News Bild Interview mit Pfarrer Dekan Dr. Thomas Vogl über die pastorale Entwicklung in den Dekanaten

Interview mit Pfarrer Dekan Dr. Thomas Vogl über die pastorale Entwicklung in den Dekanaten

Müssen wieder mehr Menschenfischer werden

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Regensburg, 29. November 2024

Auch in diesem Jahr traf sich der Priesterrat der Diözese Regensburg, um über die großen Herausforderungen der Kirche und der Priester zu beraten. Wir trafen den Sekretär des Priesterrates Dr. Thomas Vogl zum Gespräch.

 

Sehr geehrter Herr Dr. Vogl: Laut der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung aus dem Jahr 2023 treten viele junge Menschen aus der Kirche beim Start in das Berufsleben aus. Was wird getan, um diese Menschen wieder an Glauben und Kirche zu binden?

Eine sehr schwierige Frage, weil die Studie eigentlich auch feststellt, wer einmal aus der Kirche ausgetreten ist, kommt nicht mehr zurück. Von daher wird es sehr mühsam sein. Ich denke, man muss alles daransetzen, vorher anzusetzen, sodass es möglicherweise nicht zum Kirchenaustritt kommt. Ich denke, es wird ja auch sehr viel gemacht. Natürlich gibt es einen gewissen Abbruch nach der Firmvorbereitung und der Firmung. Die weiteren Schritte mit Jugendlichen, mit jungen Erwachsenen gut im Kontakt zu bleiben, sind nicht so einfach, weil viele dann auch weggehen. Mit dem Studium oder auch mit Ausbildung entsteht eine gewisse Distanz. Das beste Mittel wäre natürlich, wenn wir vor dieser Entscheidung, aus der Kirche auszutreten, noch mal ins Gespräch kommen könnten. Ich habe es bei einem erwachsenen Menschen erlebt, der dann seine Entscheidung tatsächlich nicht ganz revidiert, aber bis jetzt auch nicht aus der Kirche ausgetreten ist. Von daher denke ich mir: Wenn man bei Menschen, die zweifeln, einen persönlichen Kontakt bekäme, könnte man einerseits manche Entscheidungen „verhindern“. Andererseits muss die Kirche, mit dem was sie tut, die Türen weiterhin offenhalten und die weiteren Begegnungen, die sich dann irgendwann auch ergeben, nutzen, um vielleicht wieder neue Beziehungen zu schaffen.

 

Laut dieser Studie stellte sich heraus, dass Menschen in prekären Situationen weniger in die Kirche gehen. Welche Angebote machen Sie diesen Menschen?

Die karitativen Einrichtungen der Kirche sind die Berührungspunkte mit den Menschen in prekären Situationen. Dort erleben sie Kirche zwar nicht auf die Weise, dass sie Gottesdienst feiern, aber ich denke, der Dienst am Menschen ist immer auch eine Form von Gottesdienst. Vielleicht muss man sich diese Weite bewahren. Bei den Menschen, die in solchen prekären Situationen Kirche positiv erleben, können wir keinen Automatismus verbinden, dass sie wegen einer positiven Kirchenerfahrung automatisch in den Gottesdienst kommen. Aber es wird andere Gelegenheiten geben, gerade bei den Kasualien, wo die Bitte um ein Sakrament da ist – und dass man dann auch mit aller Zugewandtheit, mit allem Verständnis diesen Menschen begegnet und so den Halt vermittelt: „Die Kirche kann auch für dich ein Ort sein.“

 

Wie kann den Gläubigen die Angst genommen werden, die angesichts der Pastoralen Entwicklung 2034 immer wieder für Verunsicherung sorgt? Welche guten Argumente kann man den Menschen, insbesondere als Priester, an die Hand geben?

