Karfreitag ist still wie ein Grab
Den Tag des Leidens und Sterbens Christi ehren die Christen durch Stille und strenges Fasten. "Der Karfreitag ist still wie ein Grab" hieß es früher.
Die Arbeit ruhte, kein Pfeifen oder Singen war im Haus zu hören. Jedes Türenschlagen, Tellerklappern, überhaupt jeglicher Lärm wurde vermieden. Sogar die Glocken schweigen. Am Gründonnerstag beim "Gloria" läuten sie zum letzten Mal, bevor sie ihre Reise nach Rom antreten, heißt es. Bis zur Osternacht herrscht diese Stille als Zeichen der Trauer um den gekreuzigten Jesus. Erst zum "Gloria" während der Auferstehungsfeier in der Osternacht erschallt das feierliche Glockengeläut wieder von den Kirchtürmen. In dieser Zeit der Corona-Pandemie hat Stille für uns eine andere Bedeutung bekommen. In den Schulen und Kindergärten, auf sonst belebten Straßen und Plätzen, in Fußballstadien, Theatern und Konzerthäusern, überall herrscht Stille.
Die Kartage können in diesem Jahr in den Pfarreien nicht gemeinsam mit den Gläubigen begangen werden. Doch die Kirchen des Bistums bleiben als Orte der Einkehr und der Stille geöffnet. Und wer sich auf alte Traditionen besinnt, findet auch zu Hause oder in freier Natur die Möglichkeit zur Andacht und zum Gebet.
Die Kalvarienberge
Vielleicht hat ja der eine oder andere einen Kalvarienberg in seiner näheren Umgebung. Gerade in der vorösterlichen Zeit waren die Kalvarienberge früher viel besuchte Andachtsstätten: Orte der Ruhe und Besinnlichkeit, oft an den Außenwänden der Kirchen, meist aber in der freien Natur errichtet. Auf einem Hügel oder einem Berg wurde ein großes Kreuz oder eine Kreuzigungsgruppe aufgestellt, die den Endpunkt eines Kreuzweges mit Darstellungen des Leidensweges Christi bildete. Meist hatte die Strecke dabei die Länge der "Via Dolorosa" in Jerusalem.
Der Ursprung der Kalvarienberge geht auf das 13. Jahrhundert zurück. Sie wurden sozusagen als "Kopien" der Leidensstätten Jesu im Heiligen Land errichtet. Wer einen der Kalvarienberge besuchte, konnte auf denselben Gnadenerweis hoffen, den eine Pilgerreise nach Jerusalem erbracht hätte.
Am Stadttor, dem "Tor der Stadt Jerusalem", oder an der Kirche als "Pilatushaus" begann in der Regel der häufig beschwerliche Weg auf den Kalvarienberg. Viele der Kalvarienberge sind bis in unsere Zeit als Orte der Andacht und Stille erhalten geblieben, darunter in Moosbach bei Viechtach im Bayerischen Wald, in Stadlern im Landkreis Schwandorf, in Altenstadt an der Waldnaab mit seinem weithin sichtbaren Kreuz am Gipfel, dessen Tradition sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, in Lauterhofen in Landkreis Neumarkt, oder der Kalvarienberg am "Moosbacher Pfahl" in der Pfarrei St. Johannes, einer der ältesten Pfarreien im Bistum Regensburg.
Der Kreuzweg
Waren bei den Kalvarienbergen ursprünglich nur Anfang und Ende des Weges festgelegt, wurden im Mittelalter weitere Gedenkstätten hinzugefügt. So entstanden die Kreuzwege mit sieben Stationen, die im 16. Jahrhundert weit verbreitet waren. Erst im 17. wurden dann die heute üblichen 14 Kreuzwegstationen geschaffen, die bald auch in den Kirchen Einzug hielten. Zunächst waren die vierzehn Stationen nur auf Kirchen des Franziskanerordens beschränkt. Doch bald war die Andachtsform so beliebt, dass kaum mehr eine katholische Pfarrkirche ohne einen solchen Kreuzweg auskam. Im 19. Jahrhundert gab es schließlich fast keinen Kirchenraum mehr ohne den vierzehnteiligen Kreuzwegzyklus, darunter befinden sich bis heute bedeutende Kunstwerke.
