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Bischof Rudolf Voderholzer über die kirchliche Lehrentwicklung nach John Henry Newman

Newman-Tagung an der Universität Wien

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Unter dem Titel „John Henry Newman – Welt Gottes und Wahrheit des Menschen“ veranstaltete der Lehrstuhl Theologie für Spiritualität der Katholischen Fakultät der Universität Wien und das Oratorium des hl. Philipp Neri Wien einen wissenschaftlichen Kongress zu dem englischen Heiligen. Die mit internationalen Referenten besetzte Tagung widmete sich Leben und Werk des anglikanischen Konvertiten, der mit seinen Schriften weit über das 19. Jahrhundert Kirche und Theologie prägt. Die Überzeugung des Oratorianers Newman, dass Gott die Wirklichkeit ist, auf die sich der Mensch ausrichtet und die seine Wahrheit bildet, ist der rote Faden des Denkens Newmans. Diese Überzeugung hat Newman zutiefst geprägt und seinen Weg im Glauben geleitet. „Ex umbris et imaginibus in veritatem – aus Schatten und Bildern zur Wahrheit“, wie der spätere Kardinal auf seinen Grabstein schreiben ließ, fasst sein ganzes Ringen um den Glauben und damit um nichts anderes als um Gott zusammen.

Der Anspruch dieser Wahrheit begegnet ihm vor allem in seinem Gewissen, dessen unnachgiebige Stimme ihn letztlich zur Konversion führt. Sah Newman als Vertreter „des Oxford Movement“ die Anglikanische Kirche als den „goldenen Mittelweg“ zwischen Protestantismus und römisch-katholischer Kirche, so brachte ihn die Beschäftigung mit der Dogmen- und Lehrentwicklung in den ersten Jahrhunderten des Christentums allerdings zu der Überzeugung, dass die authentische Überlieferung der Offenbarung Gottes in der römisch-katholischen Kirche weitergegeben wird. Gottes unsichtbare Welt realisiert sich nicht nur in den Sakramenten der Kirche, sie wird als menschliche Aneignung der Wahrheit auch in der Erinnerung erfahrbar, in der sich im Rückblick die Vorsehung für das eigene Leben erkennen lässt.

Das Licht der Wahrheit Gottes in Spiritualität, Architektur, Liturgie, Philosophie und Theologie

Die internationalen Referenten gingen der Frage nach der „Welt Gottes und der Wahrheit des Menschen“ im Leben und Werk des englischen Philosophen und Theologen nach. Die Beziehung des Ichs zu seinem Schöpfer ist für Newman der geistliche Hintergrund für all sein Denken. Sein gesamtes wissenschaftliches und geistliches Werk darf als eine Entfaltung dieser Gewissheit gelesen werden. Gott ist die Wirklichkeit, von der sich Newman so berührt erfährt, dass er von dieser Liebe nicht mehr lassen kann. Konsequent folgt er der Spur der Liebe in seinem Leben, die ihn 1845 zur Konversion führt, weil er seinem Gewissen folgend sich der Wahrheit verpflichtet fühlt. Insbesondere die Theologie und das Leben der Kirchenväter sind ihm auf diesem Weg treue Begleiter. Der Zeit der ersten christlichen Jahrhunderte fühlt sich Newman so verbunden, dass er nicht nur sein Denken daran ausrichtet, sondern auch seine Ideale des gemeinschaftlichen Lebens, wie er sie im Oratorium des hl. Philipp Neri fand, oder einer sakralen Architektur und Liturgie. Newman erkennt, dass die Wahrheit vom ganzen Menschen realisiert werden muss, dafür steht der zentrale Begriff des „Herzens“ in seinem Denken. In dieser ganzheitlichen Erfassung und Zustimmung werden Prinzipien miteinander versöhnt, die sonst als Gegensätze wahrgenommen werden. Glauben und Vernunft, Gefühl und Intellekt sind für Newman keine Entgegensetzungen, sondern führen in die je größere Wirklichkeit Gottes. Die Referenten legten in ihren Vorträgen nicht nur das faszinierende Denken Newmans dar, sondern unterstrichen auch seine bleibende Bedeutung für die Kirche und gegenwärtige Fragestellungen. So kann das newmansche Denken Ansporn sein, sich der je eigenen Herausforderung in der Haltung der Demut zu stellen und in seinem Gewissen die Unterscheidung im Geiste Christi zu leben.

 

„Verstehen braucht Zeit“ – Die Frage nach der Originalität der Offenbarung

In dem Abendvortrag des Kongresses, zu dem Bischof Rudolf Voderholzer eingeladen war, ging er der Frage nach, welche Impulse aus der Theorie der Dogmenentwicklung nach John Henry Newman in heutige Debatten aufgenommen werden können. Newman rang um die Frage, wie die ursprüngliche Offenbarung ihre Identität in der Geschichte der Kirche bewahren kann. Das ist, wie Bischof Voderholzer hervorhob, für den englischen Oratorianer nicht nur eine historische Fragestellung, sondern es ist für den englischen Oratorianer eine „existentielle Not“, weil damit die Frage nach der Wahrheit und nach dem Heil verbunden ist. Tritt dem Menschen in der kirchlichen Lehre und den Dogmen die Wahrheit der Offenbarung gegenüber, oder ist dies nur eine Korruption der ursprünglichen Botschaft? Newman kommt in seinen Forschungen zur Dogmenentwicklung zu dem Schluss, dass darin eine Entfaltung und immer neue Modifizierung einer ursprünglichen Idee gegeben ist. Die Idee des Christentums kann jedoch nichts anders sein als das Mysterium Christi. Dogmenentwicklung ist mit Newman dann als die Entfaltung des Mysteriums Christi in der Geschichte zu deuten. Die kirchliche Gemeinschaft ist dabei der Rahmen, in dem sich die ursprüngliche Offenbarung Gottes immer wieder neu und in Identität zu ihrem Ursprung vergegenwärtigt. Bischof Voderholzer unterstrich in seinem Vortrag, dass jede theologische Diskussion um eine legitime Lehrentwicklung sich daher am Geheimnis der Inkarnation Jesu Christi zu messen habe. Das Ringen um die Aktualität der Offenbarung Gottes kann daher nur das Ziel haben, die „Welt Gottes“ als „die Wahrheit des Menschen“ tiefer zu verstehen.

 

Abschlussmesse im Oratorium des hl. Philipp Neri Wien

Neben dem Abschlussvortrag war Bischof Rudolf Voderholzer eingeladen, am Sonntag die Messe als Abschluss der Tagung im Oratorium des hl. Philipp Neri Wien in der Kirche St. Rochus und Sebastian zu feiern. In seiner Predigt hob der Bischof hervor, dass das christliche Bekenntnis zu Jesus Christus seine Menschheit und seine Gottheit einschließe. Der Glauben an den einen Gott, der der einzig Gute ist, ist der Glaube an den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist. Das Wort Jesu an den reichen Mann, alles zu verkaufen und ihm dann nachzufolgen, ist die Konsequenz dieses Glaubens an den guten Gott. Für Christinnen und Christen kann das bedeuten, dass alles Haben und Vermögen wie als nicht-habend zu besitzen sei. Der größte Reichtum ist allerdings Jesus Christus selbst. In einem wunderbaren Tausch macht er sich arm, damit die Menschen reich werden. Darum betet die Kirche in allen gottesdienstlichen Feiern um das Kommen dessen, der den Menschen ihren eigentlichen Schatz schenkt.

 

Text: Dr. Bernard Mallmann

Bildnachweis: Becker, Katholische Fakultät der Universität Wien



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