Die pastorale Entwicklung ist für alle, von der Diözesanleitung angefangen bis hinunter zu den Gläubigen, ein großer Schritt, der getan werden muss. Ob es in erster Linie Argumente braucht, glaube ich nicht einmal. Es braucht vor allem Kommunikation, Information, und Begegnung. Ich glaube, man muss nah an den Menschen bleiben und ihnen sagen, was als nächster Schritt kommt. Hier gilt es, transparent mit diesem Thema umzugehen und im Gespräch zu bleiben. Und es gilt, dahingehend zu motivieren, dass wir alle in gleicher Weise vor dieser Aufgabe stehen, alle im gleichen Boot miteinander sitzen. Bislang hat keiner dafür ein Patentrezept. Aber im Miteinander werden wir diese Aufgabe bewältigen. Ich denke, da muss mehr Herz rein als nur immer Kopf und Strukturen.

Die Diözese hat im November eine Dienstgeber-Mitarbeiter-Veranstaltung in Regensburg organisiert und über die Herausforderungen, Strukturveränderungen sowie über die Pastorale Entwicklung informiert. Wie laufen diese Informationsgespräche in den jeweiligen Dekanaten?

Zunächst natürlich in der Dekanatskonferenz selbst. Als Dekan gebe ich die Informationen in die Dekanatskonferenz weiter. Dort besteht die Möglichkeit, mit den Pfarrern, den Pfarrvikaren, den pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Dinge zu besprechen, auch die nächsten Schritte zu klären und zu organisieren. Dann gibt es die Form der Dekanatsversammlung, wo die Vertreter aus den Gremien und die Verbände etc. vertreten sind. Dort erhalten sie diese Informationen aus erster Hand. Von dort gehen sie zu jedem Pfarrer, jeder Gemeindereferentin vor Ort sowie in den Pfarrgemeinderat und in die Kirchenverwaltung. Es ist tatsächlich momentan so, dass man viel kommunizieren muss und diese Ebenen einfach nutzen muss.

 

Die 631 Pfarreien bleiben – auch wenn Pfarreiengemeinschaften gebildet werden. Aber wie sieht das dann ganz konkret aus? Was bedeutet das für die Priester und die Gemeindemitglieder und die Ehrenamtlichen?

Es gibt größere Veränderungen, als uns vielleicht lieb ist. In den letzten Jahren haben wir noch gedacht, dass die Einheiten einfach nur größer werden, einfach nur räumlich; so sehen wir jetzt eine noch höhere Beanspruchung für die Mitbrüder, für die Priester, für die pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Insofern werden manche Selbstverständlichkeiten, die mit der Präsenz des Priesters vor Ort verbunden sind, einfach nicht mehr so weitergehen – vom Gottesdienstangebot angefangen bis hin zu Terminen für die Sakramentenspendung etc. Umso mehr wird das ehrenamtliche Engagement der Leute vor Ort notwendig. Wichtig ist dabei, dass die Pfarrer ihnen diese Arbeit auch zutrauen und sagen: „Du kannst das, Du machst das vor, Du bist jetzt notwendig“. Dies muss man in die Balance bringen, aber auch ehrlich und redlich über diese Veränderungen reden.

 

Für die Pfarrer wird es also schwieriger?

Ich komme gerade von der Dekanatskonferenz – und da war dies auch ein Thema. Die Sorge ist tatsächlich da. Ich persönlich kann von jedem Pfarrer sagen, dass er bisher schon fleißig war und das Seinige geleistet hat. In Zukunft werden sich die Aufgaben automatisch verdoppeln, vielleicht sogar verdreifachen. Es wird mehr an Belastung. Daher müssen auch die Pfarrer für sich selber Sorge tragen, sich selbst Grenzen setzen. Gleichzeitig gilt es immer Ausschau zu halten, wer helfen kann. Diese Hilfe und Unterstützung gilt es dann anzunehmen. Die Aufmerksamkeit für die Menschen vor Ort, aber auch für sich selber, ist sehr wichtig und natürlich eine große Herausforderung. Hier gilt es ein gutes Maß zu halten.

 

Damit sich die Priester auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren können, sollen die Pfarreien durch Verwaltungskoordinatoren unterstützt werden. Vielleicht können Sie uns den Unterschied zwischen Verwaltungsleitern und Verwaltungskoordinatoren noch einmal erklären?

