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Zu Allerheiligen und Allerseelen

Kleine Hoffnung, große Hoffnung, christliche Hoffnung

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Regensburg, 31. Oktober 2022. Das philosophische und theologische Denken des 20. Jahrhunderts hat im Thema Hoffnung „einen großen Schwerpunkt gefunden“ (Karl Lehmann). Das Werk des Philosophen Ernst Bloch „Das Prinzip Hoffnung“ gehört zu den grundlegenden Schriften der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Im deutschen Sprachraum gab es in der Folgezeit viele Bemühungen um eine Theologie der Hoffnung. Namen wie Jürgen Moltmann und Johann Baptist Metz sind zu nennen. Der Mensch hat viele kleinere und größere Hoffnungen. Für den jungen Menschen kann es die Hoffnung auf die große, erfüllende Liebe sein, die Hoffnung auf eine bestimmte berufliche Stellung, auf diesen oder jenen Erfolg. Wenn aber diese verschiedenen Hoffnungen erfüllt sind, zeigt sich, dass noch immer eine Leere bleibt. Es wird deutlich, dass der Mensch eine darüber hinausreichende Hoffnung braucht. Nur Unendliches kann uns genügen, das immer mehr ist als das, was wir von uns aus erreichen können.

Die große Hoffnung: Gott?

Der Mensch braucht die kleineren und größeren Hoffnungen, die ihn Tag für Tag auf dem Weg halten. Aber sie bleiben unzureichend ohne die große Hoffnung, die alles andere überschreitet. Diese große Hoffnung kann nur Gott sein, der das Ganze umfasst und dem Menschen geben und schenken kann, was dieser aus sich allein nicht vermag. Zur Struktur der Hoffnung gehört wesentlich das Beschenktwerden. Das Fundament der Hoffnung ist jener Gott, der ein menschliches Angesicht hat und jeden einzelnen und die Menschheit als ganze geliebt hat bis ans Ende. Sein Reich ist kein imaginäres Jenseits einer nie herbeikommenden Zukunft. Sein Reich ist dort existent, wo er geliebt wird und seine Liebe bei den Menschen ankommt. Gottes Liebe allein gibt dem Menschen die Möglichkeit, immer wieder in einer unvollkommenen Welt standzuhalten, ohne den Elan der Hoffnung zu verlieren. Die Liebe Gottes ist zugleich Gewähr dafür, dass es das, was der Mensch im Tiefsten erwartet, tatsächlich gibt: das wirkliche Leben. „Erlösung“ im Sinne des christlichen Glaubens ist uns in der Weise gegeben, dass uns eine „verlässliche Hoffnung“ geschenkt wurde, von der her wir die Gegenwart bewältigen können. Auf Hoffnung hin sind wir gerettet (vgl. Röm 8,24). Gegenwart kann gelebt und angenommen werden, wenn wir eines Zieles gewiss sein können und wenn dieses Ziel so groß ist, dass es die Anstrengungen des Weges rechtfertigt. Welcher Art aber ist die Hoffnung, von der wir sagen, von ihr her seien wir erlöst? Welche Art von Gewissheit gibt es dabei?

„Spe salvi“ Papst Benedikts XVI.

Im Jahr 2007 hat Papst Benedikt XVI. seine Enzyklika „Spe salvi“ („Auf Hoffnung hin sind wir erlöst“) veröffentlicht. Kardinal Lehmann hat auf die besondere „sprachliche Kraft“ dieser Enzyklika hingewiesen, die „ein eindrucksvolles Dokument“ über die christliche Hoffnung darstellt. Benedikt XVI. spricht darin viele Bedenken und Ängste der Menschen von heute an und setzt im Durchgang durch die Widrigkeiten des Lebens auf eine „große Ermutigung im Zeichen der christlichen Hoffnung.“ In „Spe salvi“ werden – so Wolfgang Huber, der ehemalige Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, – „die große theologische Leidenschaft“ und „die umfassende theologische Bildung“ Benedikts XVI. sichtbar. Die von ihm formulierte Kritik eines von der christlichen Hoffnung abgewandten neuzeitlichen Fortschrittsoptimismus ist „nachdrücklich zu unterstreichen“ (W. Huber).

