Bischof ermuntert Gläubige: "Setzen Sie all ihr Vertrauen auf Gott!" - Pontifikalmesse im Regensburger Dom zum Jahresschluss
Mehrere Hundert Regensburger feierten mit Bischof Gerhard Ludwig Müller zum Jahresschluss eine Pontifikalmesse im Dom St. Peter. Der Oberhirte ermunterte dabei in seiner Predigt die Gläubigen
und dankte allen Priestern und Laien für ihr Engagement: „Setzen Sie all ihr Vertrauen auf Gott! Lassen Sie sich nicht abspenstig machen und geben Sie der Versuchung zu einem bequemen Leben ohne Gott und Verantwortung dem Nächsten gegenüber nicht nach! Was bliebe sonst übrig? – Nur ein Vakuum im Inneren des Menschen, eine Erfahrung der Sinnlosigkeit. Ein Leben ohne Gott ist kalt und finster wie ein Tag ohne Sonne.“
Die Predigt des Bischofs im Wortlaut:
Im liturgischen Jahr feiert die Kirche am 31. Dezember das Fest des hl. Papstes Silvester, der von 314 bis 335 die Kirche regierte. Die Zeiten der schlimmsten Christenverfolgung im alten römischen Reich unter Kaiser Diokletian waren zu Ende gegangen. Mit der Herrschaft des christlich gesinnten Kaisers Konstantin brach eine neue Ära der Kirchengeschichte an. Nach der Duldung als erlaubte Religion im sog. Toleranzedikt von Mailand (313) führte die Kirchenpolitik Konstantins als Alleinherrscher im römischen Reich zur Förderung der christlichen Religion. Von Papst Silvester wissen wir, dass er sich durch zwei Priester auf dem 1. Ökumenischen Konzil von Nizäa im Jahre 325 vertreten ließ. Dieses Konzil ist von bleibender Bedeutung. Denn hier wurde der apostolische Glaube der Kirche gegen die Häresie der Arianer neu herausgearbeitet:
Jesus von Nazareth, unser Herr und Erlöser, ist keineswegs nur ein erstes Geschöpf, das Gott in der Zeit hervorgebracht hat, und das dann auf Erden wie ein Mensch erschienen ist. Er hat sich auch nicht nur mit einer menschli-chen Natur verkleidet, um uns hier auf Erden zu begegnen. Mit der gesamten Selbstoffenbarung im Glaubensbekenntnis der Kirche, die in der Hl. Schrift und der Apostolischen Tradition bezeugt ist, bekennt die Kirche, woraus sie lebt und worauf sie für immer begründet ist. Das Wort, das von Anfang an beim Vater war, und das Gott ist, der Sohn, der ewig aus dem Wesen des Vaters gezeugt ist und hervorgeht, ist kein Geschöpf in der Zeit, sondern wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater. Diese zweite Person in der Dreifaltigkeit ist zu unserem Heil vom Himmel herabgekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist aus der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden.
Was die Bischöfe der Kirche damals zusammen mit der Autorität des Bischofs Silvester von Rom als Nachfolger des Apostels Petrus bekannt haben, das ist auch heute unser Glaube. Das ist der Glaube des Petrus: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ (Mt 16,16). Auf Petrus, seine Person, sein Amt und seine Vollmacht, ist die Kirche Christi aufgebaut. Sie bleibt bis ans Ende der Zeiten bestehen, weil Gottes Haus auf dem Fundament aufruht, das Jesus Christus selber ist: „Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8).
Die Unzerstörbarkeit der Kirche durch die Pforten der Hölle, die Irrtumslosigkeit ihres Bekenntnisses zum drei-einigen Gott und die Unfehlbarkeit ihres Lehramtes in der verbindlichen Auslegung der unüberbietbaren Offenbarung Gottes in Jesus Christus sind begründet in der Wahrheit Gottes, der seine Kirche immer trägt und begleitet im Heiligen Geist.
Der Kirche ist aber auch verheißen, dass sie – so wie ihr Meister – nicht ohne Verfolgungen durch die Geschichte gehen wird. Sie besteht aus sündigen Menschen und ist immer wieder auf die Vergebung ihres Herrn angewiesen. Wir alle bedürfen der Buße und der Erneuerung, damit wir nicht lau werden und unser Glaube vom Kleinglauben wie von Unkraut überwuchert wird, das alles Leben erstickt. „Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten“, warnt uns Jesus (Mt 5,13). Im Anklang an ein tiefgründiges Wort des hl. Augustinus beschreibt das II. Vatikanische Konzil den Weg der Kirche durch die Zeit: „Die Kirche ‚schreitet zwischen den Verfolgungen der Welt und den Tröstungen Gottes auf ihrem Pilgerweg dahin’ und verkündet das Kreuz und den Tod des Herrn, bis er wiederkommt. Von der Kraft des auferstandenen Herrn aber wird sie gestärkt, um ihre Trübsale und Mühen, innere gleichermaßen wie äußere, durch Geduld und Liebe zu besiegen und sein Mysterium, wenn auch schattenhaft, so doch getreu in der Welt zu enthüllen, bis es am Ende im vollen Lichte offenbar werden wird“ (Lumen gentium 8).
