News Bild Die Seelsorge wird immer wichtiger – Interview mit Gerhard Büchl
Die Seelsorge wird immer wichtiger – Interview mit Gerhard Büchl

Der Beitrag der Kirche für die Gesellschaft ist groß

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Regensburg, 28. Februar 2023

Mit dem kommissarischen Leiter der Hauptabteilung Seelsorge, Gerhard Büchl, sprachen wir darüber, was einen guten Seelsorger auszeichnet und warum die Kirche gerade in der Seelsorge Aufgaben übernimmt, die der Staat so nicht leisten kann.

 

„Lasst uns nicht müde werden, das Gute zu tun“ … heißt es im „Brief an die Galater“. Unter der Hauptabteilung Seelsorge sind die unterschiedlichsten Fachstellen versammelt, um nur einige zu nennen: Alleinerziehende, Notfall- und Telefonseelsorge, Ehe, Erwachsenenbildung, (Militärseelsorge,) Trauerpastoral, Umwelt, Gefängnisseelsorge, Frauenbund, Frauen- Familien- und Männerseelsorge, Hospiz etc.. Herr Büchl, was macht einen guten Seelsorger gerade vor dem Hintergrund des christlichen Menschenbildes aus?

Eine gute Seelsorgerin / ein guter Seelsorger kann gut beobachten und zuhören, ist im Gespräch einfühlsam und mit dem Gegenüber „auf Augenhöhe“. Ausgangspunkt für die Individualseelsorge ist die aktuelle Situation und Befindlichkeit der Gesprächspartnerin / des Gesprächspartners. Ein Blick auf das Leben und Wirken Jesu, der den (bedürftigen) Mitmenschen fragt „Was willst du, dass ich dir tun soll?“, ist hier ein guter Hinweis für Seelsorger/innen. Bei der Vertiefung des Seelsorgegesprächs kann eine kleine, biographische Reise hilfreich sein, um Hintergründe zur aktuellen Lebenssituation zu erfahren. Schließlich ist aber der Blick nach vorne zu richten, um gemeinsam nach auf Hoffnung gründenden Lebensperspektiven Ausschau zu halten.

Die Seelsorgerin / der Seelsorger hat ja die Frohe Botschaft Jesu Christi sozusagen verinnerlicht und kann deshalb in jeder Phase des Gesprächsverlaufs - je nach Ermessen - etwas davon aufscheinen lassen.
 

Gerhard Büchl


„Die Hauptabteilung Seelsorge ist das Fachzentrum für die pastorale Praxis der Diözese Regensburg. Wir verstehen uns als Begleiter für alle in der Seelsorge Tätigen. Wir wollen ein Ort der Vernetzung und des Austauschs sein“, heißt es auf Ihrer Webseite. Welchen Mehrwert hat gerade für die Seelsorge die Kirche für die Gesellschaft?

Es ist wohl unstrittig, dass in unserer heutigen Gesellschaft neben den sozialen und materiellen Nöten auch die seelischen Nöte größer werden, wobei sich die hier genannten Nöte gar nicht auseinanderdividieren lassen und in der Seelsorge natürlich ganzheitlich in den Blick zu nehmen sind. Es gibt also einen sogar wachsenden Bedarf an Seelsorge in unserer Gesellschaft, wobei sich gegenwärtig bei weitem nicht mehr alle im Bedarfsfall an die Kirche wenden. Die Kirche ist mit einer sehr breiten Palette an Seelsorgeangeboten präsent in der Gesellschaft, indem sie für diese Seelsorgeangebote hauptberufliches Personal und finanzielle Ressourcen bereitstellt sowie ehrenamtliches Mitarbeiter/innen begleitet, ausbildet und damit fördert. Die hauptberuflichen Seelsorger/innen finden gute Rahmenbedingungen für die eigene Aus- und Fortbildung sowie für die geistliche Begleitung vor und nutzen diese auch. Bei unterschiedlichsten Vernetzungstreffen wird dabei deutlich, dass alle – Hauptberufliche und Ehrenamtliche – auf ihre je eigene Weise der „Sache Jesu“ und damit den Menschen dienen.
 

