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Durch das Kirchenjahr: Christliche Identität

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… mit Benedikt:


23. Sonntag im Kirchenjahr C – Philemonbrief 9b-10.12-17

Der Philemonbrief ist der kürzeste Brief, der uns im neuen Testament erhalten ist; so kurz, dass es sich nicht einmal lohnte, ihn in mehrere Kapitel einzuteilen. Die Situation, soweit wir sie heute noch rekonstruieren können: Onesimus hat sich zum Apostel Paulus geflüchtet. Er ist seinem Herrn davongelaufen, Philemon, an den der Brief adressiert ist. Das Problem, kurz skizziert: Beide, Sklave und Herr, sind Christen. In der Welt, in der sie leben, könnten sie ungleicher nicht sein. Der eine ist Herr, schafft an, bestimmt über Leben und Tod des anderen. Dem bleibt nichts anderes übrig, als sich zu fügen und zu tun, was sein Herr von ihm verlangt.

In der christlichen Gemeinde stellt sich ein ganz anderes Bild dar: Dort werden die beiden als „Brüder“ angesehen. Ständig also kann Philemon, der Herr, über Onesimus, seinen Sklaven, bestimmen; aber in den Stunden, in denen sich die Gemeinde zum Gottesdienst versammelt, stehen sie auf Augenhöhe.

Auf Dauer kann das natürlich nicht gut gehen. Was stimmt denn nun? Sind die beiden, wie die christliche Botschaft verkündet, Brüder? Oder sind sie der weltlichen Ansicht gemäß Sklave und Herr? Wir wissen heute nicht mehr, was der genaue Auslöser für das Problem der beiden gewesen sein mag. Klar ist nur: Es gab ein Problem und Philemon, der eine Hausgemeinde früher Christen in seinem Haus beherbergte, hat sich wohl seiner Rolle nicht angemessen verhalten.

Der Apostel Paulus reagiert in dieser Situation nun sehr interessant. Er lässt zwar seine Autorität als Apostel durchaus anklingen, beruft sich aber nicht direkt auf sie. Vielmehr schreibt er: „Deine gute Tat soll nicht erzwungen, sondern freiwillig sein“ (Vers 14). Ein Satz, der dem Apostel im Nachhinein auch vorgeworfen wurde. Ihm scheint ja klar gewesen zu sein, dass das Halten von Sklaven eine mit der christlichen Identität nicht vereinbare Einstellung ist. Hätte er das deutlicher zum Ausdruck gebracht, hätte sich durch die Geschichte hindurch vielleicht eine andere Entwicklung abgezeichnet. Paulus aber will an Philemon im Geist der Brüderlichkeit appellieren.

Die Taufe macht die Christen untereinander zu Brüdern und Schwestern. Es ist wie in einer richtigen Familie: Brüder und Schwestern behandeln sich manchmal schlecht. Sie können sich entfernen, entzweien, ja sogar verachten. Aber sie bleiben doch eine Familie. Und so ist das doch auch bei uns Christen: Uns verbindet der Glaube an den einen Herrn, zu dem wir uns in der Taufe bekannt haben. Und daraus entspringt ein Imperativ, den Paulus auch an Philemon formuliert: Wir sind damit Geschwister und sollen uns auch als solche behandeln. Zu dieser neuen Identität passt es nicht mehr, Sklave und Herr zu sein.

Die Worte des Apostels, die wir an diesem Sonntag hören, sind damit auch ein Zuruf an uns: Passt der Umgang, den wir miteinander pflegen, zu dem Leben, das wir in Jesus Christus führen? Lagerbildung, die vielen Spaltungen – passt das dazu, dass wir ein Leib sind, dessen Haupt der eine Herr ist; der Herr, der uns in der Taufe allesamt gerufen hat?



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