Bischof Rudolf Voderholzer im Interview

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Am Donnerstag war Bischof Dr. Rudolf Voderholzer zu Gast im Straubinger Verlagshaus der Mediengruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung, wo er die Fragen von Verleger Prof. Dr. Martin Balle und Redakteuren der Mediengruppe beantwortete. Im Folgenden veröffentlichen wir das Interview.  
(Die Bischöfliche Pressestelle hat die Aussagen des Bischofs zu den Themen Reform der Laienräte,  Austrittszahlen und Seelsorge bei zerbrochenen Ehen hervorgehoben.)

  

Herr Bischof Voderholzer, Sie sind nun seit gut einem Jahr im Amt. Wie haben Sie Ihr Bistum kennengelernt?

Voderholzer: In meinem Büro hängt eine große Karte des Bistums. Überall dort, wo ich schon war, etwa zur Firmung oder zum Pastoralbesuch, steckt eine Nadel. In meinem ersten Jahr als Bischof habe ich die acht Regionen des Bistums in einem jeweils dreitägigen Regionalbesuch exemplarisch kennengelernt, sodass ich sagen kann, ich bin im Bistum angekommen. Jetzt habe ich vor, innerhalb von zwei, drei Jahren jede Pfarrei zu besuchen. Die Zuwendung, die man als Bischof erfährt, ist wirklich gigantisch. Ich habe ein Bistum anvertraut bekommen, das vergleichsweise eine sehr große Glaubenssubstanz hat.

 

Was unterscheidet das Bistum Regensburg darüber hinaus von anderen Bistümern?

Voderholzer: Ein Charakteristikum ist die große Wucht der Verbandsarbeit. Allein der Frauenbund hat rund 60000 Mitglieder. Starke Verbände sind auch Kolping, KAB, der katholische Sportverband DJK und die Marianischen Kongregationen. Dann genieße ich es natürlich, in der Welthauptstadt der Kirchenmusik leben zu dürfen. Ich bin beeindruckt, welche Bildungsarbeit bei den Domspatzen und an der Hochschule für Kirchenmusik geleistet wird. Regensburg ist eine klingende und singende, eine musikalische Stadt.

 

Ihr Amtsvorgänger, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, hat die Laiengremien der Diözese gegen erheblichen Widerstand reformiert. Ist damit die Form gefunden, in der auch Sie künftig mit den Laien zusammenarbeiten wollen, oder streben Sie nun Ihrerseits Veränderungen an?

Voderholzer: Ich bin sehr zufrieden mit den pastoralen Beratungsgremien auf der Bistumsebene, also mit Diözesanpastoralrat und Diözesankomitee. Bei den Pastoralbesuchen hat sich noch herausgestellt, dass im Hinblick auf die bessere Koordinierung von Aktionen und Projekten auf der Dekanatsebene eine Dekanatsrunde gewünscht wird. Wir wollen deshalb jetzt im Dekanatsstatut festlegen, dass es Aufgabe des Dekans ist, einmal im Jahr alle Pfarrgemeinderatssprecher zusammenzurufen. Das ist der Punkt, wo ich nachbessern will. Aber ansonsten habe ich den Eindruck, dass alles sehr gut eingerichtet ist und den kirchlichen Normen entspricht.

 

Sie nennen es nachbessern, man könnte darin aber auch eine teilweise Rücknahme der Reform sehen. Denn früher gab es bereits Dekanatsräte.

Voderholzer: Es geht hier nicht um Dekanatsräte, sondern um eine Dekanatsversammlung. Wie mir signalisiert worden ist, fehlt eine solche im neuen System. Darauf kann man ohne Weiteres eingehen. Solche Ergänzungen hat die Rätereform durchaus vorgesehen.

 

Den Diözesanrat werden Sie nicht reaktivieren?

Voderholzer: Dafür sehe ich überhaupt keinen Grund.

 

Sie wollen den Pfarrgemeinderäten also nicht wieder etwas mehr Mitspracherecht einräumen? In der Reform Ihres Vorgängers sind sie weitgehend entmündigt worden. Dabei hatte das Vatikanum den Laien mehr Mitwirkung und mehr Mitsprache in Aussicht gestellt.

Voderholzer: Ich finde den Begriff „Weltchristen“ viel treffender als „Laien“. Das Zweite Vatikanische Konzil fordert die Weltchristen auf, der christlichen Botschaft in der Welt ihre Stimme zu geben. Es kann also gar nicht genug christliche Politiker, christliche Wissenschaftler, christliche Ärzte oder christliche Lehrer geben. Jeder getaufte und gefirmte Christ ist dort, wo er in der Welt hingestellt wird, berufen und befähigt, für das Reich Gottes zu arbeiten, für das Evangelium einzustehen. Die Arbeit der Räte im Bistum und in den Pfarreien möchte ich natürlich nicht missen. Sie beraten und unterstützen die Priester und auch mich in hervorragender Weise.

