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Der Reichtum des Glaubens

Kirche als Heimat

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Regensburg, 11. April 2023

Wie kann heute – in einer weithin glaubensarmen Zeit – vom Reichtum des Glaubens gesprochen werden? Die Wahrheit des christlichen Glaubens ist, so Papst Franziskus, „anziehend und gewinnend, denn sie antwortet auf die tiefen Bedürfnisse des menschlichen Daseins, wenn sie auf überzeugende Weise verkündet, dass Christus der einzige Retter des ganzen Menschen und aller Menschen ist.

Diese Botschaft bleibt heute gültig, wie sie es von Anbeginn des Christentums war“ (Papst Franziskus, „Und jetzt beginnen wir diesen Weg“. Die ersten Botschaften des Pontifikats, Freiburg 2013, 25). Und Papst Franziskus fährt fort: „Vor allem … müssen wir in der Welt den Durst nach dem Absoluten lebendig halten, indem wir nicht zulassen, dass eine nur eindimensionale Sicht des Menschen überhandnimmt, nach der der Mensch auf das beschränkt wird, was er produziert und was er konsumiert: Das ist eine der größten Gefahren für unsere Zeit“ (ebd., 51).

Eine neue Etappe der Evangelisierung

In seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“ (2013) lädt Papst Franziskus jeden Christen ein, „noch heute seine persönliche Begegnung mit Jesus Christus zu erneuern oder zumindest den Entschluss zu fassen, sich von ihm finden zu lassen, ihn jeden Tag ohne Unterlass zu suchen“ (Apostolisches Schreiben „Evangelii gaudium“ über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute, Bonn 2013, Nr. 3). Der Papst erhofft sich für die gesamte Kirche eine „neue Etappe der Evangelisierung voller Eifer und Dynamik“ (ebd., Nr. 17). „Wie wünschte ich die richtigen Worte zu finden, um zu einer Etappe der Evangelisierung zu ermutigen, die mehr Eifer, Freude, Großzügigkeit, Kühnheit aufweist, die ganz von Liebe erfüllt ist und von einem Leben, das ansteckend wirkt!“ (ebd., Nr. 261)

Kirche in Personen erleben

Wir leben heute in einer Zeit radikaler Kirchenkritik. Wo liegen die Ursachen dafür? Kirche wird von vielen oft nur als „Apparat“ gesehen. Der hl. Augustinus hingegen hat in seiner Mutter Monika „die Kirche als Person“ erlebt, die Kirche persönlich, sodass ihm die Kirche nicht als irgendein Apparat erschien. In seiner Mutter war Kirche „persönlich da“ (Joseph Ratzinger, Kirche – Mutter und Heimat. Predigt bei der Kirchweihe in München St. Monika am 1. Adventssonntag, 29. November 1981, in: ders., Kirche – Zeichen unter den Völkern. Schriften zur Ekklesiologie und Ökumene. Zweiter Teilband, [Joseph Ratzinger Gesammelte Schriften, Bd. 8/2], Freiburg 2010, 1351 f). Monika war für ihren Sohn „Kirche in Person“; deshalb konnte er der Kirche vertrauen und ein Mensch der Kirche werden. Nur weil er Kirche persönlich erlebt hatte und wusste, dass Kirche Mutter ist, nicht phrasenhaft, sondern wirklich, indem sie einen Raum zum Leben, zur Freiheit, zur Hoffnung und zum Sinn gibt, nur deswegen konnte Augustinus auch so groß und leuchtend von Kirche sprechen und sie selbst bezeugen. Heute gibt es deswegen so viel Misstrauen und Abneigung gegenüber der Kirche und – selbst unter gläubigen Menschen – so wenig Zutrauen und Liebe zur Kirche, weil wir die Kirche so wenig persönlich erleben. Wir hören von ihr nur als Struktur und Amt und Apparat. Aber Kirche wird nur dann bestehen können, wir in ihr nur dann Wurzeln schlagen und sie uns nur dann Heimat sein können, wenn sie wieder stärker in Personen, die den Glauben überzeugend und vorbildlich leben, präsent ist.

