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Bischof Rudolf Voderholzer unterstreicht den Wert der Ehelosigkeit für Priester

Zölibat wird freiwillig angenommen

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Im Interview mit der katholischen Wochenzeitung Die Tagespost spricht Bischof Rudolf Voderholzer über den Wert der Ehelosigkeit für Priester als Lebensform Christi. Er gibt zu bedenken, welche Auswirkungen die Ehe von Priestern/Pastoren in anderen Kirchen hat - und warum er Priestern rät, verbindliche Freundschaften zu pflegen.

 

 

Exzellenz, ein Thema der Synodalversammlung war die geringe Zahl an Seminaristen und jungen Priestern. Was sagt die Heilige Schrift dazu?

Jesus weist im Evangelium darauf hin, dass die Ernte groß ist und dass es nur wenige Arbeiter gibt. Das Zuwenig an Arbeitern ist sozusagen der Normalzustand. Er sagt uns daher: „Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seinen Weinberg sende“. In gewisser Weise kommt uns das Sakrament immer von außen zu in dem Sinne, dass nicht wir es machen, sondern dass es uns geschenkt und für uns letztlich auch unverfügbar ist.

 

Was bedeutet in diesem Zusammenhang die Unverfügbarkeit des Sakraments?

Das Heil kommt von außen. Das bedeutet, dass die Gabe von Christus her noch einmal aus einer anderen Dimension kommt und wir es zwar ersehnen, aber nicht hervorbringen können. Es ist eine horizontalistische Hermeneutik, wenn man es für selbstverständlich ansieht, dass jemand, der etwa einen Kranken über Jahre hinweg begleitet hat, ihm auch die Krankensalbung spenden können soll. Dass dies nur der geweihte Amtsträger „darf“, verstehen sie dann als Überhöhung der Pastoral. Die Kirche greift damit aber nicht in ein „Kompetenzgerangel des Personals“ ein, sondern drückt aus, dass das Sakrament eine Gabe Christi ist. Das Bewusstsein dafür ist im Schwinden begriffen. Die Kirche ist keine soziologische Größe, sondern eine sakramentale Lebens- und Liebesgemeinschaft und hat ihre eigenen theologisch begründeten Strukturelemente. Um eine entfernte Analogie heranzuziehen: Schon über den Blumenstrauß des Bürgermeisters oder der Bürgermeisterin, der oder die zum 80. Geburtstag kurz vorbeischaut, freut sich doch die Jubilarin oder der Jubilar, weil der Bürgermeister als Amtsträger eine größere Wirklichkeit repräsentiert. Noch einmal in einer anderen Dimension kommt der Priester, der als Träger des sakramentalen Amtes Christus in seiner heilenden und Leben spendenden Gnade vergegenwärtigt.

 

In der Debatte um verheiratete Priester haben mehrere Synodale auf das Beispiel der Ostkirchen verwiesen. Inwieweit taugt es als Modell für die lateinische Kirche?

Es gibt seit langem auch einen verheirateten katholischen Klerus – z.B. konvertierte evangelische Pastöre, die mit ihrer Familie ein Pfarrhaus bewohnen – und eben in den katholischen Ostkirchen. Man muss sich aber das gesamte Zeugnis der Ostkirchen anschauen. Die Ostkirche kennt wie die katholische Kirche die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen als die Lebensform Jesu und der Apostel, wobei der Bischof die Lebensform Jesu teilt. Das führt dazu, dass die Bischöfe aus dem Mönchsstand ausgewählt werden. Daneben gibt es den verheirateten Pfarrklerus. Inwieweit das ein Modell für uns sein könnte wird man sich genau anschauen müssen. Haben wir ein so vitales Mönchtum? Dürften wir überhaupt das Führungspersonal der Ordensgemeinschaften ständig abschöpfen? Sie brauchen ihre Leute selber. Und: Wenn ein Weltpriester unter diesen Voraussetzungen freiwillig den Zölibat wählte, setzte er sich zwangsläufig dem Verdacht aus, entweder homosexuell zu sein oder Bischof werden zu wollen.

 

Wie stellt sich die Situation des Kandidaten in den Ostkirchen dar?

In manchen autokephalen Kirchen und Ostkirchen ist es für angehende Priester gar nicht so einfach, die richtige Frau zu finden. Man kann dort zwar als Verheirateter geweiht werden, aber nicht als Geweihter heiraten. Man hört, dass Seminaristen am Ende ihres Studiums deswegen oft eine gewisse Torschlusspanik bekommen. Probleme gibt es auch, weil in vielen Ostkirchen erwartet wird, dass die Pfarrersfrau eine ganz bestimmte Rolle einnimmt: Pfarrhausfrau, Sakristanin und Gemeindereferentin in Personalunion, denn die Kirchen sind in der Regel finanziell nicht so gut ausgestattet, dass sie sich Verwaltungspersonal leisten können. Die Arbeit wird dann oft auf die Pfarrersfrau abgeladen. Sie muss das auch annehmen.

 

Steht Ihnen in diesem Zusammenhang ein konkretes Zeugnis vor Augen?

