Die Zahl der Kirchenaustritte steigt seit Jahren. Was bedeutet das für die Kirche? Und was bedeutet das für die Caritas, die Teil dieser Kirche ist?
Michael Weißmann: Das nehme ich durchaus als bedrohlich wahr, denn als Caritas bieten wir viele Dienste und Hilfen an, die aus Kirchensteuermitteln finanziert sind. Da geht es ganz konkret um die Beratungsdienste, die wir haben: angefangen bei der Suchtberatung über die Allgemeine Sozialberatung und die Migrationsberatung bis hin zur Schwangerenberatung. Solche Dienste werden zu mindestens 90 Prozent aus Kirchensteuermitteln finanziert. Und ich kann nur sagen: Diese Dienste sind ausgebucht. Wir könnten im Grunde das Angebot verdoppeln und wären immer noch ausgebucht. Da werden wir wahrgenommen.
Ich habe manchmal die Befürchtung, dass viele Menschen den Zusammenhang zwischen Caritas und Kirche gar nicht mehr herstellen. Caritas ist bekannt als Wohlfahrtsverband. Aber es ist vielen nicht mehr bewusst, dass wir Kirche sind. Mein Engagement zielt darauf ab, diesen Zusammenhang wiederherzustellen und dass Menschen erleben: Es gibt einfach so viel Gutes, ohne das wir wirklich ärmer werden würden. Der Staat könnte das gar nicht alles übernehmen. Er hat weder die Strukturen noch die Erfahrungen dafür. Das sind Dinge, die seit Jahrzehnten bei der Caritas im Bistum Regensburg, aber auch bei der Caritas in Deutschland und weltweit angesiedelt sind. Strukturen und Netzwerke haben sich entwickelt, die nicht wegzudenken sind. Das ist die eine Seite.