Bischof Rudolf Voderholzer diskutierte mit Christian Doleschal und Emilia Müller beim Europaforum
Was Europa zusammenhält
Regensburg, 13. April 2024
Während die ersten Wahlplakate des Europawahlkampfs in der Stadt zu sehen sind und Stände in der Innenstadt zum "Europatag" am Wochenende aufmachten, lud der Oberpfälzer Spitzenkandidat der CSU, Christian Doleschal, Mitglied des Europäischen Parlaments, am Samstagvormittag zum Gedankenaustausch in den "Leeren Beutel", um zu ergründen, was Europa eigentlich zusammenhält. Der Regensburger Diözesanbischof Rudolf Voderholzer und die frühere Europaabgeordnete und Staatsministerin Emilia Müller arbeiteten mit Doleschal heraus, dass Europa nicht nur ein Binnenmarkt, sondern auch eine Wertegemeinschaft und ein Friedensprojekt ist.
Doleschal hob hervor, dass er als Nachkomme von Heimatvertriebenen aus Tschechien dem europäischen Projekt besonders verbunden sei. Europa sei über Jahrhunderte von Kriegen geprägt gewesen, die EU verhindere diese nun. Warum sei aber nun Europa trotz seiner Vielfalt geeint, was halte es zusammen? Seine Antwort: Der europäische "Way of Life" sei durch das christliche Menschenbild geprägt. Der Mensch mit seiner Würde stehe im Mittelpunkt und könne sich weitgehend frei entfalten, wobei er aber auch in Verantwortung vor Gott und der Gesellschaft stehe. Die Regeln des Zusammenlebens seien Produkte der Geschichte. Nun erlebe aber die letzte Generation, die noch mit Überlebenden des Holocaust sprechen könne, massive Angriffe auf das europäische Projekt, vor allem durch Extremisten und fremde Mächte. Europa sei jedoch "unsere Zukunft" und bringe die Europäer auf Augenhöhe mit den USA und China, so Doleschal.
Bischof Voderholzer machte sich in seinem Impulsvortrag auf die Suche nach der "Seele" Europas beziehungsweise seinen "Wurzeln". Theodor Heuss folgend seien dies drei Hügel: Zunächst die Akropolis von Athen, die für die griechische Tradition der Philosophie stehe, die mit der menschlichen Vernunft nach den letzten Ursachen der Welt forsche. Der capitolinische Hügel in Rom stehe für das Römische Recht und somit für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Auf dem Golgotha-Hügel außerhalb des europäischen Kontinents stehe das Kreuz Christi, "Inbegriff des christlichen Glaubens".
Europa sei damit eine geistige Größe, keine geografische. Als weitere Wurzeln Europas nannte Voderholzer die jüdische Tradition in Form der Zehn Gebote. Wo diese nicht beachtet würden, sei Europa in Gefahr. Voderholzer verwies auch auf das europäische Netzwerk von Klöstern, Heiligen, romanischen und gotischen Kirchen, die Europa mit Gottesdienst und Sonntagsruhe sein christliches Gepräge gegeben hätten. Es sei damit "historisch exakt und verantwortbar, vom ‚christlichen Abendland' zu sprechen". Von mancher Seite werde heute die Gefährdung des christlichen Abendlandes durch den Islam beschworen. "Und ich gehöre zu denen, Sie wissen es vielleicht, die diese Sorgen nicht einfach von der Hand weisen", sagte Voderholzer. Er wiederhole aber auch hier, was Orient-Kenner Peter Scholl-Latour vor etlichen Jahren gesagt hat: "Sorgen muss sich Europa nicht machen wegen der Stärke des Islam, sondern wegen seiner eigenen geistigen Schwäche."
Ex-Staatsministerin Müller hob hervor, dass die EU mit ihren 27 Nationalstaaten als einzigartiges Friedensprojekt und nicht zuletzt vom Katholizismus getragene Wertegemeinschaft infolge des Ersten und Zweiten Weltkriegs entstanden sei. Frieden sei keine Selbstverständlichkeit. Den Zusammenhalt der EU-Länder zu bewahren, sei kein leichtes Unterfangen. Die Menschen könnten mit der Politik der EU besser umgehen, wenn die Regionen starkes Gewicht haben. Die EU sei nach wie vor ein "großer Player im Welthandel", jedoch hätten andere Weltregionen aufgeholt.
Der gemeinsame Wohlstand und die Zukunft Europas stünden nun inmitten von Kriegen und Krisen auf dem Spiel, denn China wolle die EU schwächen und Populisten, die mittlerweile zum Alltag gehörten, wollten sie zerstören. Europa müsse nun seine Handlungsfähigkeit bewahren, Wohlstand und Freiheit verteidigen, endlich zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik finden und auch die Migration begrenzen, weil diese derzeit mit einer Überforderung einhergehe. Sowohl Doleschal wie Müller hoben hervor, wie gerade die Oberpfalz von der EU profitiere, etwa durch Wirtschaftsförderung oder Arbeitskräfte aus Tschechien.
Die Fragen aus dem Publikum beschäftigten sich mit verschiedenen Entwicklungen aus wirtschaftlicher und christkonservativer Perspektive, etwa mit der Verankerung des Rechts auf Abtreibung in der französischen Verfassung, der Stagnation der Reallöhne, dem mittlerweile hohen Anteil von Konfessionslosen an der Gesamtbevölkerung, der schwierigen Lage gläubiger Menschen, der Polarisierung in sozialen Medien und dem Vordringen der KI. Solle sich die CSU angesichts der jüngsten TV-Debatte der AfD in öffentlichen Diskussionsrunden stellen? Doleschal bejahte dies eindeutig. Mit dem "Europaforum", zu dem er lud, war jedoch noch kein Anfang mit solch kontroversen Debatten gemacht, denn die Diskutanten auf dem Podium markierten keinen Dissens, pflichteten sich untereinander bei und ergänzten sich in ihren Aussagen lediglich.
Lesen Sie HIER den Vortrag von Bischof Rudolf Voderholzer im Wortlaut.
Text und Foto: Burkhard von Grafenstein (bvg)
(jas)