Ganz ohne Spannungen und überhöhte Erwartungen geht es im verheirateten Pfarrklerus nicht ab. Ich kann mich an einen Seminarbesuch eines ehemaligen evangelischen, verheirateten Pfarrers erinnern, der im Erzbistum München in der kategorialen Seelsorge tätig war. Alle erwarteten von ihm ein starkes Plädoyer für den verheirateten Klerus. Das Gegenteil war der Fall. Er sagte: „Das Pfarrhaus ist ein Glashaus“. Die ganze Familie ist einem ungeheuren Anspruch ausgesetzt, und das ist auch für die Kinder eine Belastung. Wenn ein Pfarrer das an sich herankommen lässt, kann er nur scheitern. Ein zölibatär lebender Priester bewegt sich auf einer anderen Ebene und ist da unbelasteter, wenngleich er natürlich auch mit anderen Problemen umgehen muss.

Bischof Rudolf Voderholzer

Welchen Standpunkt vertreten Sie?

Die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen muss positiv aufgegriffen werden als eine Ermöglichung geistlicher Fruchtbarkeit und des Zeugnisses für Christus. Es ist die Lebensform Christi, ein Zeugnis mit Leib und Seele für die größere Erfüllung, die uns von Gott verheißen ist. Die Einheit der drei evangelischen Räte – Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam – muss natürlich zusammen gesehen werden. Es besteht die Gefahr, dass wir die Ehelosigkeit ganz isoliert betrachten. Von Armut und Gehorsam ist dann weniger die Rede. Dann haben wir ein verbürgerlichtes Junggesellentum. Das ist sicher nicht der richtige Weg.

 

Was raten Sie Priestern mit Blick auf die zölibatäre Lebensweise?

Ich habe den jungen Priestern im Bistum Regensburg immer geraten, verbindliche Freundschaften zu pflegen – auf Kursebene, in der Nachbarschaft, mit Ehepaaren – und auch Mitbrüderlichkeit. Wenn sich eine Gruppe findet, die unter einem Dach zusammenwohnen will und die räumlichen Voraussetzungen gegeben sind, dann tun wir alles, um diese Form der „vita communis“ zu ermöglichen. Die zölibatäre Lebensform ist nicht die Lebensform eines Einzelkämpfers. Manche Dinge sollen Pfarrer untereinander machen: Urlaubsgestaltung, geistliche Begleitung, Exerzitien, etc. Da ist viel möglich. Es muss aber in der Priesterausbildung vom ersten Tag im Bewusstsein sein, dass das nicht von selber geht und man diese Lebensform gestalten muss. In der heutigen Zeit ist es noch viel schwieriger geworden, diesen Anspruch gut und gewinnend zu leben. Die Ausbildungsordnungen versuchen, diesen Ansprüchen besonders auch mithilfe von psychologischer Expertise gerecht zu werden.

 

In der Debatte wurde darauf hingewiesen, dass ein nicht mit dem sakramentalen Amt verknüpfter Zölibat als eine Form der privaten Frömmigkeit erscheinen würde. Welche Folge hätte das für die Kandidaten?

Die Frage ist, ob das Priesteramt dann die Richtigen anzöge. Die Erfahrung in der evangelischen Kirche und auch im Judentum hat gezeigt: Wo es keine Zölibatsverpflichtung gibt, hat sich sehr schnell die „Pflichtehe“ ergeben. Auch wenn es in den evangelischen Landeskirchen Entwicklungen gegeben hat, galt in manchen Landeskirchen lange das ungeschriebene Gesetz, nur jemanden ins Pfarramt zu berufen, dessen Lebensstand geregelt ist. Man wollte damit vermeiden, dass ein Pfarrer nebenbei auf Brautschau geht.

 

Was wäre der erste Schritt in der Berufungspastoral?

Berufungspastoral muss indirekt gehen. Wenn es darum geht, junge Menschen anzusprechen, ist jedes Drängen kontraproduktiv. Eine diesbezüglich interessante Beobachtung habe ich im französischsprachigen Raum gemacht. Die priesterlose Wort-Gottesfeier am Sonntag (Assemblée dominicale en l‘abscence de prêtre = ADAP) wird dort teilweise bewusst nicht in „Abwesenheit“, sondern „in Erwartung (= en attente) eines Priesters“ gefeiert (vgl. z.B. die ADACE = Assemblée dominicale en attente de célébration eucharistique in Quebec). Die Kirche muss sich als eine Gemeinschaft präsentieren, in der man den Himmel offen sieht und in der man ein sinnvolles, erfülltes Leben führen kann: in der Liturgie, in der Verkündigung, in der Caritas. Dann werden sich Berufungen von selbst ergeben. Deswegen ist es so fatal, wenn wir uns als „Täterorganisation“ präsentieren. Wer will in einer solchen Organisation arbeiten? Stattdessen muss klar werden, dass wir uneingeschränkt auf der Seite der Opfer stehen und uns dafür einsetzen, dass ihnen größtmögliche Gerechtigkeit widerfährt und sie Frieden finden können. Auch die Rede vom „Pflichtzölibat“ wundert mich, vor allem, wenn Ordensleute ihn äußern. Der Zölibat wird freiwillig angenommen. Und selbst, wenn die katholische Kirche den Zölibat für Weltpriester aufheben würde, bedeutete das nichts für Ordensberufe. Das Charisma der Ehelosigkeit ist ja auch in einem reformierten Kontext lebendig: Taizé ist für mich ein schönes Beispiel.

 

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Bilder: © Uwe Moosburger/ altrofoto.de

Priesterweihe im Regensburger Dom 2021



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