Vierter Sonntag der Osterzeit C – Offenbarung des Johannes 7, 9 und 14b – 17
„9Ich, Johannes, sah: eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen; niemand konnte sie zählen. Sie standen vor dem Thron und vor dem Lamm, gekleidet in weiße Gewänder, und trugen Palmzweige in den Händen. 14bUnd einer der Ältesten sagte zu mir: Dies sind jene, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht. 15Sie stehen vor dem Thron Gottes und dienen ihm bei Tag und Nacht in seinem Tempel; und der, der auf dem Thron sitzt, wird sein Zelt über ihnen aufschlagen. 16Sie werden keinen Hunger und keinen Durst mehr leiden und weder Sonnenglut noch irgendeine sengende Hitze wird auf ihnen lasten. 17Denn das Lamm in der Mitte vor dem Thron wird sie weiden und zu den Quellen führen, aus denen das Wasser des Lebens strömt, und Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen.“
Die Offenbarung des Johannes ist in einer Zeit geschrieben, als erste Verfolgungen der christlichen Gemeinden einsetzen. Der grausame Höhepunkt dieser Verfolgungen wird zwar erst später erreicht werden. Doch die Christen erfahren nun, dass sie um ihres Glaubens willen verfolgt werden und leiden müssen. Ein großes Thema der Offenbarung ist daher die Gerechtigkeit der kommenden Welt. Vor dem „Thron und vor dem Lamm“ – vor dem auferstandenen Herrn also – stehen die Menschen, „die aus der großen Bedrängnis kommen“. Es sind jene, die um ihres Glaubens willen verfolgt wurden.
Diese Menschen tragen weiße Gewänder. Der Seher Johannes erfährt nun etwas bemerkenswertes über diese Gewänder: Die Menschen aus der großen Bedrängnis „haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht.“ Dieses Bild ruft sofort einen inneren Widerstand hervor: In Blut kann man nichts waschen. Umgekehrt wäre es doch richtig: Das mit Blut befleckte Gewand müsste gewaschen werden.
Diese Einsicht gilt nicht für die Logik Gottes. Die Leidenden haben ihre Gewänder im Blut Christi reingewaschen. Zunächst steht dahinter ein Bild aus dem Alten Testament: Als Gott das Volk Israel aus der Sklaverei führte, schlug er alle Erstgeburt der Ägypter. Das Volk Israel wurde verschont; Blut von Lämmern an den Haustüren rettete ihr Leben: „Der HERR geht umher, um die Ägypter mit Unheil zu schlagen. Wenn er das Blut am Türsturz und an den beiden Türpfosten sieht, wird er an der Tür vorübergehen und dem Vernichter nicht erlauben, in eure Häuser einzudringen und euch zu schlagen“, verkündet Mose dem Volk Israel Gottes Weisung (Ex 12,23).
Dieses Bild überträgt die Offenbarung auf den Tod Jesu: Das Blut Christi bewahrt uns vor dem ewigen Tod. Durch seinen Tod am Kreuz hat Jesus unsere Schuld ertragen und überwunden. Durch sein Blut hat er uns den Weg zum Leben erschlossen. In diesem Blut dürfen wir unsere Gewänder „weiß machen“. Wir kennen dieses Sprichwort ja noch heute: Der Unschuldige hat eine „weiße Weste“, an ihm haftet nichts Unreines, keine Schuld. Wir aber wissen wohl, dass wir keine weißen Westen tragen. Im Staub des Lebens und im Unrat unserer Schuld ist unsere Weste schmutzig geworden. Dies aber ist die große Verheißung der Offenbarung: Einst dürfen wir diese Westen rein waschen im Blut des Lammes. Vielleicht beschreibt der Seher Johannes hier den Augenblick, den die Kirche als „Fegfeuer“ bezeichnet: Wir treten in unseren dreckigen Gewändern vor den ewigen Richter. Dann dürfen wir hoffen, dass der Herr selbst uns rein machen wird – er, der für mich am Kreuz gestorben ist und sein kostbares Blut vergossen hat.
Text: Benedikt Bögle
(sig)