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Interview mit Dekan Alfred Wölfl

Die Kirche hat einen großen Mehrwert für die Gesellschaft

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Landshut, 30. Mai 2023

Mit dem Landshuter Dekan Alfred Wölfl sprachen wir über die Zukunft der Ehrenamtlichen, über die Jugendarbeit und welchen Mehrwert die katholische Kirche gegenüber dem Staat hat.

Herr Dekan Wölfl, können Sie uns einige Zahlen und Fakten zum Dekanat sagen? Wieviele Pfarreien gibt es derzeit?

Nach jetzigem Stand sind wir insgesamt 28 Pfarreien bzw. 28 Pfarreigemeinschaften, die in der Stadt ober im Landkreis Landshut angesiedelt sind. Alle Pfarreien auf der Regensburger Seite, die im Bereich des Bistums Regensburg liegen, gehören zum Dekanat Landshut. Nach der pastoralen Planung 2034 werden sich Veränderungen ergeben. In den Pfarreien des Landkreises gibt es eine starke Vereinstätigkeit, also viele kleine Orte, in denen sich kirchliches Leben abspielt. Im Bereich der Stadt Landshut haben wir große Pfarreien, die überwiegend von der Siedlungstätigkeit geprägt sind.

Wie gestaltet sich die Arbeit mit Ehrenamtlichen und welche Rolle spielen diese zukünftig in der Kirche?

Wir, die Hauptamtlichen, ob es die Pfarrer, die Diakone, die Gemeinde-, die Pastoralreferenten sind, versuchen die Ehrenamtlichen zu entdecken, zu fördern und zu coachen. Dabei versuchen wir, dass Leute aus den Pfarreien kleine, überschaubare Bereiche übernehmen und diese auch irgendwo eigenständig verwalten, natürlich immer mit der Rückkopplung an die Hauptamtlichen. St. Pius beispielsweise lebt stark von den Ehrenamtlichen, auch wenn der Pfarrer oder der Diakon vor Ort sind. Das pfarrliche Leben läuft auf der Ebene der Ehrenamtlichen. Es ist bewundernswert, wie die Ehrenamtlichen Verantwortung übernehmen. Es ist ja immer etwas anderes, ob man diese Tätigkeit von Beruf aus macht, oder eben in seiner Freizeit.

Wie funktioniert die Jugendarbeit und wie motiviert man junge Leute dazu, aktiv zu sein?

Der große Kescher wird in der Jugendarbeit meist ausgeworfen. Mit der Einschulung, mit dem Segen der Schulanfänger, ist ein kirchliches Andocken gegeben, manchmal auch schon vom Kindergarten her. Der nächste große Kescher ist die Erstkommunionsvorbereitung. Hier lernen die Kinder kirchliches Flair kennen. Und dann beginnt es mit den Erstkommunionkindern, die sich für den Ministrantendienst entscheiden oder mit den Erstkommunionkindern, die sich entscheiden, zu den Pfadfindern oder zum Kinderchor zu gehen. Damit ist eine pfarrliche Bindung der Kinder gegeben.

Sie haben viele Ministranten zwischen 9 bis 25 Jahren. Bringen sich diese auch im Ehrenamt mit ein?

In einer Gruppenleiterrunde haben mir die Ministranten gesagt: „Weiß denn eigentlich die Kirche, wie reich sie ist, weil sie uns hat?“ Und ich habe geantwortet: „Ja, wir wissen, wie reich wir sind, weil wir euch haben“. Die Ministranten sind bei uns bis ins junge Erwachsenenalter dabei. Sie sind Gruppenleiter. Wir haben jährlich ein Zeltlager, und wenn es die Großen nicht gäbe, dann würde es nicht funktionieren. Denn die Gruppenleiter müssen viel für das Zeltlager und für die Sternsingeraktion organisieren. Sie schenken beim Pfarrfest Getränke aus, müssen die Spielangebote für die Kinder beim Pfarrfest organisieren und auch den Christbaum entsorgen. Im pfarrlichen Leben sind sie mit ihren vielen Aufgaben vertraut, die sie in unterschiedlichen Bereichen übernommen haben, und damit für ein gelingendes kirchliches Leben unbedingt notwendig. Und für die Kinder ist es schön, wenn es große Jugendliche gibt. Wenn ein großer Ministrant mit 22 Jahren im Zeltlager zu dem Maxi mit neun Jahren sagt: „Du, ich brauch dich“, wächst ein Maxi über sich hinaus, dann läuft er im schnellsten Laufschritt hin.

Das Thema Neuevangelisierung ist eines, das Bischof Rudolf am Herzen liegt.

Wir haben das Glück, in den Pfarrgemeinderäten in Sachausschüssen zu arbeiten, einer unserer Sachausschüsse heißt „Glaube leben“. Wir haben ihn bewusst so genannt, damit es jeder verstehen kann. Er widmet sich dem Thema Neuevangelisierung, der Weitergabe des Glaubens. Hier überlegen wir uns immer permanent neue Angebote. Momentan haben wir die „Perlen des Glaubens“, monatliche Veranstaltungen, wo wir diese Perlen durchdenken, durchspielen und durchleben. Wir haben in der Fastenzeit Exerzitien im Alltag und über das Jahr hinweg Literaturkreise. Der Sachausschuss bietet geistliche Verkündigungsangebote an, um die Menschen im Glauben tiefer mitzunehmen. Aber auch in den anderen Sachausschüssen (z. B. Liturgie, Pfarrfamilie/Jugend, Schöpfungsverantwortung, soziale und caritative Aufgaben, Feste und Feiern, Ökumene, Öffentlichkeitsarbeit) kümmern wir uns darum, dass Glaube in seinen Grundzügen zum Leuchten kommt.

