Regensburg, 26. Oktober 2024
Der Predigttext für den kommenden Sonntag, den 30. im Jahreskreis, kommt aus dem Hebräerbrief. Er steht dort im fünften Kapitel, es handelt sich um die Verse 1 bis 6. Der Charakter des Priestertums ist hier Gegenstand. Es ist von Gott gegeben, der Geweihte hat sie sich nicht etwa selbst angemaßt. Das ist eine bedeutende Erkenntnis, denn so kann das Priesterum auch von Menschenhand nicht genommen werden. Zugleich befähigt sie den Priester gerade wegen der Art, in der er seine Würde empfing, dazu, mit allen Schwachen und Leidenden und auch mit den reuigen Sündern zu fühlen, sich in sie hineinzuversetzen und ihr unvollkommenes Bild mit Gottes Hilfe zu vervollständigen.
30. Sonntag im Jahreskreis B – Hebräerbrief 5,1-6
„1Jeder Hohepriester wird aus den Menschen genommen und für die Menschen eingesetzt zum Dienst vor Gott, um Gaben und Opfer für die Sünden darzubringen. 2Er ist fähig, mit den Unwissenden und Irrenden mitzufühlen, da er auch selbst behaftet ist mit Schwachheit, 3und dieser Schwachheit wegen muss er wie für das Volk so auch für sich selbst Sündopfer darbringen. 4Und keiner nimmt sich selbst diese Würde, sondern er wird von Gott berufen, so wie Aaron. 5So hat auch Christus sich nicht selbst die Würde verliehen, Hohepriester zu werden, sondern der zu ihm gesprochen hat: Mein Sohn bist du. Ich habe dich heute gezeugt, 6wie er auch an anderer Stelle sagt: Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks.“
Immer wieder kommt der Hebräerbrief zurück auf das Bild des Tempelkultes. Christus ist unser Hohepriester – das ist die Kernaussage des Briefes. Dabei wendet der Autor des Hebräerbriefes eine auf den ersten Blick erstaunliche Theologie an. Immer wieder zieht der Autor Parallelen zwischen dem Tempelkult und seinen Priestern – immer wieder betont er aber auch, dass dieses Bild letztlich unpassend ist, weil Christus den Tempelkult überragt und so doch nicht wirklich mit ihm verglichen werden kann.
Im Abschnitt dieses Sonntags hören wir, dass jeder Hohepriester das Sündopfer als einer darbrachte, der mit dem Volk sehr gut mitleiden konnte: Wie das Volk hatte auch er gesündigt, wie für das Volk so musste er Gottes Erbarmen auch für sich selbst erbitten. Ganz anders Christus, der selbst ohne Sünde war. Im ersten Kult wurde das Opfer im Zelt, später dann im Tempel dargebracht (vgl. Hebr 9,1-10); Christus dagegen ist „durch das größere und vollkommenere Zelt“ gegangen (Hebr 9,11). Im Tempelkult wurde die Vergebung durch das Blut von Opfertieren erwirkt, Christus aber hat sein eigenes Blut hingegeben (vgl. Hebr 9,12 14). Der Hohepriester musste das Opfer immer wieder darbringen, Christus nur ein einziges Mal (vgl. Hebr 9,23-28).
Man könnte meinen: Der Hebräerbrief sabotiert das theologische Bild, das er ja selbst überhaupt erst eingeführt hat. Wieso vergleicht er denn überhaupt den Tod Jesu mit dem Tempelgottesdienst, wenn er sodann immer wieder betonen muss, dass und warum dieses Bild in Wahrheit nicht ganz passt? In der Theologie gibt es den Grundsatz der „je größeren Unähnlichkeit“: Auch das passendste von uns Menschen gemachte Bild von Gott ist immer mehr unzutreffend, als dass es zutrifft. Die beste Analogie auf das Wesen Gottes muss versagen, weil unsere menschlichen Kategorien angesichts des Ewigen versagen müssen. Der Autor des Hebräerbriefes wusste das. Er greift auf ein bekanntes Bild zurück: Am Versöhnungsfest wurde das Volk mit dem Blut von Böcken von seinen Sünden befreit. So wird auch im Tod Jesus das Volk Gottes durch sein Blut erlöst – durch einen einmaligen Dienst jedoch, der nicht wiederholt zu werden braucht.
Das Bild des Hebräerbriefes ist unvollkommen, weil jedes Bild von Gott unvollkommen sein muss. Uns bleibt die Hoffnung, einst den Herrn zu sehen, wie er ist; Bilder werden wir dann nicht mehr brauchen. Dann werden wir den ewigen Hohepriester sehen, Jesus Christus, den Priester auf ewig, der uns in seinem Leiden und Sterben das Heil und das ewige Leben errungen hat.
Text: Benedikt Bögle
(sig)