News Bild Brauchtum und Geschichte: Vom Glauben und Aberglauben bei Unwettern – und vom gefährlichen Wetterläuten
Brauchtum und Geschichte: Vom Glauben und Aberglauben bei Unwettern – und vom gefährlichen Wetterläuten

„Vor Blitz und Ungewitter – verschone uns o Herr“

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Regensburg, 29. Juli 2022

Früher, als die Menschen noch nicht wussten, wie Donner und Blitz entstehen, war ein Gewitter noch bedrohlicher als heute. Besonders gefürchtet waren die Hagelschauer, die in kürzester Zeit eine ganze Ernte vernichten konnten, was oft den wirtschaftlichen Ruin für die Bauern bedeutete. Und so gab es eine Reihe von Heiligen, die als „Wetterpatrone“ bei Unwettern angerufen wurden. „Wenn’s donnert und blitzt wachen die Gebetbücher auf“, lautet eine alte Volksweisheit. Und es verwundert nicht, dass bei Gewittern um Beistand von oben gebetet wurde, um Unglück von Haus und Hof abzuwenden.


Glaube und Aberglaube

Sobald das Unwetter aufzog, wurde die auf Lichtmess geweihte schwarze Wetterkerze angezündet. Schutz- und Segenswirkung erhoffte man sich auch von den Palmzweigen, die am Palmsonntag geweiht worden waren. Sie wurden an das Kruzifix oder ein Heiligenbild gesteckt und in Haus und Stall aufgehängt. Bei drohendem Gewitter warf man einige Palmzweige in das Herdfeuer. Als noch wirksamer gegen Blitz und Donner galten die an Mariä Himmelfahrt geweihten Kräuterbüschel. Die Königskerze, die meist den Mittelpunkt bildete, wurde zum Schutz vor Unwetter an das Hausdach gesteckt. Bei einem schweren Gewitter warf die Hausfrau getrocknete Blüten und Blätter aus dem Weihbüschel ins Feuer. Der Rauch sollte Blitz und Hagel vertreiben. Auch ein Haselnusszweigerl mit Laub und drei Nüssen dran galt als blitzabweisend, ebenso wie ein an Ostern geweihtes Ei, in einen Lappen gewickelt und auf dem Dachboden aufgehängt.
Weit verbreitet war der Glaube, dass Häuser, auf denen Störche und Schwalben nisten, vom Blitz verschont blieben. Auch in ein Haus mit einem Neugeborenen würde kein Blitz einschlagen, glaubte man. Holz von einem Baum, in den der Blitz eingeschlagen hatte, durfte nicht als Bauholz verwendet werden, denn es würde den „Blitz anziehen“. Aus solchem Holz stellte man Keile her, die als „Donnerkeile“ im Haus aufbewahrt wurden und so vor Schaden schützen sollten. Als besonderes wirksam galt die Hauswurz. Der Glaube an die Gewitter abhaltende Kraft einer Hauswurz auf dem Dach war schon in der Antike verbreitet.

 

„Vivos voco. Mortuos plango. Fulgura frango."

Seit jeher waren die Menschen überzeugt, mit Lärm das Böse vertreiben zu können. Auch das Wettergeschehen glaubte man, durch Lärm beeinflussen zu können. Noch zur Zeit unserer Großeltern ertönte bei einem aufziehenden Unwetter vom Kirchturm die Wetterglocke. Ihr lauter Klang sollte die Gewitterwolken „zerschlagen“. Der erste Nachweis über das Wetterläuten findet sich im Jahr 857. Da schlug nämlich der Blitz in den Dom zu Trier, worauf man zur Abwehr weiterer Gefahren die Glocken in Bewegung setzte. Um die Wirkung der Wetterglocken zu erhöhen, begann man im 17. Jahrhundert, die Glocken schon beim Gießen mit Inschriften zur Abwehr von Gewitter zu Blitz zu versehen. So erhielt eine Glocke für das Schaffhausener Münster im Jahr 1486 die Inschrift: „Vivos voco. Mortuos plango. Fulgura frango." (=Die Lebenden rufe ich. Die Toten beklage ich. Die Blitze breche ich.)

Wie ernst das Läuten der Wetterglocken genommen wurde, zeigt auch ein Hinweis im Handbuch des Deutschen Aberglaubens. Hier wird von der erbitterten Feindschaft zweier Dörfer berichtet. Grund für den Streit war eine Wetterglocke mit „besonders scharfem Ton“, durch den die Unwetter vom eigenen Dorf ferngehalten und zum benachbarten Ort getrieben würden.

 

Gefährliches Wetterläuten

Doch das Wetterläuten war keine ungefährliche Aufgabe. Immer wieder kamen Glöckner beim Läuten der Wetterglocke ums Leben. So berichtet der Astronom und Mathematiker Johann Nepomuk Fischer (1749-1805), dass Berechnungen zufolge innerhalb von 30 Jahren fast 190 Glocken beim Wetterläuten vom Blitz getroffen worden seien und dabei 103 Läuter getötet wurden. Im Jahr 1784 verbot Kurfürst Karl Theodor das Wetterläuten in Bayern, da bewiesen sei „dass das Glockenläuten bei Gewittern mehr schädlich als nützlich ist“. Doch nicht überall hielt man sich daran. In Passau erteilte das bischöfliche Offizium 1798 die Genehmigung, die Glocken bei Gewittern wieder zu läuten. Kurz darauf wurde ein Läuter vom Blitz erschlagen, in einem anderen Dorf zerschmetterte zwei Tage später ein Blitz die Kirchturmspitze, als bei einem heftigen Gewitter die Glocken geläutet wurden. 1829 kamen der Mesner von Dautersdorf im Landkreis Schwandorf und seine Tochter beim Wetterläugen durch einen Blitzschlag ums Leben. Und in einer Niederschrift des Herrschaftsgerichts Wörth an der Donau vom 14. August 1833 ist zu lesen:
„Das Donnerwetter, welches sich am vorgestrigen Sonntag um die Mittagszeit von Westen gegen Osten den ganzen Gerichtsbezirk berührte, entlud auf dem Kirchturm von Kiefenholz einen Blitzstrahl, welcher jedoch nicht zündete, aber eine fürchterliche Explosion verursachte. Die Turmkugel wurde in tausend Stücke zertrümmert, die Schindeldachung stückweise herabgeworfen, die Turmuhr stark beschädigt und die östliche Mauer in ihrer ganzen Länge von oben nach unten durchspalten. Der Hochaltar wurde beinahe zerrissen und der untere Teil der Kirchenmauer in baufälligen Zustand versetzt.“ Doch das war noch nicht die ganze Tragödie. Da sich der Mesner des Dorfes auf einer Primizfeier in einem Nachbarort befand, war seine Frau zum Wetterläuten auf den Kirchturm gestiegen. Der Ehemann fand sie bei seiner Rückkehr vom Blitz erschlagen auf dem zerstörten Kirchturm.

 

Alte Tradition neu belebt

Bald zählte Bayern zu den deutschen Ländern, in denen die meisten Blitzableiter eingerichtet waren und das Wetterläuten verstummte.
Als man im 19. Jahrhundert entdeckte, dass die Höhe der Kirchtürme und nicht das Geläut die Ursache für die Blitzeinschlagen waren, gab es keinen Grund mehr für ein Verbot. Und so wird in manchen Gemeinden heute wieder die Wetterglocke geläutet.

 

Text: Judith Kumpfmüller

Titelbild: Raphael Steinhofer



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