Bundesfachtagung der Betriebsseelsorge diskutiert im Exerzitienhaus Haus Johannisthal
Demokratie macht nicht am Werkstor halt!
Windischeschenbach, 29. Juni 2023
Erstmals kamen in der vergangenen Woche Betriebsseelsorgerinnen und Betriebsseelsorger aus ganz Deutschland zu ihrer jährlich stattfindenden dreitägigen Bundesfachtagung in die Oberpfalz und damit in die Diözese Regensburg. Mit dem Haus Johannisthal hatten die einladende Bundeskommission für die 53 Teilnehmenden einen Tagungsort gewählt, welcher exzellente Voraussetzungen für intensives Arbeiten, aber auch für das gemeinsame Feiern mit Verabschiedung von ausscheidenden Kollegen bot. Die diesjährige Tagung stand unter dem Thema „Demokratie macht nicht am Werkstor halt! Miteinander an einer Mitbestimmung der Zukunft arbeiten.“
Intensive Werkstattarbeit
Betriebsseelsorgerinnen und Betriebsseelsorger haben von Haus aus guten Kontakt zu Gewerkschaften, noch mehr aber zu den Arbeitnehmervertretungen. Aus der täglichen Arbeit mit Betriebsräten wisse man um die Chancen aber auch um die Probleme und die Grenzen der Mitbestimmung, so Christian Bindl (München), einer der beiden Bundessprecher. Dabei hätten derzeit nicht nur die großen Umwälzungen und Veränderungen in der Arbeitswelt spürbare Auswirkungen auf die Beteiligungsmöglichkeiten und Beteiligungsrechte von Arbeitnehmervertretungen. Bewusst wollte man sich daher näher mit der „Zukunft der Mitbestimmung“ befassen, auch wenn man nicht genau vorhersehen könne, wie sich die Situation in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft künftig tatsächlich entwickeln werde. Ausgangspunkt für die Arbeit waren vier von der Hans-Böckler-Stiftung vorgelegte vermeintliche Szenarien, die von den Tagungsbesuchern in intensiver “Werkstattarbeit“ auf Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten für betriebliche Interessensvertretungen abgeklopft wurden. Im Fokus stand dabei immer auch die Frage nach der Rolle der Betriebsseelsorge. Dazu hatten die Mitarbeitenden der Betriebsseelsorge bereits im Vorfeld Interviews mit zahlreichen Betriebsratsgremien geführt.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Bundesfachtagung Betriebsseelsorge nach dem gemeinsamen Gottesdienst mit Generalvikar Msgr. Dr. Roland Batz vor dem Portal der Kapelle in Haus Johannisthal.
Johannisthaler Erklärung der Betriebsseelsorge
Nach der Werkstattarbeit wurden erste Ergebnisse gleich in einer Podiumsrunde mit Fachleuten diskutiert. Aus München war dazu der bayerische DGB-Chef Bernhard Stiedl gekommen. Seitens der IG Metall war Peter Kippes von der Frankfurter Zentrale angereist und mit den Betriebsratsvorsitzenden Karin Roderer (Porzellanfabrik Seltmann, Weiden) und Inge Frank (emz Hanauer, Nabburg) waren zudem engagierte Praktikerinnen auf dem Podium vertreten. Wie Richard Wittmann, der Co-Sprecher der Bundeskommission und Leiter der Regensburger Betriebsseelsorge ankündigte, sollen die Ergebnisse der Beratungen in eine „Johannisthaler Erklärung der Betriebsseelsorge“ einfließen, deren Veröffentlichung für Herbst geplant ist.
Fernfahrerseelsorge auf Park- und Rastplätzen
Ausführliche Berichte aus den verschiedenen Arbeitsgruppen der Bundeskommission gaben anschließend vor allem den neuen Kolleginnen und Kollegen Einblick in Arbeitsfelder, die oftmals, wenn auch regional sehr unterschiedlich, zur klassischen Betriebsseelsorgetätigkeit hinzukommen. So bestehe derzeit ein großes Interesse für eine Zusatzqualifizierung in Mobbing- und Konfliktberatung, da die Nachfrage von Betroffenen hier stark steige. In der Fernfahrerseelsorge wolle man in einigen Regionen die Gesprächs- und Unterstützungsangebote auf Park- und Rastplätzen ausbauen. Neu gegründet hat sich eine Arbeitsgruppe „Arbeitsmigration“ um diözesane Angebote für die vor allem als Paketzusteller, Erntehelfer oder im häuslichen Pflegebereich tätigen Arbeitsmigranten künftig stärker zu vernetzen.
Mit Generalvikar Msgr. Dr. Roland Batz diskutierten die Teilnehmenden der Bundesfachtagung Betriebsseelsorge über aktuelle Herausforderungen für die Kirche in Bezug auf Wirtschaft, Arbeitswelt und Gesellschaft. Generalvikar Batz hier zusammen mit den beiden Bundessprechern Christian Bindl (München und Freising) und Richard Wittmann (Regensburg).
Generalvikar Dr. Roland Batz: Mutig für Gerechtigkeit einsetzen
Bei einem Oberpfälzer Abend, lernten die bis aus Aachen und Freiburg angereisten Seelsorgerinnen und Seelsorger nicht nur die regionale Zoiglkultur kennen, sondern beherrschten nach den musikalischen Beiträgen von Liedermacher Hubert Treml schließlich auch etwas Oberpfälzer Mundart. Die Verabschiedung von „altgedienten“ Kollegen machte deutlich, dass die Betriebsseelsorge zunehmend „jünger und weiblicher“ wird. Durchaus ein Hoffnungszeichen für die betriebsbezogene Arbeitnehmerseelsorge in den deutschen Bistümern.
Am letzten Tag ihrer Konferenz feierten die Teilnehmenden zusammen mit Generalvikar Msgr. Dr. Roland Batz Eucharistie in der Hauskapelle des Bildungshauses. Anknüpfend an die Schrifttexte vom Johannistag ermutigte Dr. Batz die Betriebsseelsorgerinnen und Betriebsseelsorge stets ebenso mutig wie Johannes der Täufer aufzutreten und klar Position zu beziehen, wenn es um den Einsatz für Gerechtigkeit geht und wenn die Würde des Menschen in der Arbeitswelt unter die Räder zu kommen droht. Er schloss mit einem herzlichen „Vergelts Gott“ an alle Mitarbeitenden in der Arbeitnehmer- und Betriebsseelsorge für deren wichtigen Dienst in einem sehr speziellen pastoralen Arbeitsfeld.
Den Abschluss der Tagung bildete eine Austauschrunde mit dem Generalvikar, der selbst viele Jahre lang Leiter der Betriebsseelsorge im Bistum Regensburg war, über aktuelle Herausforderungen für die Kirche in Bezug auf Wirtschaft, Arbeitswelt und Gesellschaft.
Text: Richard Wittmann/jas, Fotos: Betriebsseelsorge Bistum Regensburg