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Betrachtungen zur Karwoche

Passionsspiele: Welche Rolle übernehme ich?

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Regensburg, 23. März 2023

An vielen Orten der Welt werden Passionsspiele aufgeführt – wie z. B. in Oberammergau im vergangenen Sommer. Die Passionsspieltradition reicht weit in die Geschichte zurück oder ist in jüngerer Zeit wiederbelebt worden. Darin kommt ein Reichtum an geistlicher Tradition und an lebendigem Glauben zum Ausdruck. Bei einem Passionsspiel ist bekanntlich der ganze Ort mit einbezogen. Es ist ein geistliches Tun eines ganzen Dorfes – in der Gewissheit: Was uns im Evangelium berichtet wird, ist nicht nur Vergangenheit. Es geht ums Ganze auch von mir und im Heute. Da bin ich nie nur Zuschauer, sondern immer beteiligt. Man spürt an den Passionsspielorten: Das geistliche Tun prägt die Menschen und lässt sie das Evangelium verinnerlichen. Auch die „heilige Woche“, die wir mit dem Palmsonntag beginnen, will dich und mich ganz lebhaft und existentiell in das Geschehen der Passion Christi mit hineinnehmen.

Mit wem identifiziere ich mich?

Wo komme ich vor? Was ist meine Rolle? Steht mir vielleicht Simon von Kyréne nahe, der Jesus das Kreuz tragen hilft, weil mir derzeit das Kreuz einer Krankheit, berufliche Sorgen oder die Sorge um einen lieben Menschen auf den Schultern lasten? Darf ich Jesus auf diese Weise nahe sein? Oder darf ich den Dienst der Veronika tun, die Jesus das Schweißtuch reicht, indem ich am Krankenbett eines Menschen die Tücher für die Pflege reiche? Oder vielleicht bin ich manchmal in der Versuchung, zu denen zu gehören, die zuerst begeistert „Hosanna“ rufen, um dann doch schnell mit der Mehrheit die Meinung zu wechseln und zumindest nicht öffentlich zu widersprechen, wenn gerufen wird: „Kreuzige ihn!“ Oder gehöre ich zu denen, die zwar nicht viel reden, dann aber – wie Josef von Arimathäa – zupacken, wenn es sein muss?

Zum Glauben kommen

Lassen wir uns in den kommenden Tagen von der Liturgie mitnehmen, beten wir uns hinein in das Geschehen! Was wir in dieser Woche feiern, ist Gegenwart. „Im heiligen Schauspiel der Liturgie der Sakramente ist die heilschaffende Gegenwart Christi nicht nur spielerisch anschaulich, sondern ganz real gegenwärtig“ (Bischof Rudolf Voderholzer). Egal, welche Rolle jede und jeder von uns als die seine erkannt hat: In Einem sollen wir uns alle wiederfinden, nämlich im Hauptmann unter dem Kreuz, der angesichts dessen, was er miterlebt, zum Glauben kommt: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn.“

Den Weg Jesu mitgehen

Der wahre König Jesus Christus reitet auf einem Esel. In jeder Heiligen Messe wiederholen sich die Hosanna-Rufe seines Volkes. Wir singen „Heilig, heilig, heilig“ und rufen „Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn“, um so den Höhepunkt der eucharistischen Feier vorzubereiten. Unter den demütigen Gestalten von Brot und Wein kommt Christus auf den Altar. Mit Leib und Seele, Gottheit und Menschheit ist er da. Die Karwoche ist wie ein aufgeschlagenes Buch, in dem wir die innerste Gesinnung Christi lesen können: die Hingabe an den himmlischen Vater und das Dasein für die Seinen. Wie keine andere Zeit im Kirchenjahr lädt uns die heilige Woche ein, den Weg Jesu mitzugehen. Wir gedenken der letzten Tage seines irdischen Lebens – nicht aus der Ferne als Zuschauer, sondern als unmittelbar Betroffene. Durch die liturgische Feier und die Betrachtung des Wortes Gottes werden wir zur persönlichen Begegnung mit Christus geführt. Er ist – so sagt es der heilige Augustinus – „der König, der unsere Herzen lenkt und uns zum ewigen Leben führt.“

Text: Domkapitular Prof. Dr. Josef Kreiml, Bild(er): Passionsspiele Oberammergau



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