News Bild Dramatische Zuspitzung der humanitären Lage im Bistum Loikaw und ganz Myanmar

Dramatische Zuspitzung der humanitären Lage im Bistum Loikaw und ganz Myanmar

Bitte um Gebet!

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Myanmar, Loikaw, 30. Oktober 2023

Am 2. Oktober dieses Jahres hatte Bischof Celso Ba Shwe aus dem Bistum Loikaw in Myanmar (früher Birma) Bischof Rudolf Voderholzer besucht und über die katastrophale  humanitäre Lage von fast 50.000 Flüchtlingen in 160 Lagern in seinem Bistum wegen militärischer Auseinandersetzung zwischen der Militärregierung und deren Gegnern berichtet. Zu dieser Zeit waren von den 41 Pfarreien 20 Pfarreien komplett verlassen und nur 6 konnten normal arbeiten.  Schon zu Lichtmess dieses Jahres war der Erzbischof von Mandalay Gast im Bistum und hat ebenfalls von den dramatischen humanitären Folgen des Krieges berichtet.

Hintergrund der Besuche sind enge Beziehungen des Bistums in das südostasiatische Land. Seit über 20 Jahren finanziert das Bistum ein Stipendienprogramm für Laien aus den Bistümern Myanmars und seit Ausbruch des Bürgerkrieges nach dem Militärputsch vor fast 3 Jahren hat das Bistum mit 135.000 Euro humanitäre Unterstützung geleistet. Weitere Hilfe ist aktuell auf dem Weg.

Kathedralbezirk in Loikaw vom Militär besetzt – Bischof hat das Gelände verlassen   

Am Montag, 27. November hat nach übereinstimmenden Agenturberichten (ein direkter Kontakt ist schon seit Tagen nicht mehr möglich, weil das Internet abgeschaltet ist) das Militär das Pastoralzentrum neben der Kathedrale von Loikaw besetzt und für militärische Nutzung in Beschlag genommen. Bischof Celso Ba Shwe und die verbliebenen 82 Personen haben den Kathedralbezirk verlassen. Die Nacht zuvor war das Gelände unter schwerem Artilleriebeschuss mit 120 Millimeter Granaten, der unter anderem das Dach des Pastoralzentrums und die Decke von dessen Kapelle zerstört hat. Daraufhin war der Beschluss gefallen, aus Sicherheitsgründen das komplette Gelände zu verlassen. Es liegt in direkter Nachbarschaft zu Regierungsgebäuden und es gibt gute Gründe anzunehmen, dass es militärisches Kampfgebiet wird. Es wird vermutet, dass auch die Kathedrale von der Militärregierung als Schutzschild genutzt wird, weil sie davon ausgeht, dass die Widerstandsgruppen religiöse Orte wie die Kathedrale nicht angreifen werden. Den Gottesdienst zum Christkönigsfest am Sonntag. 26. November, das Patrozinium der Kathedrale, hatte der Bischof mit den verbliebenen Personen am Morgen noch im Pastoralzentrum gefeiert und für Frieden gebetet. Das war aus einem facebook-post zu erfahren.

Priesterseminaristen entführt – Senioren als lebendige Schutzschilde entführt

Bereits am Sonntag, 12. November hatte das Bistum Regensburg ein kurzer, aber dramatischer Hilferuf erreicht, der während laufender Gefechte mit den Worten endet: „Die Situation ist schlimm, bitte betet für uns!“ Am Samstagmorgen hatte das Militär das Seminar des Bistums besetzt, in dem Studenten, die Priester werden wollen, sich nach dem Schulabschluss auf den Eintritt ins Priesterseminar vorbereiten. Am Nachmittag nahm das Militär  beim Verlassen des Gebäudes  15 Seminaristen, fünf Angestellte einschließlich zweier Köchinnen und den Geistlichen Leiter Pater Leo Ne als menschliche Schutzschilde mit. Nach Verhandlungen des Bischofs wurden alle am Abend wohlbehalten freigelassen.

Am Sonntagnachmittag hat eine andere bewaffnete Gruppe, die nicht zugeordnet werden konnte, die Bewohner des Altenheims auf dem Gelände der Kathedrale zusammen mit den verantwortlichen Schwestern entführt. Zum Zeitpunkt der Mail war durch einen Anruf der verantwortlichen Schwester nur klar, dass sie in ein ihr unbekanntes Dorf gebracht worden waren. Einige Tage später fanden sie dann im Pastoralzentrum einer anderen Pfarrei Sicherheit.


Kurzfristig 1300 Flüchtlinge auf dem Kathedralgelände – Evakuierung in andere Pfarreien

