Regensburg, 19. August 2023
Das Evangelium dieses Sonntags berichtet von einer kanaanäischen Frau, die Jesus um Heilung ihrer Tochter anfleht. Wird er ihr helfen? Der Blog zum Sonntagsevangelium.
20. Sonntag im Jahreskreis A – Matthäus 15,21-28
„In jener Zeit 21zog sich Jesus in das Gebiet von Tyrus und Sidon zurück. 22Und siehe, eine kanaanäische Frau aus jener Gegend kam zu ihm und rief: Hab Erbarmen mit mir, Herr, du Sohn Davids! Meine Tochter wird von einem Dämon gequält. 23Jesus aber gab ihr keine Antwort. Da traten seine Jünger zu ihm und baten: Schick sie fort, denn sie schreit hinter uns her! 24Er antwortete: Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt. 25Doch sie kam, fiel vor ihm nieder und sagte: Herr, hilf mir! 26Er erwiderte: Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den kleinen Hunden vorzuwerfen. 27Da entgegnete sie: Ja, Herr! Aber selbst die kleinen Hunde essen von den Brotkrumen, die vom Tisch ihrer Herren fallen. 28Darauf antwortete ihr Jesus: Frau, dein Glaube ist groß. Es soll dir geschehen, wie du willst. Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt.“
Eine Frau schreit energisch hinter Jesus her; er aber ignoriert die Frau. Den Jüngern ist das unangenehm. Sie fordern Jesus nicht auf, die Frau zu heilen: „Schick sie fort“, sagen sie, damit ist die peinliche Szene zu Ende. Jesus lässt sich auf den Dialog mit der Frau ein und heilt am Ende deren besessene Tochter. Diese äußere Form einer Heilungsgeschichte wird durch den Dialog Jesu mit der Frau um eine theologische Frage erweitert. Die Frau ist Kanaanäerin: Sie ist also keine Jüdin, gehört nicht zum Volk Israel. Damit stellt sich die Frage, ob Jesus überhaupt etwas mit dieser Frau zu tun hat. Geht sie ihn etwas an? Ist es die Sendung Jesu, auch den anderen Völkern die Frohe Botschaft zu verkünden? Auf den ersten Blick nicht: „Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt“, sagt Jesus und schließt die Frau, die nicht zum Haus Israel gehört, damit aus. Mehr noch: Man nimmt ja nicht den Kindern das Essen weg, um damit die die Haustiere zu ernähren. So soll das Evangelium auch nicht dem Haus Israel weggenommen werden, um damit die Fremden zu nähren.
Die Frage ist für die frühe Kirche wichtig: Die ersten Christen sind Juden; durch die Mission werden aber auch immer mehr Heiden zu Christen. Geht das denn? Diese Frage treibt auch den Evangelisten Matthäus um: Er beginnt sein Evangelium mit dem Stammbaum Jesu, in dem er dessen Herkunft aus dem Haus Israel begründet, gleichzeitig aber an mehreren Stellen auch die fremden Völker in den Blick nimmt (vgl. Mt 1,1ff.). Am Ende sendet Jesus die Jünger zu „allen Völkern“, um ihnen das Evangelium zu verkünden (vgl. Mt 28,19). Teilweise weisen die Exegeten auf die parallele Erzählung im Markusevangelium hin, wo Jesus im Gespräch mit der kanaanäischen Frau sagt: „Lasst zuerst die Kinder satt werden“ (Mk 7,27). Dieses „zuerst“ fehlt bei Matthäus; vielleicht gibt er der Frage damit eine grundsätzlichere Bedeutung: Nicht, ob das Evangelium „zuerst“ den Juden und dann den Völkern geoffenbart wird, ist die Frage – sondern ob das Evangelium überhaupt auch die heidnischen Völker etwas angeht.
Die Antwort ist: ja. Das Matthäusevangelium betont immer wieder die Sendung Jesu zum Volk Israel, aber dann auch zu den Völkern. Für uns wird das zur Aufforderung, niemandem das Evangelium vorzuenthalten. Wir dürfen die fremde Frau nicht – wie die Jünger das wollten – einfach fortschicken. Jesus ist allen Menschen gesandt. Es liegt an der Kirche, allen sein Evangelium verkünden. Wo „der Glaube groß ist“ (vgl. 15,28) wissen wir nicht immer im Vorhinein.
Text: Benedikt Bögle
(kw)