Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. - ein Nachruf von Dr. Michael Hofmann
Papst em. Benedikt XVI.: der „Theologenpapst"
Regensburg, 31. Dezember 2022
Schon vor mehr als 100 Jahren machte Karl Kraus den Deutschen den Vorwurf, aus dem Volk der Dichter und Denker sei „ein Volk der Richter und Henker“ geworden. Was würde der heute sagen: „Unschuldsvermutung“ ist ein Fremdwort geworden und jedes Gutachten wird sogleich als Gerichtsurteil gewertet. Der Umgang der Medien mit Papst Benedikt XVI. ist dafür ein gutes Beispiel.
Um Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. jedoch zutreffend zu charakterisieren, muss man unterscheiden zwischen Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI., wie er wirklich war, und dem „virtuellen Papst“, d. h. dem Bild, das manche Medien von ihm gezeichnet haben.
Es gibt keinen Zweifel, Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. wird als „Theologenpapst“ in die Kirchengeschichte eingehen. Schon jetzt wird er gerne in einem Atemzug mit Papst Leo I. (+ 461) und Gregor I. (+ 604) genannt.
Hauptanliegen seiner Theologie war, aufzuzeigen, wie die kirchliche Lehre in der Bibel und in der Tradition der Kirche verankert ist. Damit faszinierte er in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts seine Studenten. Ein Bestseller dieser Jahre war seine „Einführung in das Christentum“ (1968).
Ein anderes Anliegen war, die Menschen auf Christus aufmerksam zu machen und sie zum Glauben an Jesus Christus hinzuführen bzw. im Glauben zu stärken. Dem sollten seine „Jesusbücher“ dienen. (Jesus von Nazareth, 3 Bde., 2007 ff.)
Die Zeiten haben sich gewandelt:
Wenn für manche heutzutage der einzige glaubwürdige Satz des Glaubensbekenntnisses heißt „gelitten unter Pontius Pilatus“ und wenn manche im Stil eines Fleckerlteppichs aus den verschiedenen Religionen ihr Weltbild selbst zusammenzimmern („Patchworkreligion“), dann muss in einer solchen Atmosphäre des Relativismus jemand, der sich klar zum Credo der Kirche bekennt und für den es noch verbindliche Glaubenswahrheiten gibt, ein rotes Tuch sein, zumal wenn er seine Theologie in intellektueller und in sprachlicher Brillanz vorträgt.
Dabei ist Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. nicht so eng, wie man ihn manchmal darstellt. Bekannt ist seine Antwort auf die Frage, wie viele Wege zu Gott es gibt: „So viele Wege, wie es Menschen gibt“.
Weniger bekannt ist, wie Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. das Credo (Glaubensbekenntnis) der Kirche sieht. Hauptzweck ist für ihn nicht, dass man es anderen um die Ohren schlagen oder unter die Nase halten kann, sondern der Hauptzweck des Credo ist für ihn der Lobpreis. In der prägnanten Sprache von Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. heißt das markant zusammengefasst: „Die Kirche hat ein Credo, das man singen kann!“
Was nicht so im allgemeinen Bewusstsein ist: Papst Benedikt XVI. ist entschieden gegen die Missbrauchstäter vorgegangen. Er hat z. B. über 400 Priester ihres Amtes enthoben. Es hat die Reform der Vatikanbank zumindest eingeleitet. Trotz etlicher Unkenrufe im Vorfeld mancher seiner Auslandsreisen hat er regelmäßig die Menschen mit der Bescheidenheit seines Auftretens und der Klarheit und der Kraft seiner Worte beeindruckt. Er war ein überzeugender Botschafter des Evangeliums.
Prälat Dr. Michael Hofmann
(ehem. Stiftungsratsvorsitzender der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI-Stiftung und Schüler von Benedikt XVI.)
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