"Die Mutter Gottes und ihr Geheimnis" - Papst Franziskus' Interview über Maria als Buch
"Maria kann nicht die Mutter der Korrupten sein, denn die Korrupten verkaufen ihre Mutter, sie verkaufen ihre Zugehörigkeit zu einer Familie, zu einem Volk. Sie sind nur auf den eigenen Vorteil aus, sei er nun ökonomisch oder intellektuell oder politisch oder welcher Art auch immer. Sie treffen eine egoistische, ich möchte sagen satanische Entscheidung: Sie schließen die Tür von innen zu", sagte Papst Franziskus im vergangenen Jahr in einem Fernsehinterview zum "Gegrüßet seist du, Maria". Maria könne die Fesseln des Egoismus aufbrechen, so Franziskus. Dieses Interview über die Gottesmutter wurde vom italienischen Priester und Journalisten Don Marco Pozza für den Fernsehsender TV 2000 geführt und ist nun in deutscher Übersetzung beim Herder-Verlag erschienen.
Gespräch über die Gottesmutter
Stück für Stück gehen darin Marco Pozza und Papst Franziskus das alte Gebet durch. Es ist mehr ein Gedankenaustausch denn ein Interview. Jede einzelne der an Maria gerichteten Bitten meditiert der Papst und überlegt, was der Gruß des Engels an Maria zu bedeuten habe: "Der Herr ist mit dir." Er sinnt über die Bedeutung der Menschwerdung Jesu Christi und auch über die abschließende Bitte des Beters, der Maria und ihr fürbittendes Gebet in der Stunde des Todes um sich wissen möchte.
Die Heiligkeit Mariens
Es ist ein für Papst Franziskus typischer Text, die Worte eines sorgenden Hirten, in denen immer wieder das Thema der Heiligkeit durchbricht; nicht auf Maria beschränkt, sondern auf alle heiligen Frauen und Männer der Geschichte. Viele Bilder, die Papst Franziskus benutzt, erinnern an das apostolische Schreiben "Gaudete et exsultate" (GE), in dem der Ruf der Heiligkeit an alle getauften Christen im Mittelpunkt stand. Es kommt ein Verständnis von Heiligkeit zum Ausdruck, das schon in "Gaudete et exsultate" Thema war: Die Heiligkeit der einfachen Menschen. Auch Maria, das betont der Papst mit Nachdruck, war für ihn eine einfache Frau, die nach der Begegnung mit dem Engel des Herrn zunächst alleine stand: "Wir können an all die alleinstehenden Frauen denken, die zuhause alles in Gang halten, die alleine die Kinder erziehen. Maria ist sogar noch alleinstehender als sie." Heiligkeit ist damit für den Heiligen Vater kein Ruf an einige wenige Christen, sondern an alle, die getauft sind und zu Jesus Christus gehören. Gerade in den kleinen Dingen kann der Grundstein für diese christlich verstandene Heiligkeit gelegt werden.
Kampf gegen das pelagianische Denken
Viele Ausdrücke dieses Interviews dürfen als für Papst Franziskus typisch gelten. Sie sind pointiert und eingänglich. Etwa: "Heiligkeit heißt, Gott machen zu lassen. Wir dürfen nicht vergessen, dass einer der Feinde der Heiligkeit das pelagianische Denken ist, das nicht die Gnade, sondern den menschlichen Willen betont." Auch diese kritische Auseinandersetzung mit dem pelagianischen Gedankengut war in "Gaudete et exsultate" bereits präsent; gegenwärtige Ausprägungen des Pelagianismus scheinen Papst Franziskus wirklich Sorgen zu bereiten. Pelagius war ein antiker Denker, der - in geistiger Auseinandersetzung mit Augustinus - nicht nur die Gnade Gottes, sondern auch die Werke des Menschen betonte. Im Verlauf der Geschichte hat dieser dogmatische Ansatz immer wieder Zuspitzungen erfahren.
Die Bedeutung Marias für das Heilsgeschehen
Daneben denkt Papst Franziskus Maria auch im Gegensatz zu Eva: Durch Eva kam die Sünde in die Welt, Maria gilt ihm als die Tür, durch die Erlöser in die Welt kam und so die Neuschöpfung in Gang setzte. Die Interviewtexte sind jeweils flankiert von Auszügen aus Predigten des Papstes. Ein schönes kleines Buch ist so entstanden, ein leichtes Gespräch über die Bedeutung Mariens für das Heilsgeschehen, die Kirche und den katholischen Glauben.
Papst Franziskus: Ave Maria. Die Mutter Gottes und ihr Geheimnis
Herder 2019, 144 Seiten, EUR 18