Göttingen / Regensburg, 19. September 2024
Vor genau einem Jahr haben Panzer und Soldaten aus Aserbaidschan die De-Facto-Republik Arzach angegriffen, eine seit 1700 Jahren christlich-armenische Region. Am 19. September 2023 begann die völkerrechtswidrige Vertreibung fast der gesamten Bevölkerung dieses traditionell zum Staat Armenien gehörenden Gebietes durch Truppen Aserbeidschans und der Türkei. Ein Bündnis von Menschenrechtsorganisationen fordert nun, Aserbaidschan zur Verantwortung zu ziehen. Anlass dafür ist die bevorstehende Welt-Klimakonferenz der Vereinten Nationen, kurz COP29, in der Hauptstadt Aserbeidschans, Baku.
Weit mehr als 120.000 Armenier, zumeist Alte, Frauen und Kinder, wurden im Herbst und beginnenden Winter 2023 aus Arzach vertrieben, das Gebiet ist auch bekannt unter dem Namen Bergkarabach. Unterstützt wurden die Aseris durch türkische Panzer und weiteres militärisches Material. Die Türken und die Aseris sehen sich als Brudervölker. Aktuell werden indessen bis zu einhundert Armenier aus Arzach, darunter acht ehemalige politische und militärische Führungspersönlichkeiten, in Gefängnissen Aserbaidschans festgehalten. Angesichts der bevorstehenden Weltklimakonferenz COP29, die am 11. November eröffnet wird und mit der Aserbeidschan offenkundig internationale Akzeptanz gewinnen will, wendet sich eine Arbeitsgemeinschaft mehrerer Menschenrechtsorganisationen an die Öffentlichkeit:
„Es kann nicht sein, dass Aserbaidschan durch die COP von diesen Verbrechen reingewaschen wird! Nutzen Sie ihre Kontakte und Gespräche in der Vorbereitung auf die COP und fordern Sie die Freilassung der Gefangenen, das Rückkehrrecht der Vertriebenen und die Aufarbeitung des Völkermords an den Armeniern aus Arzach!“, schreiben die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), der Zentralrat der Armenier (ZAD), die Arbeitsgruppe Anerkennung, gegen Genozid, für Völkerverständigung (AGA) und der Verein der Völkermordgegner e.V. in einem gemeinsamen Appell an alle Bundestagsabgeordneten.
Pfarrer Peter Fuchs von der internationalen Menschenrechtsorganisation Christian Solidarity Interntional (CSI) ergänzt: „Aus meiner Sicht zieht sich eine Linie vom türkischen Völkermord an den Armeniern bis zur Eroberung Bergkarabachs und der de facto vollständigen Vertreibung der dortigen Karabach-Armenier. Durch den Weltklimagipfel und andere PR-Coups darf sich Aserbaidschan nicht reinwaschen. Die internationale Gemeinschaft muss auch hier die Einhaltung völker- und menschenrechtlicher Standards einfordern – sonst sind sie nichts wert.“
Menschen in Armenien weiter in Gefahr
Gleichzeitig warnen alle Menschenrechtler unisono vor weiteren aserbeidschanisch-türrkischen Angriffen. Bei zahlreichen Gelegenheiten habe der Präsident Aserbaidschans, Ilham Alijew, öffentlich das Territorium der Republik Armenien und insbesondere deren südöstliche Provinz Sjunik als Westaserbaidschan bezeichnet beziehungsweise beansprucht. 2016, 2020 und 2022 habe Aserbaidschan mit Militärangriffen die Akzeptanz der internationalen Staatengemeinschaft für solche Invasionen getestet, ohne eine deutliche Reaktion hervorzurufen. Es sei also zu befürchten, dass Aserbaidschan nach der COP29 seine Angriffe auf die Republik Armenien fortsetzen könnte.
„Ähnlich wie in der einst armenisch besiedelten Exklave Nachitschewan droht auch in Bergkarabach die Zerstörung armenischen Kulturguts. Aserbaidschan hat darüber hinaus sogar angekündigt, alle armenischen Bauten in Bergkarabach aus den letzten 32 Jahren zu entfernen bzw. zu vernichten“, schreiben die Menschenrechtler und fordern, dass sich die Bundestagsabgeordneten für die Dokumentation und das Monitoring der Kulturgüter einsetzen. Schließlich sei die Förderung von zivilgesellschaftlichem Kontakt und Austausch dringend notwendig, um vor allem die in Aserbaidschan bestehenden Vorurteile abzubauen. Sie wurden vom Alijew-Regime und den von ihm kontrollierten Medien systematisch gefördert.
Text: Sarah Reinke (GfbV) / Valerio Krüger (IGFM)
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