Mit „El Buen Morir“ präsentiert Mayoral eine zeitgenössische Installation rund um das Vanitas-Motiv. Doch anstatt Vergänglichkeit bloß darzustellen, vermittelt sie diese durch reale, sinnliche und selbst geschmackliche Erfahrungen. Ihre Arbeit ist eine Einladung, sich mit den grundlegenden Zyklen des Lebens auf eine Weise auseinanderzusetzen, die uns direkt betrifft: durch Essen, durch Ekel, durch Genuss. Statt den Tod zu betrauern, feiert „El Buen Morir“ das Leben.
Im Mittelpunkt der Installation steht das Bild eines Banketts, inszeniert durch üppige Blumen- und Speisenarrangements. Handgefertigte Tonsockel dienen als Träger einer visuellen Sprache, die vom Kreislauf des Lebens und der Unvermeidlichkeit des Verfalls erzählt. Hängende Blumenarrangements, organische Glasobjekte und das Zirpen der Zikaden verstärken die immersive Atmosphäre. Viele der Blumen stammen von einem Friedhof – weggeworfen, doch in Mayorals Werk erhalten sie eine neue Bedeutung und ein zweites Leben. Die Zikadengeräusche hingegen vermitteln ein Gefühl von Heimat.
Video ist ein weiteres zentrales Element der Installation und zeigt zwei von Mayorals Großmüttern – eine verstorbene und eine noch lebende. Ein Bildschirm zeigt einen einfachen Tag mit ihrer Großmutter mütterlicherseits, ein anderer einen Friedhofsbesuch. Die minimalistische, schnörkellose Kinematographie schafft eine intime und doch abstrakte Darstellung, die das Publikum an Mayorals tiefer familiärer Verbundenheit teilhaben lässt.
Über das Visuelle hinaus ist die Installation ein sinnliches Erlebnis. Mayoral hat ihren eigenen Wermut kreiert, angereichert mit Blumen und Kräutern aus Regionen, die ihre persönliche Geschichte prägen. Der weiße Wermut ist eine Hommage an Bayern, der dunkle an die spanischen Wurzeln. Dieses alkoholische Elixier verbindet Gärung mit Transformation – Zucker wird zu Alkohol, Früchte zu Essenzen. Der Prozess erinnert an die Alchemie der Renaissance, in der Wissenschaft und Kunst eng miteinander verwoben waren.
Für Mayoral ist diese Transformation nicht nur materiell, sondern auch metaphorisch – Erinnerungen, Emotionen und Traditionen werden in Flüssigkeit konserviert und dann konsumiert. Indem sie den Geschmackssinn des Betrachters anspricht, löst sie die Grenzen zwischen Kunst und Körper auf. Der Akt der Aufnahme schafft eine intime, fast subversive Verbindung zum Kunstwerk – die Betrachter beobachten nicht nur, sondern nehmen die von Mayoral gestalteten Materialien und Bedeutungen physisch auf. Das Publikum ist hier nicht nur Teilnehmer; seine Interaktion wird zum Kunstwerk selbst. So orientiert sich „El Buen Morir“ an neuen materialistischen Methoden, die die Auflösung subjektiver Grenzen betonen.
Ein Spannungsmoment entsteht durch die Gegenüberstellung von essbaren, in Zucker konservierten Blumen, aromatischen Elixieren und verrottenden, schimmeligen Lebensmitteln auf Podesten. Durch die bewusste Inszenierung von Fäulnis und Verwesung verdeutlicht die Installation die Tendenz der Gesellschaft, die Realität des Verfalls zu verdrängen. Dieser Kontrast unterstreicht nicht nur die Feier des Todes, sondern zwingt den Betrachter auch, sich mit Verworfenheit auseinanderzusetzen – einem Begriff, den die Philosophin Julia Kristeva als die beunruhigende Erkenntnis der eigenen körperlichen Zerbrechlichkeit definiert, etwa durch verrottende Lebensmittel oder als unrein erachtete organische Substanzen. Mayorals Werk fordert das Publikum auf, den Blick nicht von diesem Unbehagen abzuwenden, sondern sich ihm zu stellen – die Schönheit im Verfall zu akzeptieren.