Regensburg, 19. April 2025
Die Lesung für die Osternacht steht im 2. Buch Mose, Exodus. Es handelt sich um die Verse 15 bis 31 im vierzehnten Kapitel sowie um Vers eins aus dem folgenden, fünfzehnten Kapitel. Es ist eine Geschichte der Errettung. Die Israeliten werden durch Gott selbst vor ihren Verfolgern zuerst in Sicherheit und dann auf den Weg in Heilige Land gebracht. Das kann ein Sinnbild sein, denn Gott selbst hat in Jesus uns alle in der Rettungstat der Osternacht unserer unverbrüchlichen Bindung an ihn versichert und uns den Weg in sein Reich ein für alle Mal geöffnet und geebnet.
Osternacht C – Exodus 14, 15 – 31, 15, 1
„In jenen Tagen, als die Israeliten sahen, dass die Ägypter ihnen nachrückten, erschraken sie sehr und schrien zum Herrn. 15Da sprach der HERR zu Mose: Was schreist du zu mir? Sag den Israeliten, sie sollen aufbrechen. 16Und du heb deinen Stab hoch, streck deine Hand über das Meer und spalte es, damit die Israeliten auf trockenem Boden in das Meer hineinziehen können! 17Ich aber will das Herz der Ägypter verhärten, damit sie hinter ihnen hineinziehen. So will ich am Pharao und an seiner ganzen Streitmacht, an seinen Streitwagen und Reitern meine Herrlichkeit erweisen. 18Die Ägypter sollen erkennen, dass ich der HERR bin, wenn ich am Pharao, an seinen Streitwagen und Reitern meine Herrlichkeit erweise. 19Der Engel Gottes, der den Zug der Israeliten anführte, brach auf und ging nach hinten und die Wolkensäule brach auf und stellte sich hinter sie. 20Sie kam zwischen das Lager der Ägypter und das Lager der Israeliten. Die Wolke war da und Finsternis und Blitze erhellten die Nacht. So kamen sie die ganze Nacht einander nicht näher. 21Mose streckte seine Hand über das Meer aus und der HERR trieb die ganze Nacht das Meer durch einen starken Ostwind fort. Er ließ das Meer austrocknen und das Wasser spaltete sich. 22Die Israeliten zogen auf trockenem Boden ins Meer hinein, während rechts und links von ihnen das Wasser wie eine Mauer stand. 23Die Ägypter setzten ihnen nach; alle Pferde des Pharao, seine Streitwagen und Reiter zogen hinter ihnen ins Meer hinein. 24Um die Zeit der Morgenwache blickte der HERR aus der Feuer- und Wolkensäule auf das Lager der Ägypter und brachte es in Verwirrung. 25Er hemmte die Räder an ihren Wagen und ließ sie nur schwer vorankommen. Da sagte der Ägypter: Ich muss vor Israel fliehen; denn der HERR kämpft auf ihrer Seite gegen Ägypten. 26Darauf sprach der HERR zu Mose: Streck deine Hand über das Meer, damit das Wasser zurückflutet und den Ägypter, seine Wagen und Reiter zudeckt! 27Mose streckte seine Hand über das Meer und gegen Morgen flutete das Meer an seinen alten Platz zurück, während die Ägypter auf der Flucht ihm entgegenliefen. So trieb der HERR die Ägypter mitten ins Meer. 28Das Wasser kehrte zurück und bedeckte Wagen und Reiter, die ganze Streitmacht des Pharao, die den Israeliten ins Meer nachgezogen war. Nicht ein Einziger von ihnen blieb übrig. 29Die Israeliten aber waren auf trockenem Boden mitten durch das Meer gezogen, während rechts und links von ihnen das Wasser wie eine Mauer stand. 30So rettete der HERR an jenem Tag Israel aus der Hand der Ägypter. Israel sah die Ägypter tot am Strand liegen. 31Als Israel sah, dass der HERR mit mächtiger Hand an den Ägyptern gehandelt hatte, fürchtete das Volk den HERRN. Sie glaubten an den HERRN und an Mose, seinen Knecht. 15,1Damals sang Mose mit den Israeliten dem HERRN dieses Lied; sie sagten: Ich singe dem HERRN ein Lied, denn er ist hoch und erhaben. Ross und Reiter warf er ins Meer.“
Die Feier der drei Heiligen Tage hat bereits mit dem Exodus begonnen; nun schließt sich in der Osternacht der Kreis. Am Gründonnerstag hörten wir vom ersten Pessachmahl in jener Nacht, in der der HERR alle Erstgeborenen in Ägypten tötete (Ex 12,1-8.11-14). Nun hören wir vom Durchzug Israels durch das rote Meer, vom letzten Schritt, den das Volk Israel von der Sklaverei in Ägypten in die Freiheit tut. In der Osternacht verbindet die Kirche das gesamte Heilshandeln Gottes an seinem Volk: Wir hören von der Erschaffung der Welt und von der Bindung Isaaks, vom Durchzug durch das Meer und von den Verheißungen der Propheten, schließlich von der Auferstehung Jesu von den Toten. In dieser Nacht feiern wir unsere Erlösung, die dem Heilsplan Gottes entspricht: „Allmächtiger Gott, du hast den Menschen wunderbar erschaffen und noch wunderbarer erlöst“, betet die Kirche nach der ersten Lesung der Osternacht.