Ein Prozess der Respiritualisierung?

„Heute leben wir in einer positivistischen und agnostischen Kultur, die sich gegenüber dem Christentum zunehmend als intolerant zeigt“ (Benedikt XVI., Letzte Gespräche. Mit Peter Seewald, München 2016, 261). Aber vielleicht erleben wir heute in der westlichen Welt auch den langsam einsetzenden Prozess einer Respiritualisierung. Der Journalist Alexander von Schönburg hat in einem Beitrag über den Roman „Unterwerfung“ (2015) des französischen Schriftstellers Michel Houellebecq davon gesprochen, dass Einsichten „manchmal aus unerwarteten Richtungen“ (A. von Schönburg, Prozess der Respiritualisierung, in: Die Tagespost vom 14.11.2015, S. 9) kommen. Es gibt neben diesem Roman „Unterwerfung“ – so von Schönburg – „schlicht kein zweites Buch“, das „Europas gegenwärtigen Abfall von der Religion gekonnter darstellt“. Schon in seinem Roman „Karte und Gebiet“ (deutsch 2011; französisch 2010) hatte Houellebecq die Hohlheit des Kunst- und Kulturbetriebs, der für die europäische Elite zur wichtigsten Ersatzreligion geworden ist, entlarvt. Der Autor lässt in „Karte und Gebiet“ einen Galeristen sagen: „Wir sind an einem Punkt angelangt, wo der Markterfolg jeden Mist rechtfertigt“ (zitiert nach: ebd.).

Eine Gesellschaft ohne Religion kann nicht bestehen

Anlässlich des Erscheinens seines Romans „Unterwerfung“ gab Houellebecq einige Interviews, in denen er Folgendes sagte: „Wir wohnen einer Rückkehr des Religiösen bei. … Das Glaubens- und Wertesystem verändert sich. … Der Rationalismus wird von immer mehr Menschen als erstickend empfunden. Es gibt eine spirituelle Macht, die noch aktiv ist und sogar wieder erstarkt. … Der Atheismus weicht zurück, er stirbt an seinen eigenen Zweifeln. Ich teile die Ansicht des Philosophen Auguste Comte, dass eine Gesellschaft ganz ohne Religion nicht fortbestehen kann. Ihr droht die völlige Desintegration. … Persönlich bin ich überzeugt, dass noch viel Kraft im Katholizismus steckt. Ich glaube, er hat Zukunft … Der Laizismus, vor über 100 Jahren erfunden von Politikern, die im Atheismus die Zukunft sahen, ist tot“ (zitiert nach: ebd.). Schönburg stellt angesichts solcher Äußerungen des Schriftstellers die Frage: „Sind wir uns eigentlich im Klaren darüber, was das für einen Paradigmenwechsel bedeutet, wenn der prominenteste linke Denker Frankreichs von einem Prozess der Respiritualisierung spricht? ... Die Geschichte der Houellebecq-Bücher liest sich bislang wie eine Bekehrungsgeschichte“ (ebd.; vgl. auch M. Houellebecq, Gesammelte Gedichte, Köln 2016; zu diesem Gedichtband: Hendrik Ter Mits, Die metaphysische Not benennen. Michel Houellebecqs „Gesammelte Gedichte“ drücken eine Suche nach Sinn aus, in: Die Tagespost vom 15.10.2016, S. 23). Tatsächlich hatte der Autor – wie er in einem Interview erwähnt – für seinen Roman „Unterwerfung“ ursprünglich den Titel „Bekehrung“ vorgesehen.

