News Bild „Gelebte Volksfrömmigkeit – religiöses Kulturgut aus 200 Jahren“
„Gelebte Volksfrömmigkeit – religiöses Kulturgut aus 200 Jahren“

Sonderausstellung in Waldsassen

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Waldsassen, 29. November 2023

Noch bis 7. Januar 2024 läuft im Stiftlandmuseum in Waldsassen im Landkreis Tirschenreuth eine Sonderausstellung, in der kostbare Klosterarbeiten von Waldsassener Bürgerinnen sowie Andachtsgegenstände echter Volksfrömmigkeit zu sehen sind.

Im einstigen Rathaus von Waldsassen, dem jetzigen Stiftlandmuseum mit über 50 Abteilungen, finden regelmäßig Sonderausstellungen statt. Für dieses Jahr haben sich Museumleiter Hans Zölch und Pfarrer Klaus Haußmann aus Ammerthal eine besondere Kombination überlegt. „Wir haben den Frater Eder nachgemacht, ihn angekleidet und in den Ausstellungsraum gesetzt“, so Zölch zum Ursprung, „nach Gesprächen mit Pfarrer Haußmann haben wir uns dazu entschieden, mit Frater Eder moderne Klosterarbeiten und eine Sammlung von religiösem Kulturgut zu kombinieren“. Geboren war eine Sonderausstellung, die kostbare Klosterarbeiten ab dem 20. Jahrhundert, die den alten Klosterarbeiten nachgeahmt und von drei Waldsassener Bürgerinnen angefertigt wurden, sowie traditionelle Andachtsgegenstände aus der privaten Sammlung von Pfarrer Haußmann zeigt.


Volksmedizin: „Das Breverl hat früher jeder Katholik getragen“

„Volksfrömmigkeit ist hier die private Frömmigkeit, die die Leute daheim gelebt haben“, erklärte Haußmann, der sich seit über 30 Jahren mit der katholischen Volksfrömmigkeit im privaten Bereich beschäftigt, „was die Leute damals mochten ist nicht das, was es in der Kirche gab“. Im Ausstellungsraum findet sich eine Ecke, die wie eine Bauernstube eingerichtet ist, mit Herrgottswinkel, einem Kreuz, einem Herz-Jesu-Bild, einem Herz-Mariä-Bild und einem Weihwasserkesselchen. In verschiedenen Truhen und Schaukästen verbergen sich zahlreiche Reliquien, wie beispielsweise das Breverl. „Das ist ein kleines Kisschen mit verschiedenen religiösen Symbolen, das man nicht öffnen durfte“, beschrieb Haußmann, „jeder Katholik hat das unter seinem Hemd am Körper getragen“. Eingenäht in diesem Kissen sind ein Segenszettel, kleinste Medaillen sowie beispielsweise eine Schabmuttergottes. „Weil es damals keine Medizin gab, hat man das geweihte Breverl als Schutz getragen“, weiß der Pfarrer. Auch die Schabmuttergottes selbst habe als Volksmedizin gegolten, den mit einem Messer abgeschabten Staub habe man dem Essen oder Futter beigemischt und an seine heilende Wirkung geglaubt. Im 19. Jahrhundert, in der Zeit der Aufklärung, seien diese Schutzsymbole als „Aberglaube“ bezeichnet worden und immer mehr verschwunden.


Industrie löst echte Volkskunst ab

Zu sehen gibt es bei der Sonderausstellung auch echte Volkskunst. Figuren aus dem 16. bis 19. Jahrhundert, die von begabten Bauern geschnitzt wurden. „Diese Figuren waren einfach geschnitzt, nicht perfekt, aber handgemacht“, schwärmt der leidenschaftliche Sammler, „wir haben hier den Heiligen Rochus, der wohl aus dem 17. Jahrhundert aus einer niederbayerischen Apotheke stammt“. Auch das Gnadenbild von Tirschenreuth sowie Krippenfiguren aus dem 18. Jahrhundert sind ausgestellt. „All diese Dinge wurden für die christkatholische Andacht zu Hause geschaffen“, erwähnte Haußmann. Doch allmählich seien diese volkstümlichen Stücke „aus der Mode gekommen“, so der Pfarrer, „die Industrie und die Massenproduktion der heiligen Figuren aus Porzellan oder Glas lösten die echte Volkskunst ab“.


Geduldsflaschen, Nonnenspiegel und Lourdesgrotte

In einer großen Vitrine liegen Weihwasserkesselchen aus Steingut, Keramik, Glas oder Porzellan. „Vor dem Zweiten Weltkrieg waren sie auch aus Plastik gefertigt“, ergänzte Haußmann, „außerdem gehörten sie nicht schon immer zum katholischen Haus, im Mittelalter beispielsweise gab es das Taufwasser nur in der Kirche“. Erst ab dem 18. Jahrhundert seien die Weihwasserkesselchen langsam in die heimische Stube gekommen, genau wie das Kreuz.

Alltagsgegenstände wie Backformen mit christlichen Symbolen, Wallfahrts- oder Papstandenken, Kreuze aus Olivenholz mit Perlmutt verziert und Hausaltäre gibt es zu sehen. „In einer Vitrine haben wir Eingerichte ausgestellt“, zeigte Pfarrer, „das sind filigrane Kunstwerke in einer Glasflasche aus dem Jahr 1885, sie werden auch Geduldsflaschen genannt, weil man sehr viel Geduld brauchte, um die Dinge in den Flaschen aufzubauen“. Auch Nonnenspiegel, Spiegel mit christlichen Bildern, gibt es bei der Sonderausstellung zu sehen. Ganz besonders stolz ist Pfarrer Haußmann auf die aus seiner Sammlung stammende Lourdesgrotte aus Holz für den heimischen Gebrauch, die er auf einem Schwandorfer Flohmarkt erstanden hat und wohl von Anfang des 20. Jahrhunderts stammt. „Auf ihr sind die Kreuzwegstationen angebracht, so etwas habe ich noch nie gesehen“, schwärmte der Sammler. Darüber hinaus gibt es Wachsstöckel, kleine Kerzchen mit einer kreuzweis gelegten Wachsschnur, die Licht auf dem Weg zur Kirche spendeten sowie Kreuzesnägel, die wohl kostbarsten Reliquien überhaupt.


Neben dem religiösen Kulturgut aus 200 Jahren finden sich in der Sonderausstellung neue Ausführungen von Klosterarbeiten von drei Waldsassener Bürgerinnen, die an die alten Klosterarbeiten angelehnt sind. Bei einer Führung von Pfarrer Klaus Haußmann durch die Sonderausstellung im Stiftlandmuseum in Waldsassen am 10. Dezember 2023 und 6. Januar 2024 jeweils um 14.30 Uhr erhalten die Gäste Wissenswertes über die verschiedenen Reliquien.

Text und Fotos: Corinna Hagn
(jas)



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