News Bild Adveniat zu den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Guatemala: „Von demokratischen Wahlen kann keine Rede sein“
Adveniat zu den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Guatemala: „Von demokratischen Wahlen kann keine Rede sein“

Kirche steht an der Seite der benachteiligten indigenen Völker

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Essen, 22. Juni 2023

„Von demokratischen Wahlen kann in Guatemala keine Rede sein.“ Das steht für die Mittelamerika-Referentin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat Inés Klissenbauer mit Blick auf die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in dem mittelamerikanischen Land am Sonntag, 25 Juni 2023, fest.

„Nahezu alle aussichtsreichen Kandidatinnen und Kandidaten der Opposition sind mit Hilfe des Verfassungsgerichts in abgekarteten, von oben gelenkten Verfahren von der Wahl ausgeschlossen worden“, kritisiert Inés Klissenbauer. Das gelte für Thelma Cabrera vom indigenen „Movimiento para la liberación de los pueblos“ („Bewegung für die Befreiung der Völker“) ebenso wie für den früheren Ombudsmann für Menschenrechte Jordán Rodas oder den Unternehmer und bisherigen Überraschungskandidaten Carlos Pineda. „Unabhängige Richter, Journalisten und Vertreter von Indigenenverbänden werden systematisch kriminalisiert. Viele haben das Land verlassen, um unfairen Prozessen zu entgehen“, fasst die Adveniat-Expertin die Situation zusammen. „Rechtstaatlichkeit existiert im Land nicht mehr.“

Unter den aussichtsreichsten Bewerberinnen und Bewerbern um das Präsidentenamt ist Zury Ríos, die Tochter des ehemaligen Diktators Ríos Montt. Dieser war Anfang der 1980er Jahre verantwortlich für zahlreiche Massaker an den Maya-Ixil. 2019 war Zury Ríos noch von den Wahlen ausgeschlossen worden, weil die Verfassung eine Kandidatur von Verwandten von Diktatoren ausschließt. Für Inés Klissenbauer ein weiterer Beleg dafür, dass die Unabhängigkeit der Justiz in Guatemala nicht mehr existiert. Chancen auf die Teilnahme an einem zweiten Wahlgang werden auch Sandra Torres zugeschrieben. Die ehemalige Frau des Ex-Präsidenten Colom ist bereits mehrfach angetreten, aber stets auf Platz zwei gelandet. Der Dritte ist der Journalist, Anwalt und Botschafter des Landes, Edmundo Mulet. Alle drei wurden bereits wegen „Verbindungen zum organisierten Verbrechen beschuldigt“, wie das Magazin „Lateinamerika-Nachrichten“ schreibt. Adveniat-Referentin Inés Klissenbauer berichtet, dass in Guatemala längst davon gesprochen wird, dass das Land von „einem Pakt der Korrupten“ regiert wird. „Reiche, einflussreiche Gruppen kontrollieren mit ihren Leuten das Parlament und die staatlichen Institutionen. Die Folge: Ein weiteres Anwachsen der Korruption, Gewalt, Straflosigkeit und die Kriminalisierung der indigenen Bevölkerungsmehrheit, um sie von ihren Territorien zu vertreiben und sich mit der Ausbeutung der Bodenschätze dort zu bereichern“, fasst Inés Klissenbauer zusammen.

Struktur der Kirche reicht bis ins kleinste Dorf

Selbst ausländische Hilfen während der Corona-Pandemie wurden veruntreut. Proteste unter dem Motto „Wo ist das Geld hin?“ machten darauf aufmerksam, dass bei vielen Menschen nichts ankam. „Das zarte Pflänzchen der Demokratie ist in Guatemala verdorrt“, sagt Inés Klissenbauer. Weil der Staat bei seinen elementaren Aufgaben wie beispielsweise Versorgung, Rechtsstaatlichkeit, Bildung und Gesundheit versagt, springt die Kirche mit ihrer bis ins kleinste Dorf reichenden Struktur ein. Entsprechend hat das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat den Kauf von Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Medikamenten während der Pandemie finanziell unterstützt. Diese Hilfe kam an.

Der Fokus der Arbeit liegt aber auf langfristiger Hilfe zur Selbsthilfe „Unsere Partnerinnen und Partnern vor Ort bilden insbesondere auf dem Land Frauen und Männer aus, die Familien von der Schwangerschaft an bei Ernährung, Gesundheit und Erziehung beistehen“, berichtet die Adveniat-Referentin Inés Klissenbauer. Angesichts der Tatsache, dass eines von zwei Kindern chronisch unterernährt ist, ist dies dringend notwendig. Um dem verbreiteten Hunger etwas entgegenzusetzen, fördert das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat kirchliche Programme zur Ernährungssicherheit. Juristische Beratungsstellen der Kirche sorgen dafür, dass die Menschen über ihre Rechte aufgeklärt werden. „Adveniat unterstützt gezielt die Kirche vor Ort, weil sie eine wichtige Institution im Land ist, die an der Seite der Hungernden, der Armen und der benachteiligten indigenen Völker steht, und der die Menschen vertrauen“, erklärt die Mittelamerika-Expertin Inés Klissenbauer.


Titelbild: Die Gesundheitsversorgung in Guatemala funktioniert nicht. Deshalb übernehmen – unterstützt vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat – kirchliche Krankenstationen wie hier in der Kleinstadt Iztapa die Aufgaben des Staates. Foto: Achim Pohl/Adveniat

Text: Adveniat
(mk)

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Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, steht für kirchliches Engagement an den Rändern der Gesellschaft und an der Seite der Armen. Getragen wird diese Arbeit von vielen Spenderinnen und Spendern – vor allem auch in der alljährlichen Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember. Adveniat finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden. Die Hilfe wirkt: Im vergangenen Jahr konnten 1.500 Projekte mit rund 32 Millionen Euro gefördert werden, die genau dort ansetzen, wo die Hilfe am meisten benötigt wird: an der Basis, direkt bei den Menschen vor Ort.



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