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Begegnungen am Tafelberg

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(pdr) Die Gegensätze könnten größer nicht sein. Die katholische Pfarrei St. Timothy liegt in einem der zahlreichen Townships, die der südafrikanischen Metropole Kapstadt vorgelagert sind. Die Nazareth-Gemeinde dagegen gehört zu dem schmucken Viertel Vredehoek, nur knapp zehn Autominuten vom Kapstädter Zentrum entfernt. St. Timothy betreut rund 3000 vorwiegend schwarze Gemeindemitglieder, die Nazareth-Kirche ist Zentrum für etwa 1000 deutschsprachige Katholiken, die in der Kap-Region leben und arbeiten. Die beiden Pfarreien haben aber auch etwas gemeinsam: ihr Glaubensbekenntnis und den weltberühmten Tafelberg. Vredehoek liegt direkt am Fuß dieser gewaltigen, oben abgeflachten Sandstein-Masse, St. Timothys Township gewährt zumindest den Fernblick auf das Wahrzeichen der Stadt. „Tafelsig“ heißt das Township folgerichtig – zu Deutsch „Tafelblick“.
In Kapstadt beenden die Regensburger Domspatzen ihre Reise durch Südafrika. Die Auftritte in den beiden so unterschiedlichen Pfarrgemeinden führten ihnen am Wochenende noch einmal die Gegensätze des Landes vor Augen: Hier ein moderner Industriestaat mit allen Annehmlichkeiten der westlichen Zivilisation, dort das Leben am Rande der Gesellschaft, das für große Teile der schwarzen Bevölkerung Arbeitslosigkeit, Armut oder Aids bedeutet.

Dabei ist die deutschsprachige Nazareth-Gemeinde durchaus kein Hort der Reichen und Superreichen. „Vom Arzt bis zum Fliesenleger sind bei uns alle möglichen Berufe vertreten“, erzählt Diakon Martin Reuter, der vom Bistum Münster für ein halbes Jahr als Pastoralreferent ans Kap der Guten Hoffnung „ausgeliehen“ wurde. Diakon Reuter bedankte sich bei den Domspatzen für ihren „wunderbaren Gesang“: „Ich habe leuchtende Augen gesehen und Münder, die mitgesungen haben!“ Und dann lüftete der Pastoralreferent noch ein Geheimnis: Unter den Gläubigen, deren norddeutsches und württembergisches und bayerisches Idiom ihre Herkunft verriet, befand sich auch Manfred Vorderwülbecke, langjähriger prominenter Sportreporter des Bayerischen Fernsehens. Seit seiner Pensionierung verbringt er alljährlich fünf Monate in Kapstadt, weil hier seine Tochter lebt. Was niemand wusste: Der heute 68-Jährige war von 1950 bis 1954 Mitglied der Regensburger Domspatzen.

Den Gottesdienst in der Nazareth-Kirche zelebrierten Dompropst Dr. Wilhelm Gegenfurtner, Superior der Mallersdorfer Schwestern, und Domkapitular Peter Hubbauer, der als Seelsorgeamtsleiter des Bistums Regensburg auch das Referat Weltkirche leitet. Gegenfurtner erinnerte in seiner Predigt an das Hauptmotiv der Südafrika-Reise: den Regensburger Missionaren und Missionarinnen – vor allem den hier tätigen Mallersdorfer Schwestern – für ihren Einsatz zu danken. Die Begegnungen mit den Ordensleuten und Priestern hätten gezeigt, dass „der Mensch erst dann so richtig in seinem Element ist, wenn er liebt, wenn er auf andere schaut und fragt: Wie kann ich helfen?“ Mit solchen Taten der Nächstenliebe vor Augen böte sich die Chance, „das eigene Leben zu überdenken und vielleicht neu auszurichten“. Prälat Hubbauer schloss das Wirken der Kapstädter deutschen Gemeinde in seine Bilanz mit ein: „Hier haben wir erlebt, dass man als deutschsprachiger Katholik auch im Ausland Seelsorge und religiöse Geborgenheit in den gewohnten kirchlichen Strukturen erfahren kann. Wir daheim können von diesen Gemeinden lernen, dass Glaube verbindet und die Menschen zusammenführt.“

In der St.-Timothy-Kirche von Tafelsig zeigte sich dieser Zusammenhalt fast noch intensiver. Der charismatische Gemeindepfarrer, Father Emanuel Seljeur, ist Anhänger einer dialogischen Kirche. Beim Samstagabend-Gottesdienst mit den Domspatzen fragte er die Gläubigen, ob es „okay“ sei, wenn der Knabenchor aus Regensburg hier singe. „Yes, Father!“, schallte es begeistert zurück. Ebenso begeistert antworteten die Bewohner des Townships auf das liturgische „Der Herr sei mit euch“. Die Antwort „Und mit deinem Geiste“ war begleitet von einem bestätigenden Fingerzeig auf den beliebten Geistlichen.

Auch auf die Domspatzen sprang der Funke über: Noch inspirierter und beschwingter als sonst klangen sie in dieser einfachen Township-Kirche. Zu einem besonderen Zeichen des Dialogs – zwischen Schwarzen und Weißen, zwischen Pfarrer, Chor und Gemeinde – wurde eine Motette des Komponisten Joseph Rheinberger, die Bezug auf das Tagesevangelium nahm. Die Geschichte von den Emmaus-Jüngern, die den verklärten Jesus erst erkennen, als er mit ihnen das Brot teilt, fand ihren Widerhall im Gesang des Männerchors: „Herr, bleib bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneiget.“ Selten war der Geist der Begegnung, der dieser Südafrika-Reise Sinn und Ziel verlieh, so unmittelbar Musik geworden.



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