Gegen nationalistische Wahnideen, für europäische Modellregionen – Bischof Voderholzer beim Europatag im Kloster Andechs
Am vergangenen Wochenende hat der 43. Europatag der Paneuropa-Union im oberbayerischen Kloster Andechs stattgefunden. Mitveranstalter war die Sudetendeutsche Landsmannschaft. Der Christliche Europatag gipfelte im Festgottesdienst in der Wallfahrtskirche, dem Bischof Dr. Rudolf Voderholzer und Bischof László Német von Zrenjanin/Großbetschkerek im serbischen Banat vorstanden.
In seiner Predigt betonte Bischof Voderholzer anhand der Griechen, die über die Jünger Jesu mit griechischen Namen – Angehörige ihrer Volksgruppe – Kontakt zu Jesus suchen, die Bedeutung des Zusammentreffens der jüdisch-christlichen Offenbarung und des griechischen Geistes für die christliche Prägung Europas. Gemäß der Tradition dieses griechischen Geistes werden „auf dem Marktplatz, also öffentlich die großen Fragen des Menschseins, des Sinns und des Woraufhin des Ganzen diskutiert und verhandelt“. Jene, die „sich jetzt Sorgen um das Abendland machen“, erklärte Bischof Voderholzer, sollten sich nicht vor dem Islam fürchten, sondern vor der Schwäche und der Lauheit der Christenheit. „Setzen wir lieber alle Kräfte ein für die Christianisierung, die Neuevangelisierung Europas! Bitten wir den Herrn, dass er uns Glaubenskraft, Glaubensfreude und Glaubenszuversicht schenkt. Mit seinem Menschenbild, als Mann und Frau wie in der Heiligen Schrift, und der großen Idee der unzerstörbaren Würde der menschlichen Person ist das Christentum die zukunftsfähige Religion schlechthin.“ Der Regensburger Bischof rief dazu auf, „in Christus Zeichen zu sein für die Einheit des Menschen mit Gott und aller Menschen untereinander“.
Am abschließenden Podium „Volksgruppen in Gefahr“ beteiligten sich: der tschechische Journalist Jaroslav Šonka, lange Jahre Mitarbeiter der Europäischen Akademie in Berlin, der sich als Sudetentscheche aus Troppau definierte; die Historikerin Cristina Zelenac aus Sathmar, Tochter einer Rumänin und eines Sathmarer Schwaben; Bischof Német, ein Ungar aus der Batschka, der als Steyler Missionar Bischof im serbischen Banat wurde, in einer Region, in der heute 23 Volksgruppen zusammenleben; der Südtiroler Kulturhistoriker und Ethnologe Luis Thomas Prader; der Oberschlesier Bernhard Gaida, als Vorsitzender des Verbandes der deutschen sozialen und kulturellen Gesellschaften verantwortlich für die gesamte Gemeinschaft der Deutschen in Polen; und der Politikwissenschaftler Raid Gharib, Diözesanratsvorsitzender der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien in Deutschland.
Auch Bischof Voderholzer nahm am Podium teil, Sohn eines bayerischen Vaters und einer sudetendeutschen Mutter aus dem böhmischen Kladrau. Er habe seine sudetendeutschen Wurzeln in seinen Dienst einbezogen und zur Aufgabe gemacht. So habe er den Katholikentag in Zusammenarbeit mit der Nachbardiözese Pilsen gestaltet. Bischof Voderholzer verwies auf die gemeinsam mit seinem bischöflichen Mitbruder, Bischof Radkovsky, organisierten deutsch-tschechischen Wallfahrten, etwa die Wallfahrten mit 1000 Choden nach Neukirchen beim Heiligen Blut oder umgekehrt von Weiden nach Maria Kulm im Egerland. Damit werde die Freundschaft stabilisiert in einer Region, die von Leid, Kränkungen und noch nicht aufgearbeiteter Geschichte gekennzeichnet sei. Die Erfahrungen seien ermutigend, dass diese Geschichte zunehmend „gekannt und auf der Basis von Wahrhaftigkeit studiert“ werde. In Folge der Vertreibung sei Pilsen die atheistischste Diözese. Deshalb müssten die „zarten Pflänzchen der Freundschaft und des Glaubens“ gepflegt werden. Bischof Voderholzer warnte besonders vor der Unwissenheit: „In den Köpfen ist oft ein Stadt-Land-Fluss-Schema. In Wirklichkeit gibt es nirgendwo ein Land mit einer Sprache und einem Volk – auch nicht in Indien oder Südafrika. Bei der simplen Vorstellung von Nationalisten fallen viele aus dem Raster heraus.“ Der einzige Schutz dagegen sei eine vernünftige Bildungsarbeit.
Bereits am Samstag hatten der Staats- und Verfassungsrechtler Dirk Hermann Voß, internationaler Vizepräsident der Paneuropa-Union; der Historiker Meinolf Arens, Leiter des mitveranstaltenden Instituts für Nationalitätenrecht und Regionalismus; die zwei jungen Historikerinnen, Mirjana Ivančić aus Budapest und Katerina Kakasheva aus Skopje; und Dr. Florian Kührer-Wielach vom Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München, vor den rund 200 Zuhörern aus zwölf Nationen referiert.
Für ein Europäisches Volksgruppen- und Minderheitenrecht sowie für eine stärkere Regionalisierung der Nationalstaaten hatte sich der Präsident der Paneuropa-Union Deutschland, Bernd Posselt, zuvor ausgesprochen. Die „gefährliche Wahnidee“ eines ethnisch reinen Zentralstaates, sagte der langjährige Europaabgeordnete, habe seit der Französischen Revolution bis heute, zuerst in Europa und dann auch weltweit, zu Völkermord, Vertreibungen oder Zwangsassimilierungen geführt. Die Behauptung der Anhänger des Nationalstaates, dieser sei „ursprünglich, natürlich und tief in der Geschichte verwurzelt“, kritisierte Posselt als „überlebtes ideologisches Konstrukt“. Bernd Posselt übt im Parteivorstand der CSU die Funktion eines Ostmitteleuropa-Beauftragten aus.