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Adveniat zum Bericht über die Gewalt gegen Indigene in Brasilien

„Es geht ums Überleben der indigenen Völker Brasiliens“

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Essen, 28. Juli 2023

„Kein einziges neues Schutzgebiet für die indigenen Völker, dafür aber drei Mal so viele Invasionen auf indigenen Territorien. Die Zahlen des Berichts über die Gewalt gegen Indigene zeigt: Es geht längst um das Überleben der zirka 300 ursprünglichen Völker Brasiliens.“ So fasst der Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat Pater Martin Maier die traurige Bilanz der Präsidentschaft von Jair Bolsonaro für die indigenen Völker Brasiliens zusammen. Die kirchliche Fachstelle für Indigenenfragen Cimi hat am Mittwoch, 26. Juli 2023 (Ortszeit), den Gewaltbericht für das Jahr 2022 vorgelegt, dessen Erstellung seit vielen Jahren vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat unterstützt wird. Im vergangenen Jahr kam es in 309 Fällen dazu, dass Teile indigener Schutzgebiete besetzt oder dort Ressourcen und Rohstoffe illegal ausgebeutet wurden. Das entspricht im zweiten Jahr in Folge einer Verdreifachung im Vergleich zu den Jahren vor der Präsidentschaft des rechtsextremen Bolsonaro.

Die Zahl der ermordeten Indigenen ist mit 180 weiterhin erschreckend hoch. Die systematische Gewalt gegen die indigenen Völker zeigt sich auch in der Zahl der gestorbenen Kleinkinder unter vier Jahren: 835 starben 2022. In den vergangenen vier Jahren der Bolsonaro-Präsidentschaft waren es insgesamt mehr als 3.500 und damit ein Drittel mehr als in den vier Jahren zuvor. Ähnliches gilt für die registrierten Gewalttaten. 2022 wurden 416 Indigene Opfer von Gewalt. Im Vorjahr lag die Zahl noch unter 400. „Der Cimi-Gewaltbericht belegt, dass die ursprünglichen Völker Brasiliens systematisch an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Die internationale Gemeinschaft darf nicht länger tatenlos zusehen, wie Indigene ermordet, ihre Territorien ausgebeutet und damit auch die für das Überleben der ganzen Menschheit notwendigen natürlichen Ressourcen unwiederbringlich vernichtet werden“, so Adveniat-Hauptgeschäftsführer Maier.

Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat weist seit Jahren darauf hin, dass die indigenen Schutzgebiete zu den letzten unberührten Regenwaldgebieten gehören. „Zwischen dem Überleben der indigenen Völker und dem Überleben der Regenwälder etwa am Amazonas besteht ein direkter Zusammenhang“, erläutert Pater Maier. Deshalb sei es auch für das Weltklima von entscheidender Bedeutung, dass endlich alle 1.391 Gebieten, die Brasiliens Indigene für sich beanspruchen, anerkannt werden. 62 Prozent sind der Indigenenfachstelle Cimi zufolge noch nicht vollständig rechtlich anerkannt. Dabei ist für die ursprünglichen Völker das Recht auf ihr Territorium und seine gesicherte Umsetzung entscheidend. „Ist das Territorium gesichert, ist das Überleben des jeweiligen indigenen Volkes gesichert. Ist der Status unsicher, dringen Goldgräber, Holzfäller und Agrokonzerne ein und zerstören die Lebensgrundlage der Indigenen“, erläutert der Adveniat-Hauptgeschäftsführer.

Der Amtsantritt des neuen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva weckte Hoffnungen auf mehr Schutz für die indigenen Völker sowie den Schutz des für die Menschheit überlebenswichtigen Amazonasgebietes. „Mit Sônia Guajajara, die das Ministerium für indigene Völker leitet, ist erstmals eine Indigene Ministerin in der brasilianischen Regierung“, erklärt Pater Maier. „Die beiden Kammern des brasilianischen Kongresses, werden jedoch nach wie vor von indigenenfeindlichen Abgeordneten dominiert“, gibt der Adveniat-Hauptgeschäftsführer zu bedenken.

Auch die Signale des Obersten Gerichtshofs ließen nicht allzu viel Hoffnung auf eine Grundlage für die endgültige rechtliche Klärung der indigenen Territorien zu. Mit dem sogenannten „Marco Temporal“ wird eine Stichtagregelung debattiert, der zufolge indigene Völker nur dann ein Anrecht auf den Schutz ihres Territoriums haben, wenn sie am 5. Oktober 1988 auf diesem Land gelebt oder ihren Anspruch darauf gerichtlich angemeldet haben. „Wenn es dazu kommt, ist das ein Verbrechen an all den indigenen Völker, die am Tag der Ausrufung der brasilianischen Verfassung von ihrem Land vertrieben waren, und eine Pervertierung der Verfassungsgrundsätze“, erklärt Adveniat-Hauptgeschäftsführer Maier. „Denn dann wird ihre Vertreibung höchstrichterlich legalisiert. Das widerspricht der Verfassung, die den systematischen Verfolgungen Indigener während der Militärdiktatur ein Ende setzen wollte.“

Text: Adveniat (to)

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Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, steht für kirchliches Engagement an den Rändern der Gesellschaft und an der Seite der Armen. Getragen wird diese Arbeit von vielen Spenderinnen und Spendern – vor allem auch in der alljährlichen Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember. Adveniat finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden. Die Hilfe wirkt: Im vergangenen Jahr konnten 1.500 Projekte mit rund 32 Millionen Euro gefördert werden, die genau dort ansetzen, wo die Hilfe am meisten benötigt wird: an der Basis, direkt bei den Menschen vor Ort.



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