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Zur Neuigkeit
Regensburg, 8. November 2024.
Ein Bettler ist es, der den heiligen Martin um Schutz vor der Kälte bittet. Diese Darstellung aus der Normandie weist eine Besonderheit auf, weiter unten soll sie zur Sprache kommen. Die Skulptur weist indessen auch auf ein Regensburger Ereignis hin. Am Freitag, 8. November 2024 begann mit der Abenddämmerung gegen 17 Uhr auf dem Haidplatz ein großer Martinsumzug mit Laternen, Chorgesang und einem St. Martin zu Pferde. Aber was haben der Regensburger Martinsumzug des Jahres 2024 und der heilige Martin zu Pferd, der einst seinen Mantel mit einem Bettler teilte, gemeinsam?
Wandskulptur des Heiligen Martin, seinen Mantel mit dem Bettler teilend, Veules-les-Roses (Frankreich), etwa 16. - 17. Jahrhundert, mit der Besonderheit, dass der Bettler mit einem Holzbein, mutmaßlich also dem Grund seiner bitteren Armut, dargestellt ist.
Zunächst zum 8. November 2024: Der Verein Faszination Altstadt e.V. in Regensburg war Veranstalter des großen Martinsumzuges, alle Interessierten und Neugierigen und vor allem alle Gläubigen waren herzlich eingeladen. Viele Kinder brachten Laternen mit. Die Teilnahme, so hatte es der Verein bereits im Vorfeld mitgeteilt, war absolut kostenlos. Ein Heiliger Martin zu Pferde ritt den kleinen und großen Kindern mit ihren Laternen zunächst voraus. Eine schauspielerische Darstellung des Geschehens, das uns als Legendenerzählung überliefert ist, bildete den Höhepunkt der Veranstaltung.
Die Legende von heiligen Martin hat indessen einen heute unverändert aktuellen erzählerischen Kern, der speziell durch die Martinsumzüge von Generation zu Generation durch das christliche Europa getragen wird. Die römischen Soldaten waren in der Spätantike nördlich der Alpen und natürlich auch in den sieben Provinzen Galliens, zusammen in etwa mit dem heutigen Frankreich vergleichbar, als Besatzungssoldaten stationiert. Im 4. Jahrhundert nach Christus änderte sich das Bild dieser Soldaten bemerkenswert. Da wurden aus dem heidnischen Militärs vielerorts Künder des christlichen Glaubens, denn Rom war christlich geworden. Früher noch als die Mönche waren es die Soldaten und ihre Ehefrauen, die den Glauben an den dreiinigen Gott überall dort verbreiteten, wo Rom herrschte.
Martin von Tours war ein solcher Soldat. Er wurde dann, nach Bekehrung und einigen Jahren als Einsiedler, im Jahre 370 oder kurz darauf Bischof im westfränkischen Tours; die Stadt war nach den Turonen, einem gallischen Volk, benannt worden. Die Legende, dass der römische Offizier Martin mit einem Bettler den Mantel teilt, ist eine sogenannte „Meistererzählung“, die anschaulich macht, wie aus Besatzern plötzlich die Träger einer sozialen Idee der Nächstenliebe wurden. Was Saulus zum Paulus machte, verwandelte auch den Offizier Martin in den Bischeof von Tours, er war der dritte Bischof, den das damals noch junge Bistum hatte. Sowohl das Prinzip des christlichen, sozialen Miteinanders in der Gesellschaft als auch den Ursprung der europäischen Idee aus dem christlichen Geist des alten Rom sind es, die auch am 8. November 2024 auf dem Regensburger Haidplatz Grundlage eines Schauspiels sind, zu dem alle beitragen können, bei dem Kinder und Erwachsene zum Mitmachen aufgefordert sind.
Und ganz besonders deutlich wird das soziale Element in der St.-Martins-Darstelliung in der Martinskirche des Küstenstädtchens Veules-les Roses in der Haut-Normandie. Dort hat der Bettler ein Holzbein. und eine körperliche Beeinträchtigung führte in früheren Zeiten fasrt immer zu bitterer Armut, weil die allermeisten Menschen sich ihren Lebensunterhalt mit harter körperlicher Arbeit verdienten – verdienen mussten. Ein amputiertes Bein bedeutete also, dass man in materielle Not stürzte, also kein Geld hatte, um sich zu kleiden. In ihrer Deutlichkeit, in der Betonung der sozialen Komponente also, ist die Martins-Darstellung von Veules-les-Roses besonders schön und besonders deutlich.
Ein wichtiges Detail ist schließlich die Hand des Bettlers. Zwei Finger und der Daumen sind gestreckt, dies ist die Geste des Segens. So erschließt sich, dass der unbekannte Bildhauer etwas ausdrücken wollte: Im dem Bettler, mit dem der Heilige seinen Mantel teilt, ist Jesus Christus selbst präsent, und er segnet den römischen Offizier. Und weist nicht der bärtige Kopf des Bettlers, betrachtet man ihn eingehender, alle Elemente auf, die die weitverbreiteten Christusdarstellungen in der abendländischen Kunst ab der Spätantike auszeichnen?
Text. Sebastian Sigler