Regensburg, 12. April 2025
Der Predigttext für den kommenden Sonntag steht im Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Philippi, und zwar im zweiten Kapitel. Dort sind es die Verse sechs bis elf, in denen der Apostel die Passion Christi in den Blick nimmt. Dieses Geschehen geht jeden Menschen direkt an, denn indem Jesus sich als Mensch bekannte und als Mensch bis zu seinem Tod litt, danach aber wiederauferstand, hat er einen Weg gebahnt und geebnet. Einen Weg, so der Apostel, der uns allen, der jedem Menschen Wegweisung und Hoffnung sein soll.
Palmsonntag C – Philipperbrief 2, 6 – 11
„6Christus Jesus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, 7sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; 8er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. 9Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, 10damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu 11und jeder Mund bekennt: „Jesus Christus ist der Herr“ – zur Ehre Gottes, des Vaters.“
Am Beginn der Karwoche hören wir eines der ältesten Kirchenlieder. Den Hymnus der zweiten Lesung hat der Apostel Paulus zwar im Brief an die Philipper überliefert, vermutlich aber bereits von einem anderen Autor erhalten. Dieser Text reicht also in die früheste Zeit des Christentums zurück. Der Hymnus beschreibt das Leben Jesu als eine doppelte Bewegung: Von oben – von Gott – hinunter auf die Erde; und umgekehrt von dieser Welt wieder hinauf zu Gott.
„Christus Jesus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein“, beginnt dieser Text und fasst damit das Mysterium der Geburt Jesu zusammen. Jesus ist „Gott gleich“. Jesus ist das ewige Wort des Vaters, das von Anbeginn der Welt war. Diesen Gedanken finden wir auch im Prolog des Johannesevangeliums: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott“. (Joh 1,1). Eben dieses ewige Wort Gottes „hält nicht daran fest, Gott gleich zu sein“. Der griechische Originaltext ist an der Stellte schwer zu verstehen. Wörtlich heißt es da, Jesus „hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein“. Es handelt sich offenbar um eine Redewendung; sie könnte so viel bedeuten wie: „Jesus hielt nicht gierig daran fest, wie Gott zu sein“.
Jesus ist wie Gott, aber er nimmt freiwillig die Gestalt eines Menschen an, er „entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich“. Diese Worte dürften in den Ohren der antiken Welt noch revolutionärer geklungen haben als in den unseren. In der Antike gab es ja durchaus Menschen, die für „Gott gleich“ gehalten wurden – die Halbgötter wie etwa Herakles. Aber auch der Kaiser Augustus ließ sich als „göttlich“ verehren. Dass ein solcher Mensch aus freien Stücken auf den Status des Göttlichen verzichtet hätte, dürfte unvorstellbar gewesen sein.
Gerade das aber ist das Geheimnis Jesu Christi: Er ist der Einzige, der in Wahrheit wie Gott ist. Doch gerade er wird Mensch, verlässt die Ewigkeit und nimmt am Kreuz Schmerz, Leid und den Tod auf seine Schultern. „Sein Leben war das eines Menschen“, hören wir im Philipperbrief. Jesus lebte das Leben eines Menschen bis zur letzten Konsequenz des grauenvollen Todes. Doch gerade „darum hat ihn Gott über alle erhöht“: Der Tod hat nicht das letzte Wort. Auf den Tod Jesu folgen seine Auferstehung in Herrlichkeit und die Rückkehr zum Vater. Wie Christus in seiner Geburt vom Vater kam, so ist er in seiner Himmelfahrt zu ihm zurückgekehrt.
Das ist das Geheimnis, das wir in diesen heiligen Tagen feiern: Den Abstieg Gottes auf diese Welt und seine Rückkehr zum Vater. In dieses Geheimnis hoffen wir, selbst hineingenommen zu sein. Wir hoffen, dass das Geheimnis Christi einst auch unser Geheimnis sein wird. Unser Leben ist grundsätzlich von einer ganz anderen Bewegung gekennzeichnet: Der Mensch will erst nach oben steigen und fällt dann. „Ihr werdet wie Gott“, ist die Verheißung der Schlange an Adam und Eva (Gen 3,5). Der Mensch will Gott werden und fällt. In Jesus Christus aber sehen wir Gottes Antwort darauf: Gott wird Mensch, um uns mit sich nach oben zu ziehen.
Text: Benedikt Bögle
(sig)