Momentan gibt es zwei aktuelle Unterstützungsangebote seitens der Diözese. Domkapitular Hans Ammer kümmert sich zusammen mit seiner Mitarbeiterin Frau Baldauf federführend darum. Hier wurde schon viel auf den Weg gebracht. Ein Verwaltungskoordinator oder eine Koordinatorin ist ein Bindeglied zwischen dem Pfarrer als Kirchenverwaltungsvorstand vor Ort und der Diözese und den Hauptabteilungen. Er hilft, dass Dinge koordiniert und vorbereitet werden, damit der Pfarrer mit der Kirchenverwaltung vor Ort einfach leichter weiterarbeiten kann. Das ist eine große Hilfe, weil die Wege kürzer und manche Dinge einfach abgenommen werden können. Bei der Verwaltungsleitung geht es einen wesentlichen Schritt weiter, weil damit verbunden ist, dass diese Leitung für das Gremium der Kirchenverwaltung den Vorsitz anstelle des Pfarrers übernimmt. Der Pfarrer ist damit nicht außen vor, wird aber von Terminen, Sitzungen und weiteren Arbeiten wirklich entlastet. Die Diözese bietet bewusst beide Modelle an, damit auch der Pfarrer für sich selbst sagen kann: „Ich brauche das“ oder „Mir nützt dies“. Ich finde es sehr gut, dass man Flexibilität in diesem Bereich hat.

 

Der Aufbau von Dienstleistungszentren ist geplant. Wie kann man sich deren Arbeit vorstellen? Warum sind sie überhaupt nötig?

Das ist eine ganz pragmatische Sache und kluge Entscheidung, um einfach wegen der großen flächenmäßigen Ausdehnung unserer Diözese kürzere Wege zu haben. Die Unterstützung seitens dieser Arbeitskräfte geschieht dann vor Ort. So erleichtert man ihnen auch die Arbeit und spart Zeit. Es ist eine sehr sinnvolle Entscheidung, diese Dienstleistungszentren in die Regionen zu verteilen.

 

Welche Rolle werden Ehrenamtliche in der Zukunft spielen? Zur Unterstützung der Gottesdienste wird weiter Personal gebraucht. Was ist hier geplant?

Wir tun das, was wir immer getan haben. Wir versuchen immer wieder Ehrenamtliche für die Gremien, für die Dienste und gerade für die Gottesdienste zu gewinnen. Darüber hinaus werden entsprechenden Schulungen angeboten. Es werden Menschen darauf vorbereitet, dass sie so einen Dienst auch für die Leitung eines Wortgottesdienstes übernehmen können und für andere liturgische Feiern, die keinen Priester in dem Sinn „brauchen“. Dazu braucht es weiterhin viel Anstrengung, weil wir insgesamt kleiner werden. Damit wird die Auswahl nicht unbedingt größer. Im Prinzip gehen wir den Weg, den wir bisher gegangen sind; also den Menschen etwas zuzutrauen, sie zu qualifizieren, ihnen entsprechende Wertschätzung entgegenzubringen und sie weiter zu begleiten. Dann hoffe ich, dass die Gemeinden weiter Orte sind, wo der Glaube gelebt, bezeugt und gefeiert wird, wo man sich füreinander interessiert und umeinander kümmert.

 

Ein Studientag für Priester zur pastoralen Entwicklung ist geplant. Welche Aufgabe kommt dann für den Priester hinzu?

Was diesen Studientag betrifft, stehen wir noch ganz am Anfang. Der Tag soll der Gruppe der Priester helfen, aus ihrer Perspektive heraus auf die bisherigen Schritte der pastoralen Entwicklung zu schauen. Es gilt hier auch zu überlegen: Wo befinden wir uns gerade? Es hat auch Konsequenzen für unser Priestersein, für unser Berufsbild. Es wurde schon einmal für die pastoralen Mitarbeiterinnen so ein Tag angeboten. Von daher ist diese Idee entstanden. Meiner Meinung nach braucht es immer wieder Zeit und Raum für die Priester, dass sie mit ihren Sorgen und Ängsten und Nöten gehört werden. So haben sie das Gefühl, eine Gemeinschaft zu erleben und zu spüren, dass sie nicht allein sind. So ein Tag kann dazu beitragen, dass man sich gegenseitig ermutigt und bestärkt.

Herzlichen Dank für das Gespräch.


Fragen: Stefan Groß

(SSC)

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