Schon die frühe Kirche hat den Tod und die Auferstehung Jesu eng mit dem Auszug Israels aus Ägypten verbunden. Die Ägypter erkennen: „Ich muss vor Israel fliehen; denn der HERR kämpft auf ihrer Seite gegen Ägypten.“ Diesen Satz spricht in der Osternacht der Tod selbst: Er muss fliehen, denn der Herr kämpft an der Seite seiner Menschheit. Die frühe Kirche erkannte in dem Durchzug durch das Meer auch ein Bild der Taufe: Wie das Volk Israel durch die Wasserfluten in die Freiheit zieht, so ziehen wir durch das Wasser der Taufe. Durch diese Taufe sind wir in das Schicksal Jesu hineingenommen, in seinen Tod und seine Auferstehung: „Wir, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, sind auf seinen Tod getauft worden“, heißt es in der neutestamentlichen Lesung der Osternacht (Röm 6,3).
Darin gründet der Jubel der Osternacht: Dass Christus nicht nur seinen Tod besiegt hat, sondern auch unseren; dass Christus uns in seinen Sieg des Lebens über den Tod hineinnimmt. Ostern ist damit nicht nur eine Erinnerung an vergangene Ereignisse: Ostern wird Gegenwart. Auch das verbindet uns mit der Pessachfeier Israels. Gott gibt seinem Volk auf, künftig das Pessachfest zu feiern, in Erinnerung an den Auszug aus Ägypten alle Erstgeburt Gott zu weihen: „Wenn dich morgen dein Sohn fragt: Was bedeutet das?, dann sag ihm: Mit starker Hand hat uns der HERR aus Ägypten, aus dem Sklavenhaus, herausgeführt.“ (Ex 13,14). Noch Jahre, Jahrhunderte und Jahrtausende nach dem Exodus ist dies die Begründung der Gebote: Der HERR hat „uns“ aus dem Sklavenhaus herausgeführt. Der HERR hat nicht nur irgendwelche Menschen vor tausenden von Jahren befreit – „uns“ hat er aus dem Sklavenhaus herausziehen lassen. Das Heilshandeln Gottes wird aktuell: Er befreit auch uns aus der Sklaverei.
Das Exsultet, das Lob der Kirche auf die Osterkerze, besingt das: „Dies ist die Nacht, die unsere Väter, die Söhne Israels, aus Ägypten befreit und auf trockenem Pfad durch die Fluten des Roten Meeres geführt hat. Dies ist die Nacht, in der die leuchtende Säule das Dunkel der Sünde vertrieben hat.“ Und weiter: „Dies ist die selige Nacht, in der Christus die Ketten des Todes zerbrach und aus der Tiefe als Sieger emporstieg.“ In dieser Nacht erinnern wir uns nicht an ein historisches Ereignis, das erstaunlich sein mag, uns aber letztlich nicht betrifft. Im Gegenteil: Weil wir durch die Taufe in das Schicksal Jesu hineingenommen sind, feiern wir in dieser Nacht, dass wir am Sieg Jesu Anteil haben dürfen. Heute ist der Tag unserer Rettung. Deswegen stimmen wir ein in den Gesang Israels: „Ich singe dem HERRN ein Lied, denn er ist hoch und erhaben. Ross und Reiter warf er ins Meer.“
Text: Benedikt Bögle
(sig)