Heute, am Aschermittwoch, …
…beginnt die Kirche mit ihrem vierzigtägigen Fasten, „Quadragesima“, wie es ihre liturgische Sprache nennt. Vierzig Jahre wanderte Israel durch die Wüste, vierzig Tage brauchte Elias bis zum Gottesberg Horeb, vierzig Tage fastete Jesus in der Wüste. Wüstenzeiten sind in der Bibel Zeiten der besonderen Nähe zu Gott.
Gerade eine Welt, die dem Menschen nur Wüste um sich herum und den Himmel über sich zeigt, scheint seinen Geist und seine Seele in besonderer Weise für die Erfahrung des Göttlichen zu öffnen. Wer baut in der Wüste schützende Häuser oder gar Schatzkammern, in denen man bergen und verbergen kann? Wie will man sich nutzlos um sich selber drehen, wenn jeder Tag aufs Neue Überlebensaufgaben stellt? Was will man in der schier endlosen Leere anbeten oder vergötzen? Wenn Menschen in der Wüste über Gott nachdenken, dann scheint es nahezuliegen, dass sie den wirklichen Gott, den allmächtigen Vater suchen.
Wenn ich auf die Kirche in Europa des Jahres 2022 blicke, dann sehe ich uns in einer ganz neuen Weise in die Wüste geschickt. Wie viele irdische Behausungen und Sicherungen mussten und müssen wir noch aufgeben? Was von dem, was uns gestern vertraut schien, können wir heute noch als Grund betrachten? Viel Wüste ist um uns herum und Leere scheint immer nur zu wachsen. Selbst Gott erscheint als ferne Wolke, die zerfließt, wo wir sie berühren möchten.
Auch die Kirche steht in der Versuchung, auf schmackhafte, sich anbiedernd aufdrängende Erlösungen zu setzen, aufzugehen in den flimmernden Wüstenbildern unserer Zeit, die sich als Lebenswirklichkeiten ausgeben.
Wüstenzeiten können freilich auch heute eine neue Zeit der Gnade einläuten, in der Glaube und Gottesnähe wachsen und sich entfalten. Das Manna des Glaubens gibt es jeden Tag neu. Wir müssen es uns nur geben lassen. Und so oft Gott und seine Kirche schon abgemeldet wurden: Selbst aus sonnenverbrannten, toten Felsen kann Gott lebendiges Wasser sprudeln lassen.
Ich lade Sie alle ein, uns voller Gottvertrauen und Freude, ohne Furcht, betend, fastend und umkehrend auf den Weg zu machen. Vielleicht vermag der eine oder andere der Gedanken, die Sie im Folgenden finden, dabei als hilfreiche Begleitung dienen. Gott ist das Licht schlechthin und kann uns aus dem Dunkel dieser Zeit herausführen. Gehen wir mit ihm dem neuen Tag entgegen. Lassen wir uns beschenken mit einem neuen Morgen in Gottes guter Schöpfung.