News Bild Frühe Sprachförderung als Schlüssel zur Bildung

Frühe Sprachförderung als Schlüssel zur Bildung

Von der Raupe Nimmersatt lernen

Home / News

Regensburg, 20. Januar 2025

Bildungsstudien wie PISA, IGLU oder der IQB-Bildungstrend zeigen es: Die Kompetenzen im Fach Deutsch haben sich bei Schulkindern dramatisch verschlechtert. Jeder vierte Viertklässler kann nicht richtig lesen. Wie ließe sich die Sprachkompetenz von Anfang an fördern? Die Bildungschancen eines jeden Kindes hängen, individuell unterschiedlich, genau hiervon ab.

„Sprache und Bildung bedingen sich gegenseitig“, sagt Dr. Nicole Ehrmann-Ludwig. Sie ist stellvertretende Schulleiterin der Caritas Fachakademie für Sozialpädagogik in Regensburg, kurz FAKS. Ehrmann-Ludwig hat am Lehrstuhl Deutsch als Zweitsprache an der Universität Regensburg studiert, hier wurde sie auch promoviert. Ihr Credo: „Bildung und das Hinführen zur Sprache beginnen nicht erst in der Schule, sondern deutlich früher, im Grunde nach der Geburt.“

Gemeinsam mit dem Staatsinstitut für Frühpädagogik hat die Germanistin das Fortbildungskonzept für den „Vorkurs Deutsch 240“ entwickelt – eine bayernweite Maßnahme für alle Kinder im Kindergartenalter, die im Gebrauch der deutschen Sprache besonders unterstützt werden müssen. Sie bildet seit fünfzehn Jahren die Fachkräfte in der Oberpfalz dazu fort. An der Fachakademie unterrichtet sie angehende Erzieherinnen und Erzieher im Fach Deutsch und legt dabei einen Schwerpunkt auf den Erwerb und das Fördern von Sprache bei Kindern und Jugendlichen aller Altersstufen.

Freude an Sprache vermitteln

Ehrmann-Ludwig erklärt die verschiedenen Bereiche der Sprachförderung. „Es reicht nicht, zu sagen: Dieses Mädchen oder dieser Junge tut sich sprachlich noch schwer.“ Man müsse genau hinsehen, ob ein Kind zum Beispiel eher auf der lautlichen Ebene Schwierigkeiten hat, ob ihm zu bestimmten Themen noch Worte fehlen, um sich genau ausdrücken zu können oder ob der Förderbedarf eher im Bereich der Grammatik oder der Kommunikation mit anderen Kindern liegt. Dabei gehe es um mehr als ob ein Kind den richtigen Artikel verwende oder Silben klatschen kann. Jeder dieser Bereiche lasse sich gezielt fördern und miteinander verbinden.

„Es gibt Methoden und Ansätze, die nicht viel Zeit oder Geld kosten, sondern sich einfach in den Alltag integrieren lassen“, sagt Ehrmann-Ludwig. Sie nennt das Einrichten einer Schreibecke zum Heranführen an Schrift. Sie nennt das begleitende Sprechen bei Handlungen, wie „jetzt schneide ich den Kreis mit der Schere aus“ oder „danke, dass ihr mir helft, die Stühle für den Morgenkreis aufzustellen“. Und sie erklärt das korrektive Feedback:  „Wenn ein Kind beispielsweise sagt: ‚Ich habe da meine Schuhe ausgezieht’, dann lässt sich entgegnen: ‚Echt, du hast die Schuhe ausgezogen?’“

Unterforderung so ungünstig wie Überförderung

Wichtig sei ein ressourcenorientiertes Vorgehen, um die Kinder zu ermutigen. Das geschehe am besten, indem „man den Kindern bedürfnisbasiert, aber gleichzeitig gezielt richtiges Deutsch anbietet und ihnen die Freude an der Sprache vermittelt.“ Sprachförderung bedeute aber nicht nur, die Kinder zu fördern, die zusätzliche Unterstützung benötigen, sondern auch, nicht zu vergessen, dass alle Kinder und Jugendlichen ein Recht auf sprachliche Bildung haben und jedes Kind dabei unterstützt werden sollte, Sprachkompetenzen von Anfang an zu erwerben und stetig auszubauen. „Unterforderung ist in der Sprachförderung genauso ungünstig wie Überforderung“, gibt Ehrmann-Ludwig zu bedenken.

Einen zentralen Stellenwert räumt sie aber anderem ein: dem Lesen und Vorlesen. „Kinderbücher sind Schätze für das Erlernen von Sprache“, sagt Ehrmann-Ludwig. Sie empfiehlt, möglichst früh mit dem Vorlesen anzufangen, und zwar bereits im Krippenalter: „Es ist gut, wenn das Lesen jeden Tag in den pädagogischen Alltag eingebunden ist.“ Denn in den Büchern stecke „unglaublich reichhaltige Sprache“. Sie nennt als Beispiel das Kinderbuch „Die kleine Raupe Nimmersatt“. Darin finden sich Sätze wie: „Sie machte sich auf den Weg, um Futter zu suchen.“ Die Sprachlehrerin sagt: „Niemand würde im Alltag so sprechen. Aber wenn die Kinder diese Schriftsprache mit ausgefeiltem Satzbau und umfangreichem Wortschatz hören, nehmen sie diese Strukturen der Sprache über das Hören auf. Das hat einen immensen Nutzen für das spätere Verwenden von Sprache und auch für das spätere Formulieren eigener Sätze.“

Der Inhalt entscheidet

Diesen Nutzen sieht sie insbesondere auch für Kinder mit Migrationserfahrung. Denn ob man auf Deutsch oder in einer anderen Sprache vorlese, sei unwesentlich. „Es geht um die Qualität von Sprache“, sagt die Caritasexpertin. „Kinder, die einen differenzierten Wortschatz und eine ausgefeilte Sprache aus ihrer Herkunftssprache gewohnt sind, bauen Konzepte auf, die sich später auch auf andere Sprachen übertragen lassen.“ Das bedeutet: Wer beispielsweise als Kind syrischer Herkunft Kinderbücher in arabischer Sprache hört oder liest, kann sich später auch mit dem Deutschen leichter tun. Ehrmann-Ludwig sagt: „Wir müssen Mehrsprachigkeit wertschätzen und als Chance sehen.“ Mehrsprachigen Eltern rät sie: „Sprechen Sie mit Ihren Kindern die Sprache oder Sprachen, die Sie am besten können und mit der Sie Gefühle verbinden!“

Die Caritas Fachakademie für Sozialpädagogik in Regensburg bietet jungen Menschen und Quereinsteigern die Möglichkeit, den Erzieherberuf zu erlernen. Es gibt die klassische vierjährige Erzieherausbildung sowie die verkürzte dreijährige praxisintegrierte Ausbildung (PiA). In der Erzieherausbildung spielen aktuelle gesellschaftsrelevante Themen eine Rolle: So erlernen die Studierenden beispielsweise Wissen rund um die Umweltpädagogik genauso wie das frühe Vermitteln der deutschen Sprache. Die Fachakademie ist zentral gelegen im inneren Stadtosten und in Donaunähe.

Text: Caritasverband

(sig)



Nachrichten