„Christus im Pilgerkleid seiner Kirche durch die Zeit schreitend“ – das ist zurecht auch ein Thema am 31. Dezember als dem letzten Tag unseres Kalenderjahres.
Wir blicken zurück auf unseren persönlichen Weg in der Nachfolge Christi, auf all das, was sich an Freude und Leid zutrug in unseren Familien, in den Schulen und Betrieben, in denen wir lernen und arbeiten. Es geht aber auch um eine Reflexion, wie wir als Kirche in den Pfarreien, Vereinen und Verbänden, den Diözesen und in der Weltkirche vorangekommen sind. Das Wesentliche aber findet sich nicht in den Statistiken über die Zahl der Taufen, Firmungen, Erstkommunionen, Trauungen, Beerdigungen, bürgerlichen Kirchenaustritte und Wiederversöhnungen von Katholiken, die sich öffentlich von der Kirche losgesagt hatten. Wie entwickelte sich die Zahl der regelmäßigen Besucher der Sonntagsmesse, der Beichtenden, der Eintritte ins Priesterseminar und in die Ordensgemeinschaften...? All das kann man nach der Erstellung der endgültigen Zahlen im Frühjahr nachlesen in dem Wissen: Es geht nicht um die Zahlen, sondern um den einzelnen Menschen in seinem Verhältnis zu Gott, zu Christus und zu seiner Kirche. Hier entscheidet sich unser endgültiges Geschick. Die Kirche ist in Christus Zeichen und Werkzeug der innigsten Vereinigung der Menschen mit Gott, wie für die Einheit der Menschheit (vgl. LG 1). Sie ist Sakrament und Heilsmittlerin. Die Gliedschaft am Leib Christi bewegt sich auf einer ganz anderen Ebene als der Ein- oder Austritt aus einem Verein oder der Wechsel der Staatsbürgerschaft. Die Kirche ist der Christus praesens in der Gemeinschaft seiner Jünger.
Jeder einzelne wird das Jahr vor seinem geistigen Auge noch einmal vorüberziehen sehen und alles in seinem Gewissen unter die Leitfrage stellen: Bin ich in Gedanken, Worten und Werken, in Glaube, Hoffnung und Liebe Gott näher gekommen? Oder ist in mir die Liebe erkaltet und zu bloßer Routine äußerlichen Mitmachens erstarrt?
Für die Diözese Regensburg möchte ich die Gläubigen ermuntern: Setzen Sie all ihr Vertrauen auf Gott! Lassen Sie sich nicht abspenstig machen und geben Sie der Versuchung zu einem bequemen Leben ohne Gott und Verantwortung dem Nächsten gegenüber nicht nach! Was bliebe sonst übrig? – Nur ein Vakuum im Inneren des Menschen, eine Erfahrung der Sinnlosigkeit. Ein Leben ohne Gott ist kalt und finster wie ein Tag ohne Sonne.
In den Dank an Gott für all das Gute, das er uns geschenkt hat, möchte ich aber hervorheben den aufrichtigen Dank an alle katholischen Frauen und Männer, an Kinder, Jugendliche und Erwachsene, an die Priester, Ordensleute und Laien. Sie haben durch ihr Engagement und ihren haupt- oder ehrenamtlichen Dienst, aber auch durch die finanziellen Beiträge in Kirchensteuer und Spenden die geistliche Sendung der Kirche mit all ihren vielfältigen pastoralen und caritativen Aufgaben mit getragen. Ganz besonders erwähnen möchte ich die Stadtmission in Regensburg und Schwandorf und in einzelnen Pfarreien und das großartige Glaubenszeugnis bei der Seligsprechung von Fr. Eustachius Kugler aus dem Orden der Barmherzigen Brüder. Wie schön ist es aber auch, dass zum Lobe Gottes ein solches Gemeinschaftswerk wie die Regensburger Domorgel auch in der heutigen Zeit möglich ist.
Angst und Bangen vor der Zukunft, vor dem, was uns wohl das Neue Jahr bringen wird, ist menschlich sehr verständlich. Doch für uns als Christen ist die Zeit kein Moloch, der uns verschlingt. In Christus ist in der Bewertung der Zeit ein Kehrtwende eingetreten: Christus ist die Fülle der Zeit, der die drohende Leere ihrer alles verschlingenden Vergänglichkeit überwindet.
Schauen wir also dankbar zurück auf das vergangene Jahr, das uns anvertraut wurde, und in dem Gott uns so vieles geschenkt hat. Gehen wir aber auch voller Hoffnung und Zuversicht in das Neue Jahr des Herrn 2010. Es möge für uns alle ein Jahr des Heiles werden, ein gelebtes und gebetetes „Näher mein Gott zu dir“.
Die heilige Mystikerin Theresia von Avila hat uns ein Gebet geschenkt, mit dem wir uns segnen wollen, damit auch wir im neuen Jahr zum Segen für andere werden können:
„Nichts soll dich ängstigen, nichts dich erschrecken.
Alles geht vorüber, Gott allein bleibt derselbe.
Alles erreicht der Geduldige, und wer Gott hat, der hat alles.
Gott allein genügt.“
Die Predigt des Bischofs im Wortlaut finden Sie zusätzlich hier