Die Seelsorge ist das Kerngeschäft der Kirche: Menschen im Alltag oder bei einschneidenden Ereignissen ihres Lebens wie Geburt, Hochzeit und Tod zu begleiten. Mit ihren vielen Fachstellen decken Sie diese Facettenvielfalt ab. Worin unterscheidet sich ihre Arbeit von den Angeboten staatlicher Institutionen? Oder anders gefragt: Was ist das Surplus, dass Sie beisteuern können?

Der Staat hat in diesem Zusammenhang eher verwaltungstechnische Aufgaben und dokumentiert solche einschneidenden Ereignisse. Der pastorale Beitrag der Kirche geht weiter und tiefer. Er beleuchtet Werte und Sinn, die mit derartigen Lebenszäsuren einhergehen, will Mutmacher, Hoffnungsgeber, Chanceneröffner oder Trostspender sein und damit den Blick auf ein gelingendes, erfüllendes Leben, auf ein Leben in Fülle richten.
 

Die Gesellschaft verändert sich, die Schere zwischen arm und reich vergrößert sich. Flüchtlinge, Krieg, eine veränderte Sozialstruktur prägen den Alltag. Wie stellt sich die Seelsorge auf die Umbrüche ein? Also wie orientieren Sie sich mit Angeboten am Puls der Zeit?

Hier arbeiten wir verstärkt mit der Caritas zusammen, verwalten gemeinsam einen Hilfsfonds für Flüchtlingsarbeit. Ich trau mich behaupten, dass v.a. unsere Verbände, aber auch unsere Fachstellen „am Puls der Zeit“ sind und diese Veränderungen sehr schnell registrieren und daraus Konsequenzen für ihr Programm ziehen. Zudem hat die Hauptabteilung Seelsorge ganz aktuell eine Fachstelle „Kirche in Gesellschaft“ eingerichtet, die genau solche Veränderungen in den Blick nehmen und Handlungsvorschläge für die Kirche unterbreiten wird.
 

Das Ehrenamt hat immer schon eine große Rolle in der Seelsorge gespielt. Wie wird das künftig aussehen?

Das Ehrenamt wird künftig eine äußerst wichtige Rolle spielen. Ich will dabei gar nicht in erster Linie auf die rückläufigen Zahlen bei den hauptberuflichen Seelsorgern/-innen eingehen, denn es würde den Ehrenamtlichen in keiner Weise gerecht, hier „Lückenfüller“ zu sein. Wenn wir uns als pilgerndes Volk Gottes verstehen, dann ist hier jede und jeder mit den eigenen Begabungen, Talenten, Kompetenzen usf. gefragt, tatkräftig und verantwortungsvoll mitzuwirken. Eine gute und qualifizierte Begleitung und Fortbildung Ehrenamtlicher ist dafür unerlässlich und zukunftsweisend. Die Katechistenausbildung, die die Diözese in diesem Jahr startet, ist ein Beispiel dafür. Es geht aber um weit mehr, nämlich um eine flächendeckende Aufwertung des Ehrenamts in allen Bereichen der Kirche.
 

Wie gelingt es Ihnen in Zeiten einer Gesellschaft, die sich zunehmend säkularisiert kirchenferne Menschen erreichen?

Zum Beispiel indem wir dort, wo wir bereits tätig sind, gute Arbeit machen, weil dies auch weitererzählt wird; also v.a. in den Feldern, wo wir Angebote für alle Menschen - unabhängig von der Konfession – bereithalten, z.B. - um nur einige aufzuzählen - in der Krankenhaus- und in der Hospizseelsorge, in der Beratungsarbeit und in der Krisenpastoral, in der Telefonseelsorge und in der Betriebsseelsorge, in der Jugendarbeit und der Erwachsenenpastoral, bei den Verbänden und im Bildungsbereich, …

Kurz gesagt: Wenn „Fernstehende“ voller Respekt sagen: „Seht, wie sie miteinander und mit ihren Mitmenschen umgehen!“

 

Fragen: Stefan Groß

 



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