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Indien: Gewalttätige Kampagne gegen Christen

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Katholische Kirchenführer in Indien haben angesichts einer angekündigten „Antikonversionskampagne“ hindu-nationalistischer Kreise die Regierung des Landes aufgefordert, Christen und andere religiöse Minderheiten vor Übergriffen zu schützen.
Die „Nationale Freiwilligenorganisation“ (RSS) und ihre Unterorganisation, der „Welt-Hindu-Rat“ (VHP), zwei der wichtigsten Netzwerke hindu-nationalistischer Kräfte, hatten angekündigt, verstärkt gegen christliche Missionstätigkeit und Konversionen zum christlichen Glauben vorgehen zu wollen. Der RSS gilt als treibende ideologische Kraft hinter der regierenden Indischen Volkspartei BJP, die seit 2014 mit Narendra Modi den Premierminister des Landes stellt, das als größte Demokratie der Welt gilt.

 

Untergraben Christen die traditionelle hinduistische Gesellschaft?

„Das ist weder eine neue noch eine plötzliche Kampagne. Der RSS hat sie in den fast hundert Jahren seines Bestehens immer auf der Agenda gehabt“, erklärte John Dayal, Sprecher der „All India Catholic Union“, dem weltweiten päpstlichen Hilfswerk „Kirche in Not“. Vor allem dem VHP sei es gelungen, weite Teile der traditionellen Stammesgebiete Zentralindiens aufzuwiegeln. Der Vorwurf: Christen würden im Geheimen und durch Manipulation Stammesangehörige bekehren. Das vermeintliche Ziel: Die Auflösung der traditionellen hinduistischen Gesellschaft. Dabei entbehrten die Vorwürfe jeder Grundlage, wie schon ein Blick auf die Statistik zeige, sagte Dayal: „1950 betrug der Anteil der Christen an der indischen Bevölkerung drei Prozent, 1971 lag er bei 2,6 Prozent und bei der Volkszählung 2011 waren es 2,3 Prozent.“
Stattdessen stecke hinter der jüngsten Kampagne eine politische Agenda, vermutet Arun Pannalal vom „Chhattisgarh Christian Forum“, das sich für bedrängte Christen im zentralindischen Bundesstaat Chhattisgarh einsetzt. Die hindu-nationalistische Partei BJP habe bei den Wahlen 2019 die Kontrolle über diesen und den benachbarten Bundesstaat Jharkhand verloren. „Darum ist die Kampagne schon im Gange“, meint Pannalal im Gespräch mit „Kirche in Not“. „Sie versuchen, die Emotionen hindu-nationalistischer Kräfte anzustacheln.“ Vorwürfe von aggressiver Missionstätigkeit und Konversionen seien ein einfaches Mittel dazu.

 

„Wenn Hass überkocht, erfolgt der Angriff“

„Es ist eine gut geölte Maschinerie am Werk. Tage vor einer Attacke auf Christen sind erstmals Zeitungsartikel gegen Konversionen erschienen“, erzählt Pannalal. „Es folgten Fernsehdebatten, zu denen keine Christen eingeladen waren, um etwas zu ihrer Verteidigung zu sagen. Auch die sozialen Medien werden eifrig genutzt, es gibt Kundgebungen gegen Konversionen. Wenn die Atmosphäre des Hasses überkocht, erfolgt der Angriff.“
Auf Dorfversammlungen werde regelmäßig gegen Christen gehetzt, so Pannalal. Daran nähmen oft 2000 bis 5000 Stammesangehörige teil. So sei es bereits vorgekommen, dass Christen aus Dörfern im Bundesstaat Chhattisgarh vertrieben wurden. Auch sei von einem christlichen Versammlungsraum das Kreuz entfernt und an der Stelle ein hinduistischer Tempel errichtet worden. „Die Zahl der Gräueltaten gegen Christen nimmt alarmierend zu“, so Pannalal.
Ähnliches weiß auch Erzbischof Victor Henry Thakur aus Raipur, der Hauptstadt des Bundesstaats Chhattisgarh, zu berichten: „Früher gab es sporadische Angriffe, jetzt sind sie regelmäßig und koordiniert. Die Behörden müssen Rechtsstaatlichkeit durchsetzen und gewährleisten, dass die Täter nicht davonkommen.“

 

„Konversion ist Schreckgespenst in den Händen von Nationalisten“

Ein Geistlicher aus dem benachbarten Bundessstaat Jharkhand, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben will, äußerte gegenüber „Kirche in Not“, dass die Konversion zum Christentum ein „Schreckgespenst in den Händen von Hindu-Nationalisten ist.“ Dabei seien viele Stämme animistisch geprägt – eine noch ältere religiöse und kulturelle Strömung als der Hinduismus. „Die Nationalisten versuchen, die Stammesangehörigen für ihre Zwecke einzuspannen. Sie drücken ihnen den Stempel ,Hindu’ auf und versuchen sie gegen Christen aufzubringen“, erklärte der Priester. Die Kirche habe keine Möglichkeit, mit „den Verbrechern fertigzuwerden. Der Staatsapparat, von der Polizei bis zur Justiz, muss wirksam eingreifen, um die Christen zu schützen.“
Dem Bericht „Verfolgt und vergessen?“ von „Kirche in Not“ zufolge waren zwischen 2017 und März 2019 mindestens 1000 Übergriffe auf Christen in Indien zu verzeichnen. Die Dunkelziffer dürfte jedoch höher liegen. 2018 wurden über 100 Kirchen geschlossen, Berichten zufolge als Reaktion auf extremistische Anschläge oder Interventionen von Behörden. Militante Gruppen haben ihre feindseligen Aktionen – einschließlich Gewalttaten – gegen Christen intensiviert. Sie werden häufig von Meldungen angestachelt, dass der hinduistische Bevölkerungsanteil unter 80 Prozent gefallen sei. In zahlreichen Bundesstaaten gelten strikte Antikonversionsgesetze, wonach jeder Religionswechsel bei den Behörden angegeben und genehmigt werden muss.



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