 

Ein Treffen der Laien findet in wenigen Wochen mit dem Katholikentag in Regensburg statt. Welche inhaltliche Glaubensbotschaft soll von dieser Veranstaltung ausgehen?

Voderholzer: Der Katholikentag hat im Konzert der kirchlichen Großveranstaltungen eine ganz spezifische Aufgabe, nämlich das Gespräch zu suchen aus der Mitte des Glaubens heraus mit den übrigen gesellschaftlichen Kräften. Katholikentag heißt also, den Blick nach außen zu richten. Wir wollen dabei mit den Parteien, den Wissenschaften, den Gewerkschaften und den Sozialverbänden ins Gespräch kommen. Um eben deutlich zu machen, dass wir als gläubige Katholiken eine positive Kraft sind, dass wir aus dem Glauben heraus der Gesellschaft auch eine Zukunftsfähigkeit vermitteln können. Innerkirchliche Fragestellungen stehen deshalb nach meinem Verständnis gar nicht so sehr im Vordergrund. Darüber hinaus wollen wir nicht nur einen Katholikentag in Regensburg, sondern einen Regensburger Katholikentag. Also nicht irgendeine Veranstaltung, die man genauso gut überall auf der Welt abhalten könnte. Eine Regensburger Besonderheit, die zum Tragen kommen soll, ist etwa die Grenznähe zu Böhmen. Der Brückenschlag zum Bistum Pilsen wird auf vielfache Weise dargestellt werden. Durchaus auch mit dem Hinweis, dass wir 25 Jahre friedliche Grenzöffnung feiern dürfen. Daraus ergeben sich positive Signale und Impulse für ein Weiterarbeiten an einem christlichen Europa der Regionen.

 

Die Zahl der Kirchenaustritte ist hoch, auch im Bistum Regensburg. Worauf führen Sie das zurück und was sollte oder kann die Kirche tun, um diesem Trend entgegenzuwirken?

Voderholzer: Wir haben in der Tat eine Entwicklung, die einem Bischof Sorgen machen darf. Dabei steht der Kirchenaustritt immer am Ende einer langen Entwicklung. Am Ursprung steht eine Entfremdung vom Glauben selbst. Wir haben also keine Krise der Kirche, sondern eine Krise des Glaubens. Viele unserer Zeitgenossen tun sich schwer, Glaube und Naturwissenschaft, Glaube und ein evolutives Geschichtsbild in Einklang zu bringen. Deshalb ist es wichtig, die Ebenen zu unterscheiden. Die Naturwissenschaftler fragen: Wie funktioniert etwas, wie ist etwas entstanden? Glaube und Theologie fragen: Was ist das Ganze, was ist der Sinn, wo kommt es her? Die Schöpfung hat eine wesentlich größere Dimension, als es sich unser kleiner Verstand vielleicht jemals wird vorstellen können. Aber es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass der Urknall nicht göttlichem Willen entspringt. Deswegen ist die Antwort auf die Krise eine vertiefte Glaubensverkündigung. Der Glaube muss als eine sinnstiftende Kraft dargestellt werden.

 

Sie reduzieren das Problem auf einen Gegensatz des Glaubens zur Naturwissenschaft. Strukturen, Erscheinungsformen und mitunter auch die Rhetorik der Kirche also spielen keine Rolle?

Voderholzer: Vielleicht schon auch. Aber die grundlegende Entfremdung vom Glauben ist nach meiner Erfahrung viel massiver. In diesem Zusammenhang gestehe ich Ihnen, dass es mich verwundert, dass nicht noch mehr Menschen aus der Kirche austreten. Neben denen, die ihren Glauben regelmäßig und aktiv praktizieren, gibt es eine große Zahl von Kirchenmitgliedern, die nur selten oder gar nicht zum Gottesdienst kommen. Obwohl sie offenbar nicht viel von uns erwarten, bleiben sie dennoch in der Kirche. Zur Verantwortung des Bischofs und der Pfarrer gehört es, diese Kirchenmitglieder in ihrem Glauben zu stärken und sie an ihre Verantwortung als getaufte und gefirmte Christen zu erinnern.

 

Papst Franziskus fordert „eine arme Kirche für die Armen“. Wie können Sie diesem Anspruch im Bistum gerecht werden?

