von Kinderbeinen an gelernt haben. Der bedeutende evangelische Theologe und Prediger im Hamburger Michel, Helmut Thielicke erzählt in seinen Lebenserinnerungen ein kleine Geschichte, die dazu angetan ist, uns den Blick wieder neu schärfen für den großen Schatz, den das Gebet des Vater Unser für uns bedeutet. – Es ist eine Geschichte aus der Zeit vor dem Internet, als man noch nicht durch Google oder andere Suchmaschinen überall und jederzeit gesuchte Informationen abfragen kann. 

Zu Helmut Thielicke also kamen in den 1950er Jahren zwei Philologiestudenten, die an einer seiner Predigten im Hamburger Michel teilgenommen hatten. Sie stammten, wie sie ihm später erklärten, aus streng antiklerikal eingestellten Familien. Sie hatten nie irgendeine Art von Religionsunterricht gehabt, waren aber doch oder gerade deswegen auf der Suche. Und so waren sie auch in diesen Predigtgottesdienst geraten.

Was sie am meisten beeindruckte, war das am Ende gemeinsam gesprochene Vaterunser, dessen Text sie nie kennengelernt hatten und bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal bewusst wahrnahmen. Weil alle ihn zu kennen schienen und sie sich schämten, ihre Unkenntnis zu offenbaren, wagten sie nicht, danach zu fragen, sondern machten sich selbst auf die Suche danach – wohlgemerkt noch ohne Internet! Ihr Mühen, ihn in der Staatsbibliothek zu finden, schlug fehl. Auch in der Bibliothek der Theologischen Fakultät konnten sie den Wortlaut nicht ausfindig machen. Die Sache wurde ihnen immer rätselhafter, bis sie schließlich auf die Idee kamen, am Sonntag bei der im Rundfunk übertragenen religiösen Morgenfeier das dort gemeinsam gebetete Vaterunser mitzustenographieren. »So hatten wir das Vaterunser schließlich im Kasten«, schloss der Bericht der beiden an Thielicke über ihre lange und schwierige Entdeckungsfahrt nach dem Gebet des Herrn, die übrigens schließlich in ihre Konversion zur katholischen Kirche mündete (vgl. Helmut Thielicke, Zu Gast auf einem schönen Stern. Erinnerungen, Hamburg 1986, 370 f.; trefflich zusammengefasst von Joseph Ratzinger).

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn! Vor ein paar Tagen wurde das Ergebnis einer Allensbach-Umfrage veröffentlicht. 60 % aller Deutschen wünschten sich eine christliche Prägung unseres Landes, eine Zahl die offenbar ansteigt. Wenn es um den Erhalt christlicher Feiertage und die Reserve gegenüber islamischen Feiertagen geht, ist die Tendenz noch deutlicher. Die Kommentatoren deuten dies als Rückbesinnung auf die eigene Identität angesichts möglicherweise drohender kultureller Überfremdung. Diese Meldung steht im merkwürdigen Kontrast zur gleichzeitig publizierten Feststellung, dass die Zahl derer, die sich öffentlich, beispielsweise durch den Gottesdienstbesuch, zu ihrem christlichen Glauben bekennen, rückläufig ist. Darauf kann man nur antworten: „Für das Christentum in Deutschland sind in allererster Linie die Christen selbst verantwortlich. Wenn ihnen ihr Glaube egal ist, kann ihn ja auch niemand vermissen und es braucht kein Lamento. Wenn er ihnen aber am Herzen liegt, dann sollen sie ihn eben leben, fröhlich und selbstbewusst, und ihn offen bekennen, nicht zuletzt in Allensbach-Umfragen“ (so der Kommentator der Welt Lucas Wiegelmann) oder durch die bewusste Mitfeier des Weihnachtsgottesdienstes, so wie Sie alle hier im Regensburger Dom.

Liebe Schwestern und Brüder, zurück zum Vaterunser.

Der Apostel Paulus fasst in seinem Brief an die Galater (4,4–6) – es wird die zweite Lesung sein heute in acht Tagen am Hochfest der Gottesmutter – Paulus fasst wie in einem Kompendium des gesamten christlichen Glaubens den Sinn von Weihnachten zusammen. Mit seinen Worten will ich schließen:

4 Als [aber] die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, 5 damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen. 6 Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater.

Darum dürfen wir es wagen.

Amen!



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