Hoffnung und Glaube

Hoffnung ist ein zentrales Wort des biblischen Glaubens. Der Hebräerbrief (10,22 f) verbindet die „Fülle des Glaubens“ und das „unwandelbare Bekenntnis der Hoffnung“ eng miteinander. Nach 1 Petr 3,15 ist „Hoffnung“ gleichbedeutend mit „Glaube“. Das Beschenktsein mit einer verlässlichen Hoffnung hat das Bewusstsein der frühen Christen stark bestimmt. Paulus erinnert die Epheser daran, dass sie vor ihrer Begegnung mit Christus „ohne Hoffnung“ und „ohne Gott“ (Eph 2,12) in der Welt waren. Die Christen unterscheiden sich von anderen dadurch, dass sie Hoffnung haben (vgl. 1 Thess 4,13). Sie wissen, dass ihr Leben nicht ins Leere läuft. „Erst wenn Zukunft als positive Realität gewiss ist, wird auch die Gegenwart lebbar“ (Spe salvi, Nr. 2). Das Evangelium verändert das Leben; es sprengt die dunkle Tür der Zukunft auf. „Wer Hoffnung hat, lebt anders; ihm ist ein neues Leben geschenkt worden“ (ebd.). Der Glaube gibt dem Leben einen neuen Grund, auf dem der Mensch stehen kann (vgl. Hebr 10,34). Das Leben der Heiligen ist ein „Beweis“ dafür, dass die Verheißung Christi „nicht nur Erwartung, sondern schon wirkliche Gegenwart“ (Spe salvi, Nr. 8) ist.

Unerschöpfliche Freude

Hält der christliche Glaube – so fragt Benedikt XVI. in seiner Enzyklika – für uns eine Hoffnung bereit, die unser Leben trägt und verwandelt? Der Glaube schenkt das ewige Leben. Wollen wir eigentlich ewig leben? Endlos weiterzuleben scheint vielen „eher Verdammnis als ein Geschenk zu sein“ (Spe salvi, Nr. 10). Es gibt in unserer Haltung einen Widerspruch, der auf eine innere Widersprüchlichkeit unserer Existenz verweist. Einerseits wollen wir nicht sterben, andererseits möchten wir doch auch nicht endlos so weiterexistieren, und auch die Erde ist dafür nicht geschaffen. Dieser Zwiespalt unseres eigenen Wollens löst eine tiefere Frage aus: Was ist „Leben“ eigentlich? Was bedeutet „Ewigkeit“? Eigentlich wollen wir – so Augustinus – nur eines: das glückliche Leben. Aber Augustinus sagt auch: Genau besehen wissen wir gar nicht, wonach wir uns eigentlich sehnen. Wir kennen das „eigentliche Leben“ nicht. Dennoch wissen wir, dass es etwas geben muss, das wir nicht kennen und auf das hin es uns drängt. „Von uns aus können wir nichts wirklich Bleibendes schaffen. Wir erfahren dies in der Vergeblichkeit unseres Tuns, in der Hinfälligkeit unseres Lebens, in den Niederlagen beim Kampf gegen das Böse und schließlich in der Wirklichkeit des Todes“ (Karl Lehmann). Der Überschuss der Sehnsucht geht im Vorfindlichen nicht auf. „Ewiges Leben“ ist nur Gott selbst und die unerschöpfliche Freude an seiner bleibenden Gegenwart.

Verbunden mit dem, der die Quelle ist

Wenn jemand in seinem Leben die große Liebe erfährt, ist dies ein Augenblick der „Erlösung“, die seinem Leben neuen Sinn verleiht. Aber die ihm geschenkte Liebe allein kann die Fragen seines Lebens nicht endgültig beantworten. Denn die Liebe bleibt angefochten; sie kann durch den Tod zerstört werden. Die Erfahrung lehrt uns, dass die innerweltliche Glücksverheißung „in sich unerfüllt bleibt“ (Karl Lehmann). Der Mensch „braucht die unbedingte Liebe“ (Spe salvi, Nr. 26). Er braucht jene Gewissheit, von der Paulus im Römerbrief spricht: „Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist“ (Röm 8,38 f). Der Mensch ist erst dann erlöst, wenn es diese unbedingte Liebe mit ihrer unbedingten Gewissheit gibt. In diesem Sinne sprechen wir von unserer Erlösung durch Christus. „Seligkeit“ wird nur dann erreicht, wenn sie dem Menschen nicht mehr genommen werden kann. Gott gewährt eine Seligkeit, die größer ist als jeder menschliche Hunger und deshalb nicht der Sensationen wechselnder Moden bedarf. Die wahre, durch alle Brüche hindurch tragende Hoffnung des Menschen kann nur Gott sein, der uns „bis zur Vollendung“ (Joh 13,1) geliebt hat. Wer von der Liebe berührt wird, beginnt zu ahnen, was Leben eigentlich bedeutet. Leben ist Beziehung; und das Leben in seiner Ganzheit ist Beziehung zu dem, der die Quelle des Lebens ist, der nicht stirbt, weil er das Leben und die Liebe selber ist. Im Mitsein mit Christus wird es uns erst möglich, wirklich für die anderen da zu sein. „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“ (Joh 17,3).

Domkapitular Prof. Dr. Josef Kreiml, Leiter der Hauptabteilung Schule / Hochschule im Bistum Regensburg / vn



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