Im Gespräch: Christina Schnödt, Leiterin der Regensburger Diözesanstelle des Michaelsbundes
650.000 Besuche in 134 Büchereien
Regensburg, 3. Mai 2024
„Unsere Büchereien sind DIE örtlichen Kulturzentren mit einem sehr breiten Medienangebot. Darüber hinaus bilden sie als lebendige und moderne Treffpunkte Brücken zwischen allen Gesellschaftsschichten“, betont Christina Schnödt, Leiterin der Regensburger Diözesanstelle des Michaelsbundes.
Mehr als 130 pfarrliche Büchereien gibt es im Bistum Regensburg. Hier findet aktives Gemeindeleben statt, mit einer niederschwelligen Kontaktmöglichkeit zur Kirche für Alle - auch für Fernstehende, Suchende und Neugierige. Über 1.400 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Büchereien sorgen für einen aktuellen Medienbestand, beraten bei der Buchauswahl und veranstalten Vorlese- und Bastelstunden, Autorenlesungen und Bücherflohmärkte.
Wir haben uns mit Christina Schnödt über die Angebote der pfarrlichen Büchereien, die gesellschaftlichen Herausforderungen und den Mehrwert dieser Einrichtungen unterhalten. Darüber hinaus hat sie für uns einen persönlichen Buchtipp.
Frau Schnödt, was sind die Herausforderungen für Ihre Arbeit als Leiterin der Regensburger Diözesanstelle des Michaelsbundes.
Einerseits werden in unseren Büchereien die Aufgaben und Anforderungen im Büchereialltag komplexer und die Verantwortung der Büchereiteams größer. Andererseits macht auch der gesamtgesellschaftliche Trend vor unseren Büchereien nicht Halt. Es ist zu beobachten, dass zwar die Zahl der Ehrenamtlichen steigt, aber die wöchentlich aufgewendete Zeit für ehrenamtliche Tätigkeiten neben Arbeit und Familie sinkt.
Gemeinsam mit meinem Team versuche ich daher die ehrenamtlich Tätigen in allen Beratungslagen so gut es geht zu begleiten und zu unterstützen. Dazu zählen z. B. Tätigkeiten wie die Aktualisierung der Medienbestände, Erneuerung der Ausstattung, Organisation von Schulungen, Fortbildung und Seminaren, die Gespräche mit den Trägern (Pfarrern und Bürgermeistern) und dem Team vor Ort. Um vor allem kleineren Büchereien ein aktuelles Angebot zu ermöglichen, bieten wir zur Bestandsergänzung den Service einer Austauschbücherei an.
Essentiell ist für das Büchereiwesen in der Diözese auch die Schaffung struktureller Rahmenbedingen: Seit Jahrhunderten hat sich die Kirche die Vermittlung der Schriftkultur zur Aufgabe gemacht. Wenn uns der kirchliche Bildungsauftrag und das Engagement der Ehrenamtlichen weiterhin wichtig ist, gilt es folgende Punkte gemeinsam mit Kirche und Gemeinden anzugehen: solide Arbeitsgrundlagen für das Büchereipersonal zu erhalten und zu schaffen, ausreichend Budget für Medien, Veranstaltungen und vor allem Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.
Wir leben in einer zunehmend digitalisierten Welt. Junge Menschen nutzen kurzweilige Impulse wie Videos, „reals“ und Podcasts. Hat das Buch für Jugendliche und junge Erwachsene ausgedient?
Ein ganz klares Nein. Schaut man sich aktuelle Statistiken, den „Manga“-Hype an, so ist festzustellen, dass das Buch keineswegs ausgedient hat. Die JIM-Studie, die erstmals 1998 das Mediennutzungsverhalten von Jugendlichen analysierte, kam 2023 zum Ergebnis, dass sich der Stellenwert des Lesens in den vergangenen 25 Jahren kaum verändert hat. Neu hinzugekommen ist allerdings die digitale weltweite Vernetzung. Das „Social Reading“ ermöglicht einen leichteren Austausch in den Sozialen Medien über das eigene Leseerlebnis hinaus. Dadurch werden auch Buchtrends gesetzt. So lassen sich z. B. unter dem „#Booktok“ oder „#Bookaholic“ auf der derzeit unter Jugendlichen beliebtesten Plattform TikTok Beiträge mit Klicks im Milliardenbereich finden. Besonders populär sind dabei Beiträge zu Fantasyromanen.
Welchen Mehrwert besitzen die diözesanen Einrichtungen? Gibt es dort „nur“ Bücher?
Neben der Literatur wie z. B. Fantasyromane, Krimis und Sachbücher bieten unsere Büchereien eine breite Medienvielfalt an: Zum beliebten Angebot der Büchereien zählen Hörbücher, Tonies, Zeitschriften, Spiele, Konsolenspiele und auch die Ausleihe von ebooks!
Unsere Büchereien sind Begegnungsorte und offen für alle! Der Mensch steht bei unseren Büchereien im Mittelpunkt. Als dritter Ort zwischen Arbeit und zu Hause sind sie meist der zentrale Treffpunkt in der Gemeinde. Neben der reinen Ausleihe organisieren die Büchereiteams viele verschiedene Veranstaltungen und Aktionen – von KiTa- und Schulklassenbesuche, Firmpraktika, Ausstellungen, Lesungen bis hinüber zu mobilen Bücherdiensten für Caritas, Mehrgenerationenhäuser usw.
2023 verzeichneten wir sage und schreibe 650.000! Besuche in unseren 134 Büchereien in der Diözese. Tendenz steigend. Die Zahlen zeigen: Die Büchereien sind ein großer Mehrwert für das kirchliche Gemeindeleben vor Ort und machen Kirche und den Glauben niederschwellig erlebbar. Sie sind als pastorale Orte in der Gemeinde einfach unverzichtbar!
Als Leiterin der Diözesanstelle des Michaelsbundes sind Sie Profi, was die Herausgabe neuer Bücher betrifft. Haben Sie einen Tipp für unsere Besucher – was sollte man aktuell unbedingt gelesen haben?
Ganz oben auf meinem Buchstapel liegen neben verschiedenen Sachbüchern seit der Vorstellung durch die Buchberaterinnen des Sankt Michaelsbundes „Yellowface“ von Rebecca Kuang. Der Roman beschäftigt sich mit aktuell relevanten gesellschaftlichen Diskursen, u.a. mit moralisch-ethischen Fragen im Literaturbereich, um die differenzierte Betrachtung rassistischer Strukturen und Debatten in den Sozialen Medien.
Zusatzinfo
Die Diözesanstelle Regensburg engagiert sich in enger Kooperation mit der Landesfachstelle des Sankt Michaelsbundes in München für den Auf- und Ausbau des Katholischen öffentlichen Büchereiwesens im Bistum Regensburg. Sie betreut und berät die Träger und Mitarbeitenden von 134 Büchereien. Davon sind 49 in rein kirchlicher und 85 in kirchlich-kommunaler Trägerschaft. Weitere Informationen zur Diözesanstelle Regensburg – Michaelsbund findet man HIER.
Text und Foto: Jakob Schötz
(jas)
Christina Schnödt leitet die Regensburger Diözesanstelle des Michaelbundes.