Der heilige Wolfgang als „Zentralgestalt Europas“ – Bischof Rudolf Voderholzer sprach beim Namensfest des Patrons in Graz
Langsam wird es zur Tradition, dass sich am 30. Oktober, am Vorabend des Namensfestes des heiligen Wolfgang, mehr als 20 Männer, die diesen Namen tragen, in der Grazer Pfarrei St. Vinzenz zu einem Fest treffen. Der Einladende ist ein Priester, der selbst Wolfgang heißt: Wolfgang Pucher, 80-jähriger Armenpfarrer, Träger zahlreicher hoher staatlicher und zivilgesellschaftlicher Auszeichnungen, der wegen seines Engagements für die Obdachlosen und Gestrandeten dieser Gesellschaft auch gerne als "Rebell Gottes" bezeichnet wird.
Pfarrer Pucher hatte vor sieben Jahren die Idee, Freunde und Bekannte mit dem Vornamen Wolfgang in seine Pfarrei zu einem gemütlichen Abend zu laden, um "den Namenstag zu begehen, der von den überschwenglichen Feiern der Geburtstage in unserer Gesellschaft oft überdeckt wird". Am Mittwochabend war es wieder soweit und viele "Wolfgänge" kamen: Ein Moped-Mechaniker und ein Mitglied der Akademie der Wissenschaften, ein Grazer Stadtrat und ein Universitätsprofessor für Völkerrecht, Ärzte und Apotheker, der evangelische Superintendent der Steiermark, katholische Theologen und Priester, Wirtschafter und Journalisten, Beamte.
Integrative Kraft in Zeiten der Fragmentierung
Ehrengast - auch wenn er den Vornamen Rudolf trägt - war der Regensburger Bischof Voderholzer. "Als 65. Nachfolger des Heiligen Wolfgang auf dem Bischofsstuhl von Regensburg sind Sie uns herzlich willkommen." Mit diesen Worten begrüßte Pucher den Gast, der extra zu diesem Treffen in die steirische Landeshauptstadt angereist war. Bischof Voderholzer charakterisierte in seiner Festrede den heiligen Wolfgang dann als eine Zentralgestalt Europas, der heute - "in einer Zeit der Fragmentierung und Individualisierung" - wieder eine große integrative Kraft entfalten könnte.
Lichtgestalt gegen den Nationalismus
Besonders klar positionierte Voderholzer den Schutzpatron des Bistums Regensburg als Lichtgestalt gegen den in den letzten Jahren wiederaufkeimenden Nationalismus: "Bischof Wolfgang wurde in Schwaben geboren, hat in der Schweiz gelebt, hat in Ungarn missioniert, war Bischof in Regensburg und ist in Österreich, Pupping bei Linz, gestorben." Wolfgang gehöre damit, so wie auch Elisabeth von Thüringen und der heilige Martin, zu den "Bindegliedern Europas". Diese Persönlichkeiten, die die katholische Kirche in Europa stark geprägt hätten, lassen den Schluss zu: "Das Christentum ist völkerverbindend und nicht völkertrennend, erklärte Voderholzer, der damit aber nicht einer transnationalen Einheitskultur das Wort redete, sondern regionale Eigenheiten durchaus begrüßte: "Schon der heilige Wolfgang hat von Regensburg aus das Bistum Prag im Jahre 973 in die Freiheit entlassen, was sicher zu einer böhmischen Identitätsfindung - auch einer politischen - beigetragen hat."
Von den legitimen regionalen Eigenständigkeiten wollte Bischof Voderholzer aber den Nationalismus des 19. Jahrhunderts klar abgesetzt wissen, der gleich zwei Mal im 20. Jahrhundert Elend über Europa gebracht hat. Diesem stellte Bischof Voderholzer "den großen Segen der Kirche" entgegen, die "über die Nationalität hinausblickt". Als Beispiele für die transnationale Einheit im Glauben nannte Voderholzer neben den Heiligen auch noch die Kirchen mit ihren besonders beeindruckenden gotischen Domen, sowie die Pilgerwege, die quer durch Europa transnational diese Orte verbinden.
Bei seiner Betrachtung Europas und dessen Leistungen erwähnte Bischof Voderholzer aber nicht die christlichen Leistungen allein, sondern er zitierte den ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Theodor Heuss, der Europa auf drei Hügeln erbaut sah: auf der Akropolis, die für Philosophie und Wissenschaft steht, dem Kapitol in Rom mit seiner Rechtstradition und Golgotha mit seinem biblischen Erbe.
Am Ende seiner Ausführungen schlug Bischof Voderholzer die Brücke zu seinem Gastgeber Pfarrer Wolfgang Pucher, wenn er bemerkte: "Ein Blick in die Geschichte zeigt uns, dass dort, wo Gotteshäuser und Klöster errichtet wurden, auch immer Spitäler gebaut wurden. Und wenn aus der Gottesverehrung die Zuwendung zu den Armen nicht kommt, dann stimmt mit der Gottesverehrung etwas nicht." Eine bischöfliche Bestätigung der unermüdlichen Arbeit Puchers, der unter anderem eine Nachtschlafstelle, eine Krankenstube mit ärztlicher Betreuung, den Verkauf von gebrauchten Kleidungsstücken, Sozialmärkte und rechtliche Unterstützung für in Not geratene Frauen initiiert hat.