Welche Angebote machen Sie jungen und älteren Menschen vor Ort?

In einer Stadt ist es immer einfacher als auf dem Land. Wir haben in der Pfarrei offene Seniorentreffs. Der Diakon erstellt zusammen mit drei ehrenamtlichen Mitarbeitern das Programm. Am Land ist das schon wesentlich schwieriger. So haben wir in Zeiten von Corona immer versucht, die Senioren zu treffen oder einfach nur in der Kirche eine Andacht oder eine Meditation zu machen, oder mit dem Rad unterwegs zu sein, die Leute zu besuchen oder ihnen ein kleines Geschenk zu bringen. Auch die Kinder der ersten Klasse sind erleichtert nach der Pandemie: Ich höre oft: „Ich bin froh, dass Du jetzt wiederkommst.“ Für die Eltern war Corona eine Herausforderung. Wenn ein anderer als die Eltern den Bildungsauftrag übernimmt, wird dem einfach eine andere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Kinder jedenfalls haben sich gefreut, dass die Schule wieder begonnen hat – das hat es vor Corona nicht gegeben. Gerade junge und alte Menschen leben von der Kommunikation, dies können Online-Angebote nicht ersetzen.

Wie steht es in Ihrer Pfarrei mit der Arbeit mit den sozialen Medien?

Was unsere Pfarrei betrifft, steckt dieses Thema tatsächlich noch in den Kinderfüßen. Oft werden wir durch Datenschutzgrundverordnung ausgebremst, die einen unsicher werden lassen. Auf unserer Homepage versuchen wir aber, immer aktuell zu sein. Man braucht einfach ehrenamtliche Mitarbeiter, die das Einpflegen auf der Homepage übernehmen. Bei uns im Ehrenamt gibt es viele geschickte Leute, die dies können und wichtige und tolle Impulse liefern.

Der Kirchturm ist ja wirklich etwas Besonderes. Können Sie uns etwas zur Geschichte erzählen? Warum steht er so frei?

Die Kirche St. Pius wurde am 1. Januar 1963 gegründet und von der Pfarrei Nikola abgetrennt. Alle Regensburger Pfarreien in Landshut sind von Nikola abgetrennt, ob es jetzt Wolfgang, Konrad oder Pius sind, weil durch die Siedlungstätigkeit Nikola immer größer wurde. Die jüngste Abtrennung ist St. Pius. Als dann klar war, ob man eine neue Pfarrei gründet, war zunächst wichtig: Wer ist der Patron dieser Pfarrei? Nach der Heiligsprechung von Papst Pius X, die noch nicht lange zurücklag, war die Namensgebung klar. Dann wurde überlegt, wie die neue Kirche aussieht, die man baut. Man wollte irgendwo ein bisschen an die prägenden Kirchen in Landshut anknüpfen, also an Hallenkirchen mit Seiten- und Mittelschiff. Aber man wollte auch etwas ganz anders machen. Man wollte, angelehnt an Papst Pius X, der in Riese Pio in Oberitalien, im Umland von Venedig geboren wurde, dieses Italienische auch nach Bayern bringen. Und wie kann man das besser als durch einen Campanile? In Venedig, wo er Patriarch war, gibt es einen Campanile. Wir haben Städte von Papst Pius X. im Rahmen von Pfarrausflügen besucht und so viele Kirchen mit Turm wie es in Italien üblich ist gesehen. Das war sicher vom Architekten ein Hintergedanke für unseren Campanile. Unser Grundstück ist groß genug – und der Campanile wirkt, wenn er auf einer freien Wiese steht, umso mehr und entfaltet eine beeindruckende Wirkung. Er ist für uns sein prägendes Zeichen. Wir haben ihn im Logo der Pfarrei, weil der Turm wie ein markanter Zeigefinger oder wie ein Ausrufezeichen wirkt.

Was zeichnet die katholische Kirche im Vergleich zum Staat aus? Welchen Mehrwert generiert sie? Was würde nicht mehr funktionieren, wenn die Gelder durch die Kirchenaustritte immer weniger werden?

 Ich glaube schon, dass wir als Kirche (Amtsträger in der Gemeinschaft der Glauben) einen Mehrwert in die Gesellschaft einbringen, sei es durch das Netzwerk, das Kirche schaffen kann, sei es durch das soziale Engagement, das Kirche hauptamtlich und ehrenamtlich leistet, sei es durch die Gewinnung der Menschen für ein Ehrenamt, sei es durch die Botschaft Jesu Christi, mit der wir auf ein ideelles und unschätzbares Gut aufmerksam machen und die wir werbend anbieten müssen. Denn das Leben kann damit reicher werden. Natürlich kostet das neben dem hohen ehrenamtlichen Einsatz auch Geld, ohne Geld können wir uns nicht als Pfarrgemeinde organisieren und ohne Geld können wir auch nicht unsere Kirchen und Pfarrheime, Orte des Gebetes und Orte der Gemeinschaft, erhalten. Und jeder Kirchenaustritt tut unserer Gemeinschaft in der Pfarrei weh – und damit bekommen wir auch weniger Geld in den Schlüsselzuweisungen der Diözese.

In Landshut gibt es das Projekt „Lebkuchenkarte“. Was hat man darunter zu verstehen, worum geht es?

Wir haben heuer kurz vor Weihnachten allen Menschen, die in den Jahren 2020 und 2021 aus der Kirche ausgetreten sind, eine Lebkuchenkarte geschickt. Damit haben wir frohe und besinnliche Weihnachten gewünscht und deutlich gemacht, dass uns diese Menschen in unserer Pfarrgemeinde fehlen. Wir wollten einfach nach einem zeitlichen Abstand des Kirchenaustritts ein Zeichen setzen.
 

Fragen und Foto: Stefan Groß



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