Aktion „Volltreffer“ gegen Kindersoldaten in Kelheim – „Auf Tore schießen statt auf Menschen“
(keb) Im Rahmen der ökumenischen Aktion gegen den Einsatz von Kindersoldaten „Volltreffer – Auf Tore schießen statt auf Menschen“ hat die ehemalige Kindersoldatin China Keitetsi am Dienstag, 24. Mai, in Kelheim von ihrem Schicksal berichtet. Im Alter von acht Jahren ist China Keitetsi im Jahr 1984 in ein Rekrutierungslager für Kindersoldaten in Uganda geraten. Kinder arbeiteten dort als Koch oder als unverdächtige Spione an der Front. Bei ihrem ersten Kriegseinsatz spielt sie mit anderen Kindern auf der Straße um so einen Militärkonvoi aufhalten, der dann von der Rebellenarmee des heutigen Staatspräsidenten Museveni überfallen wurde.
Mit neun Jahren musste sie selbst den ersten Menschen töten. „Sie haben uns gesagt, dass unsere Feinde keine Menschen sind und haben ihnen Tiernamen gegeben. Vielen Kindern haben sie erzählt, die Feinde hätten ihre Eltern getötet. Ich wusste, dass es bei mir nicht so war und uns diese Menschen nichts angetan hatten.“ Später ist es an der Tagesordnung, dass Vorgesetzte weibliche Kindersoldaten missbrauchen. Mit 14 Jahren wird China Keitetsi Mutter. Mit 19 Jahren flieht sie aus Uganda und kommt mit Hilfe der Vereinten Nationen nach Dänemark. „Als ich dort gesehen habe, wie andere Kinder groß werden, habe ich gedacht, ich bin 200 Jahre alt“, beschreibt sie das Gefühl, dass ihr die Kindheit und auch jede Würde als Frau geraubt worden ist. „Das ist das größte Verbrechen und ich habe damals das Gefühl gehabt, dass die Welt das ignoriert.“
Interesse und kirchliche Unterstützung machen Mut
Der heute 28jährigen ist es mit vielfältiger Hilfe in den letzten Jahren gelungen, ein neues Leben zu beginnen. Sie hat aber nicht vergessen, dass weltweit etwa 300 000 Kinder noch heute ihr früheres Schicksal erleiden. Zusammen mit dem katholischen Hilfswerk Missio plant sie deshalb ein Rehabilitationszentrum für Kindersoldaten in Ruanda. Um auf das Schicksal dieser Kinder aufmerksam zu machen, hat sie ihre Erfahrungen in dem Buch „Sie nahmen mir die Mutter und gaben mir ein Gewehr“ aufgeschrieben und hält Vorträge, wie den in Kelheim. Besonders hat sie gefreut, dass unter den über 80 Besuchern eine große Gruppe Jugendlicher war. „Euch danke ich besonders für das Kommen. Meine Welt war seit ich acht Jahre alt war mein Gewehr, meine Uniform, meine Zigaretten, mein täglicher Dienst. Seid euch bewusst, was es bedeutet, in einer Familie in Geborgenheit aufzuwachsen und in die Schule gehen zu können“. China Keitetsis Visitenkarte zeigt einen winzigen kurzbeinigen Kindersoldaten mit seinem Gewehr, der von einem übermächtigen Offizier herumkommandiert wird und dabei von bunten Malstiften träumt. Das Interesse der Jugendlichen und auch die inzwischen zahlreichen kirchlichen Organisationen, die sich des Schicksals der Kindersoldaten annehmen, machen ihr Mut.
Ökumenische Aktion im Vorfeld der Fußball-WM
Deshalb ist China Keitetsi Botschafterin der „Aktion Volltreffer – Auf Tore schießen statt auf Menschen“, die von den kirchlichen Hilfswerken Adveniat, Missio und dem Evangelisch Lutherischen Missionswerk Bayern organisiert wird. Im Umfeld der Fußballweltmeisterschaft soll so auf den Missbrauch von Kindersoldaten aufmerksam gemacht werden. Das Motto greift auch die entscheidende Bedeutung des Sports, insbesondere des Fußballs, in der Rehabilitation auf, das berichtete Dieter Zabel von Missio München bei dem Informationsabend in Kelheim. Allein die im Aktionsbündnis zusammengeschlossenen Hilfswerke unterstützen 15 Projekte mit je 80 bis 120 Kindern.
Kirchliche Hilfsprojekte lassen Würde erfahren
„Erstmals in ihrem Leben erfahren in den oft von Ordensschwestern geführten Häusern die Kinder und Jugendlichen Geborgenheit und Angenommensein. Oft stammen sie aus zerrütteten Familien und das Militär wird trotz all seiner Grausamkeit eine Art Ersatzfamilie. Dem Versuchen wir in den kirchlichen Projekten die Erfahrung wirklicher Geborgenheit und menschlicher Würde entgegenzusetzen, die diesen Kindern von den Militärs bewusst geraubt worden ist“, so Dieter Zabel, Menschenrechtsexperte von Missio München. Entscheidend ist es, den Kindern und Jugendlichen bei der Verarbeitung ihrer traumatischen Erlebnisse zu helfen. China Keitetsi berichtete von zahlreichen Selbstmorden ehemaliger und aktiver Kindersoldaten. Auf dem Programm der Kinder, die oft keinerlei Schule besucht haben, stehen auch schulisches Basiswissen und das Erlernen beruflicher Fähigkeiten. Die Jugendlichen, die bisher in allen Lebensbereichen ausschließlich Befehlsempfänger waren müssen lernen, selbst ihre Entscheidungen zu treffen. Schließlich werden sie auf ihrem schwierigen Weg aus dem geschützten Bereich zurück in das normale Leben begleitet.
Veranstalter des Informationsabends in Kelheim waren die evangelische Kirchengemeinde Kelheim, die katholische Pfarrei St. Pius, die Katholische Erwachsenbildung im Landkreis Kelheim, der Kreis-Caritasverband sowie der Verein „Solidarität in der einen Welt e.V.“