Zum Kreuzweg finden sich im Gotteslob etliche Andachten - darunter auch spezielle Kreuzwegandachten für Kinder. Wer keine Kreuzwege im Freien in seiner Nähe hat, kann auch alleine oder im Kreis seiner Familie in den Kirchen den Kreuzweg betrachten. Natürlich können die Andachten auch zu Hause gebetet werden.
Die Kreuzverehrung
Der Karfreitag ist Teil des österlichen Triduums - der "Heiligen drei Tage". Sie beginnen am Gründonnerstag und finden ihren Höhepunkt in der Feier der Osternacht. Der Gottesdienst am Karfreitag hat dabei eine eigenständige, sehr alte Liturgie. Ursprünglich wurde der Tag vermutlich ohne Gottesdienst begangen. Nach der Wiederauffindung des Kreuzes durch Kaiserin Helena im Jahr 320 hat sich die Kreuzverehrung von Jerusalem aus verbreitet, darunter auch der Brauch, Kreuzdarstellungen dem Volk zur Verehrung zu zeigen. So hielt die Kreuzverehrung auch Einzug in die Karfreitagsliturgie, wo sie bis heute den zweiten Teil der Feier bildet. Dabei wird ein Kreuz, mit oder ohne Darstellung des Gekreuzigten, vom Priester herbeigebracht und mit dem Ruf "Ecce lignum crucis" (Seht das Holz des Kreuzes) dreimal feierlich erhoben ("Kreuzerhöhung"). Jeweils nach der Antwort "Venite adoremus" (Kommt, lasset uns anbeten) knien alle zur stillen Verehrung nieder.
Zuhause braucht es nur ein Kreuz, um diesen Teil der Karfreitagsliturgie zu feiern. Früher entzündeten die Gläubigen in den Häusern am Karfreitag eine Kerze vor dem Kreuz im Hergottswinkel. Dann kniete die ganze Familie nieder. In vielen Kirchen ist es heute der Brauch, dass zur Kreuzverehrung von den Gläubigen Blumen mitgebracht werden. Gerade Kinder haben bestimmt ihre Freude daran, daheim eine frisch gepflückte Blume vor das Kreuz oder auf den Hausaltar zu legen.
Heilige Gräber
Auch in diesem Jahr werden in vielen Kirchen im Bistum Regensburg am Karfreitag und Karsamstag so genannte Heilige Gräber aufgebaut. Entstanden ist diese Tradition schon im frühen Mittelalter, als man Nachbildungen des Heiligen Grabes von Jerusalem in den heimischen Kirchen aufstellte. Ihre "Hoch-Zeit" erlebten die Heiligen Gräber im Barock, wo man sie oft mit aufwendigen Theaterkulissen als "Bibel für die Augen" gestaltete. Finanziert und gepflegt wurden die Gräber häufig durch eine "Grab-Christi-Bruderschaft". Bereits 1609 ist eine solche Bruderschaft in Landshut bezeugt. Aus der Landshuter Stiftsbasilika und Stadtpfarrkirche St. Martin stammt auch die wahrscheinlich größte Anlage eines barocken "Heiligen Grabes" im deutschsprachigen Raum.
Früher hielten Gemeindemitglieder am Karfreitag an den Gräbern die Totenwache für den am Kreuz gestorbenen Christus. Vereine, Zünfte und Bruderschaften wechselten sich dabei bis zur Auferstehungsfeier in der Osternacht ab. Und so wie man sich an Weihnachten zum "Kripperlschaun" aufmachte, gingen die Gläubigen früher an den Kartagen zum "Grabschaun" in die Kirchen. Auch die Heiligen Gräber bieten in Zeiten der Corona-Krise die Möglichkeit zur Betrachtung und zum stillen Gebet - und vor allem Kindern sind begeistert, wenn sie biblische Geschichte so bildhaft erleben können.
Text: Judith Kumpfmüller