Durch das Kirchenjahr: Wie der Vater, so der Sohn
… mit Benedikt
Fünfter Sonntag der Osterzeit A – Johannes 14,1-12
„Wie der Vater, so der Sohn“, sagt man. Manchmal scheinen im Sohn Züge des Vaters durch: Eine bestimmte Ausdrucksweise, eine Körperhaltung, ein Gesichtszug. Im Sohn erkennt man seinen Vater wieder. Man merkt: Die beiden müssen verwandt sein, die Ähnlichkeiten sind so groß, dass es anders gar nicht sein kann. „Ganz die Mutter“, sagt man. Manchmal erinnert ein Kind nicht nur an die Mutter, man meint beinahe, sie selbst vor sich zu haben. Um Vater und Sohn geht es auch im Evangelium dieses Sonntags: Wir hören den Beginn der Abschiedsreden, die Jesus im Johannesevangelium hält. Zwischen dem letzten Mahl mit seinen Jüngern und seiner Auslieferung an die Soldaten hält Jesus eine lange Rede. Es wirkt wie eine Art geistliches Testament: Jesus fasst wichtige Aussagen seiner Lehre nochmals zusammen, tröstet die Jünger, die zurückbleiben müssen.
Den Beginn dieser Reden macht die Zusage Jesu an die Seinen, er habe einen Platz für sie im Reich seines Vaters vorbereitet – und wie man dorthin kommt, das wüssten die Jünger. Aber: Sie wissen es nicht. Thomas fragt nach: „Herr, wir wissen nicht wohin du gehst. Wie können wir dann den Weg kennen?“ (14,5) Jesus antwortet mit einem Satz, der heute zu den beliebtesten Bibelstellen gehört: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (14,6). Jesus sagt nicht, seine Lehre habe ihnen den Weg gezeigt. Er sagt nicht, seine Gebete, seine Reden und Handlungen würden ein Vorbild geben für den Weg zum Vater. Er selbst ist der Weg. Er hat nicht nur Zeugnis von der Wahrheit abgelegt, er selbst ist diese Wahrheit. Und er verspricht nicht nur das ewige Leben – er ist selbst das Leben.
Um den Vater geht es. Und nun fragt der Apostel Philippus nach: „Herr, zeig uns den Vater; das genügt uns.“ (14,8) In diesem Satz spiegelt sich sehr viel Verständnis wider: Philippus hat begriffen, dass der Vater genügt. Den Vater zu sehen ist genug. Und der Wunsch des Philippus wirkt sehr berechtigt: Wir würden doch alle gerne den Vater sehen. Doch auch das ist bereits geschehen. Jesus antwortet: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ (14,9) Wieder identifiziert sich Jesus selbst mit der Antwort auf die Frage. Jesus hat nicht erzählt wie der Vater ist, hat nicht nur über den Vater gesprochen – in ihm selbst spiegelt sich der Vater wider. Wer den Sohn kennt, hat den Vater auch erkannt.
Wie also ist der Vater? So, wie wir den Sohn gesehen haben. Den Sohn, der Sündern vergab. Den Sohn, der Kranke heilte. Den Sohn, der nur kurz nach der Abschiedsrede sein Leben hingab für das Heil der Welt; er, über den der Evangelist sagte: „Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung.“ (13,1) So ist der Sohn. Und so ist auch der Vater. Von dieser grenzenlosen Liebe hat einer Kunde gebracht, der genau weiß, wie der Vater ist. Auf sein Zeugnis dürfen wir vertrauen. Später wird es in den Abschiedsreden heißen: „Glaubt mir doch, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist.“ (14,11) Vater und Sohn sind nicht dieselben – in der großen Einheit Gottes gibt es diese kleine Verschiedenheit. Aber in der Liebe Jesu Christi, die bis ans Kreuz steigt, spiegelt sich die Liebe des Vaters. Wie der Vater, so der Sohn.