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Ein Blick in die Kirchengeschichte – Teil 16

Die Kirche zwischen Kulturkampf und Zweitem Weltkrieg

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Regensburg, 8. September 2023

Wie weit reicht der Vorrang des Papstes unter allen Bischöfen? Darf der Papst allein eine für die ganze Kirche verbindliche Glaubenswahrheit definieren? War die Kirche in Zeiten des Nationalsozialismus zu leise? In unserer Themenreihe zur Kirchengeschichte lesen Sie heute über die Zeit zwischen dem Ersten Vatikanischen Konzil und dem Zweitem Weltkrieg.

 

Auf dem Ersten Vatikanischen Konzil definierte die katholische Kirche die Unfehlbarkeit des Papstes. Diese Definition führte in der Folge nicht nur zu theologischen, sondern auch zu politischen Konflikten. Die Debatte begann 1854: Papst Pius IX. hatte entschieden, dass Maria ohne Erbsünde – „unbefleckt“ – empfangen worden war. Inhaltlich war das keine große Überraschung. Seit dem Hochmittelalter diskutierten Theologen diese Frage; die überwältigende Mehrheit der Bischöfe hielt das neue Dogma inhaltlich für richtig. Das Problem war nur die Art der Verkündigung, weil eben kein Konzil diese Glaubenswahrheit definiert hatte, sondern der Papst selbst. Er hatte „ex cathedra“ entschieden. Damit stellte sich aber unmittelbar die Frage: Durfte er das denn? Dass der Papst einen Vorrang unter allen Bischöfen genießt, war gar nicht umstritten. Die Frage war eher: Wie weit reicht dieser Vorrang? Darf der Papst allein eine für die ganze Kirche verbindliche Glaubenswahrheit definieren?

Regensburger Einfluss auf dem Konzil

1869 und 1870 tagte das Erste Vatikanische Konzil. Im Vorfeld war mit Spannung erwartet worden, ob auch die päpstliche Unfehlbarkeit definiert werden sollte. Das war zunächst geplant, wurde dann aber wegen erheblicher bischöflicher Gegenstimmen wieder von der Agenda gesetzt. Dabei ging es in erster Linie gar nicht um den Inhalt, sondern um den Zeitpunkt. Die starke Betonung päpstlicher Autorität stieß auf die Ablehnung mehrerer europäischer Staaten, die darin eine innenpolitische Gefahr sahen. Mehrere Bischöfe – unter ihnen federführend Bischof Ignatius von Senestréy aus Regensburg – schafften es jedoch, den Papst umzustimmen. Die Frage wurde auf dem Konzil debattiert. Während der Großteil der deutschen Bischöfe gegen die Definition der päpstlichen Unfehlbarkeit war, entschied das Konzil in der Konstitution „Pastor aeternus“ 1870 anders: Die Konzilsväter bestimmten, dass der Papst aus sich heraus unfehlbare Entscheidungen treffen konnte. Eine direkte Folge war die Abspaltung der „Altkatholischen Kirche“, die diese Lehre nicht mitgehen konnte und anfangs vor allem in Deutschland viele Anhänger gewinnen konnte.

„Kulturkampf“ in Deutschland 

Das Erste Vatikanische Konzil war in der Folge nicht der einzige, aber ein einflussreicher Grund für den sogenannten „Kulturkampf“. Darunter ist die in mehreren europäischen Staaten geführte Auseinandersetzung zwischen dem bürgerlichen Staat und der – oft eher restaurativ eingestellten – Kirche gemeint. Die katholische Kirche galt als Gegner von Fortschritt und Modernisierung. In Bayern, aber vor allem in Preußen wurde die Kirche hart angegangen. Der „Kanzelparagraph“ sollte sicherstellen, dass Priester keine politischen Predigten hielten. Der Jesuitenorden wurde zeitweilig verboten. Die „Maigesetze“ regelten beispielsweise den staatlichen Einfluss in die Ausbildung von Klerikern und Besetzung von Pfarrstellen. Eine Folge war auch die Zivilehe: Nunmehr war es – geltend bis vor wenigen Jahren – nur noch möglich, kirchlich zu heiraten, wenn eine zivile Eheschließung vorausgegangen war. 1875 wurden in Preußen alle Klöster und Ordensgemeinschaften aufgehoben. Dieser Kulturkampf verfehlte indes seine Wirkung. Ihr wesentlicher Architekt – Reichskanzler Bismarck – musste das letztlich einsehen: Die Katholiken hatten sich unter dem staatlichen Druck nur noch mehr zusammengeschlossen. Ab 1880 wurden die im Kulturkampf erlassenen Gesetze daher schrittweise abgebaut.

Ein neues Europa

Der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 veränderte abermals das Antlitz Europas. Der Krieg forderte zahllose Menschenleben. In Deutschland endete mit der Novemberrevolution von 1918 aber auch die Monarchie. Um seinen Einfluss auch in den neuen Staatsformen zu sichern, griff der Heilige Stuhl zu Verhandlungen. „Konkordate“ schrieben die Rechte und Pflichten der Kirche fest. 1924 wurde ein Konkordat mit Bayern geschlossen, 1933 mit dem dann bereits nationalsozialistischen Deutschland. Mit der Zeit des nationalsozialistischen Terrors und dem Zweiten Weltkrieg begann eine auch für die Kirche schwierige Zeit. Die Frage nach ihrem Verhältnis zur Diktatur ist nicht einfach zu beantworten.

Vielen Bischöfen war bereits vor der Machtergreifung Hitlers klar, wie gefährlich der Nationalsozialismus werden konnte; so verboten die Bischöfe anfangs etwa den Katholiken die Mitgliedschaft in der NSDAP. Gerade das 1933 geschlossene Konkordat weckte die Hoffnung, durch die juristische Bindung Sicherheit für die Kirche zu erreichen. Mit der Zeit jedoch wurde teilweise der Religionsunterricht verboten, Zuschüsse zu Einrichtungen der Kirche gestrichen, Priester verhaftet. Kirchliche Schulen wurden geschlossen.

War die Kirche zu leise?

Auf der einen Seite stellten sich mutige Katholiken gegen Hitlers Regime. Beispiele seien nur der Münchner Journalist Fritz Gerlich, der in München tätige Jesuitenpater Rupert Mayer oder der Regensburger Domprediger Johann Maier. Clemens August Graf von Galen war Bischof in Münster. Wegen seiner lautstarken Proteste gegen das NS-Regime galt er auch als der „Löwe von Münster“.  1937 erschien die Enzyklika „Mit brennender Sorge“ von Papst Pius XI. Der Entwurf stammte vom Münchner Kardinal Faulhaber; Eugenio Pacelli, der ehemalige päpstliche Nuntius in München und Berlin und spätere Papst Pius XII. überarbeitete die Enzyklika, weil sie zu zahm wirkte. Auf der anderen Seite wird der Kirche immer wieder vorgeworfen, ihren großen Einfluss zu wenig geltend gemacht zu haben, zu viel geschwiegen und zu wenig getan zu haben. Dieser Vorwurf trifft insbesondere Papst Pius XII., der jedoch seinerseits alles tat, um in Rom verfolgte Juden zu retten. Seine öffentliche Zurückhaltung war womöglich auch der Sorge geschuldet, durch zu deutliche Worte Gegenschläge des Regimes zu provozieren.
 

Text: Benedikt Bögle
(mk)



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