Regensburg, 10. August 2024.
Die Lesung für morgen, den achtzehnten Sonntag im Jahreskreis, kommt aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Ephesos im ionischen Griechenland, heutzutage türkisch besiedelt, und sie steht dort im vierten und fünften Kapitel. Paulus ermahnt dort, in den Versen 30 bis 32 des vierten sowie 1 und 2 des fünften Kapitels, die Gläubigen zur mitfühlenden Liebe und empathischen Zuneigung unterneinander. Grundlage dafür soll der Nachahmung Christi und seine Nachfolge in Worten und Taten sein.
19. Sonntag im Jahreskreis B – Epheserbrief 4,30 – 5,2
„Schwestern und Brüder! 4,30Betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, den ihr als Siegel empfangen habt für den Tag der Erlösung! 31Jede Art von Bitterkeit und Wut und Zorn und Geschrei und Lästerung mit allem Bösen verbannt aus eurer Mitte! 32Seid gütig zueinander, seid barmherzig, vergebt einander, wie auch Gott euch in Christus vergeben hat.5,1Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder 2und führt euer Leben in Liebe, wie auch Christus uns geliebt und sich für uns hingegeben hat als Gabe und Opfer, das Gott gefällt!“
Dieser Abschnitt aus dem Epheserbrief gibt auf der einen Seite eine Anweisung dafür, wie Christen ihr Leben gestalten sollen. Einige Geisteshaltungen werden beschrieben, die mit einem christlichen Leben nicht vereinbar sind. Unter Christen darf es keine Bitterkeit geben, keine Wut, keinen Zorn, kein Geschrei und keine Lästerungen. Diesem negativen Katalog an Verhaltensweisen stellt der Autor des Briefes eine Liste positiver Haltungen entgegen: Gütig und barmherzig sollen die Christen sein, einander vergeben. Wir können diese beiden Kataloge zunächst für sich lesen und möglichst getreu im eigenen Leben kopieren. Als Christen sind wir berufen, gerade nicht dem Zorn Raum zu geben und dem bösen Wort – sondern dem guten Wort, der Liebe und der Versöhnung. Wenn wir diesen Katalog anschauen, werden wir mit Sicherheit feststellen, dass wir ihn niemals perfekt erfüllen; vielleicht an manchen Tagen besser, an anderen jedoch schlechter.
Der Autor belässt es aber nicht bei den beiden Aufzählungen. Er fügt noch etwas hinzu: „Ahmt Gott nach“. Wir sollen unser Leben führen „in Liebe, wie auch Christus uns geliebt und sich für uns hingegeben hat als Gabe und Opfer, das Gott gefällt!“ Dieser Satz ist ungeheuerlich. Die Botschaft des Neuen Testaments sagt uns doch: Gott hat von Anbeginn der Welt an den Menschen unendlich geliebt. Weil sich der Mensch immer tiefer in Sünde und Schuld verstrickt hat und den Preis dieser Schuld tragen muss – nämlich den Tod – ist Gott Mensch geworden. Er, der keine Sünde hatte, und er, der nicht sterben musste, hat aus freien Stücken den Tod auf sich genommen und damit den Preis der Sünde bezahlt. Er hat den grausamen Tod für uns erlitten, um den Weg zum Leben zu eröffnen. Sein ganzes Leben war liebende Hingabe.
Diesen Gott nun sollen wir nachahmen; das Leben in Liebe führen, wie Christus es getan hat. Das ist unmöglich. Dieses Maß der vollendeten Liebe werden und können wir nicht erreichen. Sind wir denn dann nicht zum Scheitern verurteilt ob dieses Zieles, das wir niemals werden erreichen können? Müssen wir nicht von vornherein feststellen, dass wir diese Liebe niemals auch nur annähernd werden leben können? Das Vorbild Christi ist für uns unerreichbar.
Ja – und doch brauchen wir uns deswegen nicht zu grämen. Wenn Christus wirklich den Tod am Kreuz für uns gestorben ist – für uns alle – dann ist die Hoffnung auf Erlösung immer größer als unsere Schuld, unser Scheitern und unser Versagen. Wir blicken auf einen Horizont der unendlichen Liebe, in der wir uns am Ende werden umfangen wissen dürfen. Umso mehr müssen wir unser Leben von diesem Horizont her gestalten. Jeden Tag dürfen wir auf Christus blicken und seine Liebe nachahmen – wissend, dass er uns auch im Scheitern umarmt.
Text: Benedikt Bögle
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