Kirche – Heimat für die Glaubenden

Der Jesuit Hermann Zeller (1914-2014) hat ein Buch geschrieben mit dem Titel „Kirche – Heimat des Glaubens“ (Innsbruck 1980). Viele Anzeichen – so Pater Zeller – deuten darauf hin, dass in Zukunft wieder mehr Menschen ihren Blick auf die Kirche richten werden. Denn im Grunde sehnen sich alle danach, „in dieser brutalen Welt einen Raum der Zuflucht …, der Herzenswärme, der Stille, der alles heilenden Gegenwart Gottes zu finden“ (ebd., 93). Wir können nur Christen sein, wenn wir uns von der Wirklichkeit Gottes in unserer Welt betreffen lassen. „Ideen und Ideale, Hoffnungen und Ängste allein genügen nicht“ (ebd., 52). Christen kennen die „selig-dankbare Erschütterung“ über die Anwesenheit Gottes in Christus und seiner Kirche. In den gleichbleibenden Schicksalsfragen unseres Daseins brauchen wir – genauso wie die ersten Christen – „Gebet und Mut. Ohne Gebet verliert das Leben seinen Tiefgang und strandet im Seichten. Ohne Mut drücken wir uns an den eigentlichen Aufgaben vorbei“ (ebd., 56).

Neue Lebenskraft und neuer Geist

Es ist „keine Kleinigkeit“, im Namen Gottes zu sprechen und zu handeln. Schon der hl. Paulus hat sein Apostolat als eine schwere Verantwortung empfunden (vgl. 2 Kor 4,7-18). „Es hängt viel davon ab, dass wir auch leben, was wir verkünden. Aller Dünkel der Selbstgefälligkeit und des Ehrgeizes, alles Buhlen um die Gunst der Menschen ..., alle Kleinlichkeit von Besserwisserei und Rechthaberei – was immer an menschlichen Mängeln das Evangelium verdunkeln kann, ist abzulegen“ (ebd., 60 f). So steht die Kirche angesichts ihres übernatürlichen Auftrags ständig in einem Prozess der Läuterung. „Sosehr die Kirche unter den Mängeln ihrer Glieder leidet, so unzerstörbar ist sie in ihrem Kern. Von Christus, ihrem Haupt, geht immer neue Lebenskraft und neuer Geist aus – oft dorthin am meisten, wo wir es nicht erwarten, zu den Armen, Schlichten, Gütigen und Friedliebenden. … Sie überleben die Korruption von Lüge und Streit, Genusssucht und Gewalttätigkeit“ (ebd., 61).

Das prophetische Wort

Die Kirche braucht heute – so Hermann Zeller – dringend das prophetische Wort, „das ihre Selbstkritik wachhält, ihre Spiritualität schützt, Missverständnisse aufhellt, die Stimme Gottes und des Gewissens aus dem Tageslärm herausholt“ (ebd., 62). Denn heute werden die Menschen vielfach „eine leichte Beute ... für Schlagworte und Modeströmungen. Es sinkt der Kurswert der großen, zeitlosen Grundhaltungen: der Anbetung Gottes, der inneren Sammlung, um wirklich `mit ganzer Seele und aus allen Kräften´ (Mk 12,30) glauben, hoffen und lieben zu können. Es sinkt der Kurswert des Gehorsams und der Ehrfurcht, der Reinheit und Wahrhaftigkeit, der Logik einmal gewonnener Einsichten und einmal gefasster Entschlüsse“ (ebd., 65 f). Hermann Zeller ist der Überzeugung, dass die Kirche die Aufgabe Christi in alle Räume und Zeiten der Geschichte fortsetzt: „nämlich Zeichen des Heils zu sein, sichtbare Erscheinung der welterlösenden Gnade Gottes, Unterpfand der Hoffnung für alle Menschen, Ausdruck der Rettung aller, die sich ihrem Retter zuwenden“ (ebd., 107).

Text: Domkapitular Prof. Dr. Josef Kreiml, Bilder: Pfarrei Pförring, Pfarrei Poppenricht (Plakat)



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