Wegen der Kämpfe zwischen Militär und lokalen Widerstandsgruppen in der Stadt waren allein am Sonntag 12. November 571 neue Flüchtlinge auf das Gelände rund um die Kathedrale gekommen. Damit waren insgesamt über 1000 Flüchtlinge auf dem Kirchengelände. In den Tagen danach waren es bis zu 1300 Flüchtlinge, die vor Luftangriffen und Artillerie überall in der Stadt geflohen waren. Dutzende Zivilisten, darunter auch Kinder, sind dabei umgekommen. Tausende von Menschen sind in der Stadt gefangen, weil die Fluchtwege aus der Stadt blockiert sind. Etwa 80 Prozent der Bevölkerung der Stadt mit 50.000 Einwohnern ist es gelungen, die Stadt zu verlassen. Das Bistum Loikaw hat versucht, weiter zu helfen und im Laufe der letzten Woche war es möglich, etwa 1000 Menschen vom Kirchengelände in Gegenden zu bringen, die als sicherer gelten. Darunter waren auch der 80-jährige Altbischof Sotero, sowie ältere und gebrechliche Priester und Schwestern. Etwa 200 Menschen waren noch im Pastoralzentrum auf dem Gelände der Kathedrale geblieben und wurden von Schwestern versorgt. Darunter waren Behinderte, chronisch Kranke und auch Familien mit Kindern, die schon mehrfach die Lager wechseln mussten und nun einfach nicht mehr wechseln wollten oder konnten.

Nahrung und geschützte Behelfsunterkünfte

Tausende Einwohner von Loikaw sind in den Landesteil West Dimoso geflohen und brauchen dort Nahrung, Schutz vor dem Wetter und Decken. Bischof Celso freut sich, dass es gelungen ist, 600 Säcke Reis ins dortige Verteilzentrum der Diözese zu bringen. Dort gibt es aber schon seit langem zahlreiche Flüchtlinge, weil es in den vergangenen Monaten ein Zentrum der Kämpfe war. Für schon existierende Lager und für die neuen Lager werden die Vorräte nicht lange reichen. Inzwischen hat die verantwortliche Schwester aus dem Verteilzentrum dem Bischof von Loikaw mitgeteilt, dass sie keine Planen für Behelfsunterkünfte mehr hat und auch die Decken alle ausgegeben sind.

Dank für bisherige Unterstützung aus dem Bistum Regensburg

Bei seinem Besuch beim Regensburger Bischof hatte Bischof Celso Ba Shwe sich herzlich für die insgesamt 135.000 Euro aus dem Bistum Regenburg bedankt, die er für Katastrophenhilfe bereits verwenden konnte und um weitere Unterstützung gebeten, die auch schon nach Loikaw unterwegs ist. Über deren Verwendung wird zeitnah berichtet werden.


Bitte um Gebet

Die Kathedrale in Loikaw feiert ihr Patrozinium am Christkönigsfest und dieser Tag ist zu normalen Zeiten auch ein Festtag im ganzen Bistum. Vor dem Militärputsch vor nun fast drei Jahren war das ein Fest für die ganze Stadt und die Diözese mit traditionellen Tanzwettbewerben, Musik, Fahrgeschäften, und zahlreichen Essensständen. Dies war in diesem Jahr ganz anders. Bischof Celso Ba Shwe hatte im Bistum und auf facebook zu einer Novene vor dem Christkönigsfest aufgerufen, das heuer auf den 26. November gefallen ist. Seine damalige Mail hat er mit dem Aufruf zum Gebet und dem Bekenntnis: „Wir sind alle in der Hand des allmächtigen Gottes und wir werden das Christkönigsfest, unser großes Diözesanfest, feiern. Christus ist unser König, Christus ist unser Herrscher, Christus ist unser Sieg. Wir vertrauen darauf, dass er uns nicht verlassen wird!“ Den Gottesdienst zum Christkönigsfest konnte der Bischof noch feiern, wenn auch in kleinem Kreis. Am Tag danach, kurz vor der Flucht vom Gelände hat er in einem Brief nochmals inständig gebeten: „Bitte schließt uns weiter in Euren Gebeten ein“. Jetzt hat das Militär das Gelände übernommen und Agenturmeldungen sagen, dass der Bischof in einer entlegenen Pfarrei gut untergekommen ist und auch alle anderen sichere Plätze erreicht haben.

Lage eskaliert weiter

Nach Angaben der Vereinten Nationen sind allein seit Ende Oktober mit dem intensiver werdenden Kämpfen in vielen Landesteilen 200.000 neue Flüchtlinge zu den schon etwa 2,5 Millionen Flüchtlingen seit dem Militärputsch vor nun fast 3 Jahren hinzugekommen. Im gesamten Land leben gut 50 Millionen Menschen, die meisten sind Buddhisten, ca. 5 Prozent sind Christen, darunter etwa 1 Prozent der Bevölkerung Katholiken. Anders als im Landesdurchschnitt leben im Kaya-State (ca. 300.000 Einwohner), dessen Hauptstadt Loikaw ist, 45 Prozent Christen, darunter etwa 91.000 Katholikinnen und Katholiken.

Nach Einschätzung von Beobachtern ist Hintergrund der verschärften Auseinandersetzungen, dass die Gegner der Militärregierung in den letzten Wochen an vielen Fronten Erfolge erzielt haben. Um die Herrschaft in der Stadt Loikaw wird erbittert gerungen. Sie hat nach Einschätzung von Beobachtern strategische und auch pychologische Bedeutung und ist nur 210 Kilometer von der neuen Hauptstadt Naypydaw entfernt. Da die Militärregierung mit Bodentruppen keine großen Erfolge erzielen konnte und große Verluste befürchtet, setzt sie jetzt verstärkt auf Luftwaffe und Artillerie, die aber vor allem auch die Zivilbevölkerung trifft.

Text: Gregor Tautz, Myanmarbeauftragter im Bistum Regensburg
(jas)



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