Regensburg, 5. Januar 2024
Umwälzungen im Arbeitsleben, Veränderungen im Leben mit Kindern, Hinterfragen von Geschlechterrollen: In einer Zeit tiefgreifender Umbrüche fragen Frauen heute verstärkt nach neuen Lebensperspektiven. Hier verortet sich die Frauenseelsorge. Im Sommer haben wir mit Elisabeth Rembeck gesprochen, der Leiterin der Fachstelle für Frauenseelsorge im Bistum Regensburg.
Frau Rembeck, der Begriff Seelsorge ist ein wunderschöner: In ihm stecken die Worte Seele und Sorge. Warum ist Seelsorge für Frauen wichtig? Anders gefragt, vor welchen Herausforderungen stehen Frauen heute?
Frauen haben breitgefächerte Aufgaben in Familie und Gesellschaft. Aktuelle Studien belegen, dass Frauen die Hauptlast der Care-Arbeit tragen, Stichwort mental load (siehe Infobox rechts). Frauen brauchen Angebote, um aussteigen zu können, und sei es auch nur für einen Tag oder für ein Wochenende. Und: Jeder Mensch hat ein individuelles Bedürfnis, seine Spiritualität zu leben und auszudrücken und es gibt zweifelsohne einen Unterschied zwischen Frauen und Männern in der Art, wie sie das tun.
Wie unterscheidet sich die weibliche Spiritualität von der der Männer?
Meine Beobachtung ist, dass Männer und Frauen verschiedene Ausdrucksformen suchen. Man weiß aus der seelsorglichen Arbeit in den Gemeinden, dass Männer tendentiell lieber draußen unterwegs sind, etwas tun wollen. Auch wenn es klischeehaft klingt: Frauen tauschen sich gerne aus, haben das Bedürfnis, sich anderen Frauen mitzuteilen. Frauen öffnen sich gegenüber einer anderen Frau auch anders. Genauso wichtig ist die Erfahrung, dass es Anderen genauso geht. Viele Frauen mögen meditatives Tanzen, verbringen gerne ein Wochenende mit anderen Frauen, unternehmen Reisen oder Tagesfahrten. Nach außen hin tun sie nicht viel im Sinne von Aktionismus, aber sie nehmen sich die Zeit, um über sich nachzudenken und um die Verbundenheit miteinander zu spüren. Oft erhalte ich am Ende eines Seminars die Rückmeldung: „Es war eine sooooo schöne Gemeinschaft!“
Seelsorge: Menschen mit seiner ganzen Lebensgeschichte ernst nehmen
Da passt es sicher gut, dass Sie ausgebildet sind in Biographiearbeit, liturgischem und christlichem Tanz und Meditation…
Auf alle Fälle. Biografiearbeit fügt sich wunderbar ein in meine Arbeit, weil sie Ressourcen orientiert arbeitet. Sie schaut darauf, was eine Person mitbringt. Sie hilft, deren positiven Erfahrungen zu heben und zu nutzen für das Hier und Jetzt und für die Dinge, die noch kommen mögen. Sie fragt: „Was hat mich gestärkt, was hat mich unterstützt?“ Seelsorgliche Arbeit heißt für mich, den Menschen mit seiner ganzen Lebensgeschichte ernst zu nehmen. Frauenseelsorge ist aber nicht nur Begleitung in schwierigen Zeiten. Sie ist dazu da, Frauen zu empowern, zu bestärken. Frauenseelsorge kann Räume öffnen, die eigenen Erfahrungen zu reflektieren, Impulse für den Alltag mitzunehmen und einfach mal was Anderes auszuprobieren.
Im Programm bieten Sie verschiedenste Bildungs- und spirituelle Angebote. Unter anderem möchten Sie „den Schatz der christlichen Frauentradition heben“ – Was bedeutet das?
Ein Beispiel: Die Frauenseelsorge der bayerischen Bistümer hat eine Onlinereihe auf die Beine gestellt namens „7 Frauen – 7 Botschaften - 7 Bistümer“. Hier werden Frauen aus der Geschichte ans Licht geholt, ihr Lebenswerk gewürdigt und geschaut, was an ihnen für uns relevant ist, was eine Botschaft sein kann. In Regensburg ist es etwa eine Apollonia Diepenbrock. Sie sagt vielen nichts, ist aber eigentlich die Begründerin der Krankenpflege, die Stammmutter der Caritas-Pflegestationen. Eine Frau, die in der Obermünsterstraße ihr Josephshäuschen, ihr Pflegehaus für in Not geratene Frauen hatte. Im Herbst wird es dann weitergehen mit der Heiligen Afra, mit Christine Ebner, mit Antonia Werr. Ein größeres Projekt für nächstes Jahr: Eine Frauen-Pilgerreise, bei der wir uns auf die Spuren der heiligen Hildegard von Bingen begeben. Bei all dem geht es nicht darum, nur Frauengeschichten zu erzählen. Vielmehr darum, ein Stück Geschichte oder Kirchengeschichte zwar nicht neu zu schreiben, aber doch zu ergänzen und zu vervollständigen mit Frauen, die Gewichtiges zu sagen hatten in Kirche und Gesellschaft und die für uns heute auch noch Schätze heben können.
Biblische Tradition nimmt beide Geschlechter ernst
Wie müssen Angebote aussehen, die Frauen an der Schwelle von Kirche ansprechen?
Wichtig ist, wie Frauen angesprochen werden im wörtlichen Sinne, also Stichwort geschlechtssensible Sprache. Außerdem die Frage, wo sie als Frau einen Platz in der Kirche finden, Stichwort Geschlechtergerechtigkeit. Ich bin sicher, dass gerade Frauen, die sich von der Kirche entfernt haben, das eine oder andere Aha-Erlebnis haben können, wenn sie mit christlicher Frauentradition in Berührung kommen. Oder wenn sie von unserer biblischen Tradition hören, die beide Geschlechter ernst nimmt, sogar mehr, wie es heute teilweise gesellschaftlich passiert.
Neu im Programm: Spirituelle Auszeit für schwangere Frauen
Muss ich katholisch sein, um zu ihnen zu kommen?
Nein. Unsere Angebote, sowohl das Gesprächsangebot wie auch die Seminarangebote, sind offen für alle Frauen, katholisch oder nicht, single, in Beziehung oder Familienfrau, jung oder alt.
In Kürze erscheint das Winterhalbjahresprogramm. Können Sie weitere Highlights verraten?
Eine sehr interessante Veranstaltung wird sein „Meiner eigenen Lebendigkeit auf der Spur“, ein Seminar mit einer Kommunikationstherapeutin und Schauspielerin. Frauen können dort Dinge ausprobieren, die sie noch nie ausprobiert haben, auch schauspielerische Elemente. Das kann ein großer Gewinn sein, einen Raum zu haben, wo Frauen unter sich Dinge ausprobieren und der eigenen Lebendigkeit wieder auf die Spur kommen können. Sehr beliebt sind unsere Pilgerinnentage, bei denen wir ein Stück der Via Nova, des länderübergreifenden Pilgerwegs, gehen. Neu im Programm ist ein Angebot für junge schwangere Frauen, um in der Schwangerschaft eine kleine spirituelle Auszeit zu erleben. Dieses Angebot nennt sich „Bauchzeit – Ein stärkender Nachmittag für mich“.
Wo wird das Programm zu haben sein?
Das Programm ist gerade in Druck und wird noch vor der Sommerpause verschickt und an die Pfarreien verteilt. Außerdem findet man es auf der Webseite der Frauenseelsorge.
Interview und Foto: Silke Schötz (SSC)
(SSC)