Voderholzer: Armut stellt sich in unserem Land anders dar als in einem Entwicklungsland. Arm ist auch nicht unbedingt der, der nichts hat, sondern der, der viel braucht. Also ist es auch eine Frage der spirituellen Beziehung zu dem, was man hat. Selbstverständlich müssen wir uns auch als Kirche fragen, wie wir mit den uns anvertrauten Gütern umgehen, damit sie unserem Gesamtauftrag nützen. Allgemein anerkannt wird die materielle Unterstützung, welche die Kirche in Deutschland für die Weltkirche leistet. Mit Aktionen wie Adveniat und Misereor brauchen wir uns nicht zu verstecken. Aber ich will nicht verheimlichen, dass es eine große spirituelle Herausforderung ist, in der Nachfolge Jesu die evangelischen Räte Armut, Gehorsam und Ehelosigkeit zu leben. Oftmals bleibt davon nur die Ehelosigkeit übrig. Auf diese Gefahr weise ich bei jeder Priesterweihe hin.

 

Der Weltbild-Verlag hat Insolvenz angemeldet. Ihre Diözese ist mit 5,7 Prozent an dem Verlag beteiligt. Wie werden Sie nun mit den Betroffenen umgehen?

Voderholzer: Natürlich müssen wir alles tun, damit das Insolvenzverfahren sozialverträglich und menschlich abläuft. Wir werden uns bemühen, unserer Verantwortung gerecht zu werden. Darüber hinaus sollten wir uns aber auch selbstkritisch fragen, ob die Kirche ein Unternehmen mit 6000 Beschäftigten führen muss. Meiner Meinung nach müssen wir gescheite Bücher schreiben, verkaufen, das ist die Aufgabe des Buchhandels.

 

Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, tritt für einen neuen Umgang der katholischen Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen ein. Wie stehen Sie diesem Ansatz gegenüber?

Voderholzer: Wir haben mit der hohen Scheidungsrate ein großes gesellschaftliches Problem, das auch nicht vor katholisch geschlossenen Ehen haltmacht. Wir sehen jetzt einer Bischofssynode in Rom entgegen, die sich auf Weltebene mit der Frage auseinandersetzen wird. Auf keinen Fall möglich ist es, dass ein Bistum weltweit die Lösung vorgibt. Es wird pastorale Lösungen geben müssen, die allerdings nicht im Widerspruch stehen dürfen zu dem hohen Ideal der unauflöslichen Ehe, wie es Jesus gepredigt hat. Ich kann nur jeden bitten, auf den zuständigen Pfarrer zuzugehen, um eine Entscheidung im Einzelfall zu treffen. Dabei müssen wir genau hinsehen, ob es sich tatsächlich um eine gültige Ehe handelt. Das ist zum Beispiel nicht der Fall, wenn der Glaube gefehlt hat. Die Ehe setzt eine genauso große Hingabe an den Willen Gottes voraus wie der Weg der Ehelosigkeit. Hier haben wir sicher vieles versäumt, was Ehevorbereitung und Ehebegleitung betrifft. Wenn man es ernst nimmt, sind viele Ehen überhaupt nicht gültig zustande gekommen.

 

Als Bischof haben Sie einen Berg an Aufgaben. Wie groß ist da die Sehnsucht nach intellektueller Arbeit und spiritueller Erfahrung?

Voderholzer: Bereits bei Paulus gilt der Bischof als Vater seiner Priester, als Vater des Bistums. Vater sein ist eine breit gefächerte Tätigkeit. Ich habe zwei Brüder: Der eine hat fünf Kinder, der andere drei. Der eine leitet eine Klinik, der andere eine Arztpraxis. Wenn ich mich mit den beiden vergleiche, muss ich sagen, habe ich den ruhigeren Job. Es ist in der Tat eine Freude, eine so abwechslungsreiche Aufgabe zu haben, wie es das Amt des Bischofs ist. Aber natürlich braucht auch das geistige Leben einen Rhythmus. Ich fange meinen Tag nicht an, indem ich Zeitung lese, sondern indem ich mit meinem Kaplan die Laudes bete und dann die Messe feiere. Außerdem gönne ich mir jeden Tag eine Stunde Spaziergang alleine durch Regensburg. Was die intellektuelle Arbeit betrifft, habe ich es mir selbst zur Aufgabe gemacht, mindestens einen akademischen Vortrag im Monat auszuarbeiten. Das funktioniert momentan eigentlich ganz zu meiner Zufriedenheit.

 

Dr. Gerald Schneider, Bernhard Stuhlfelner und Markus Lohmüller



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