60 Jahre Katholische Akademie: Symposium zu deutsch-tschechischen Verbindungen
Ihr 60-jähriges Bestehen feiert heuer die in München angesiedelte, aber ganz Bayern verbundene Katholische Akademie Bayern. Dazu gibt es von April bis Oktober in den sieben bayerischen Bistümern spezielle Veranstaltungen, die jeweils diözesane Schwerpunkte zum Inhalt haben. Im Bistum Regensburg war dies ein im „Centrum Bavaria Bohemica“ in Schönsee abgehaltenes Symposium zum Thema „Die Ostausrichtung des Bistums Regensburg in Geschichte und Gegenwart“.
Gut 80 Personen wohnten der Veranstaltung bei. Im Zentrum stand eine Podiumsdiskussion mit dem Regensburger Bischof Dr. Rudolf Voderholzer, seinem Pilsener Amtskollegen Dr. Tomáš Holub und dem Regensburger Kirchenhistoriker Prof. Dr. Klaus Unterburger, moderiert vom Direktor der Katholischen Akademie Monsignore Dr. Florian Schuller. Die Akademie war Hauptveranstalter, unterstützt von der Ackermann-Gemeinde.
Ostbayern und Böhmen in der Geschichte
Einen historischen Überblick zum Thema „Ostbayern und Böhmen in der Geschichte“ gab der Ordinarius für Mittlere und Neue Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät der Universität Regensburg Prof. Dr. Klaus Unterburger, der auch Vorsitzender des Hochschulkreises der Katholischen Akademie Bayern ist. Ausgehend von einem Zitat Bischof Wolfgangs, in dem er Böhmen als „Perle“ bezeichnet und sich für diese einsetzt, beleuchtete der Kirchenhistoriker die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Böhmen und Ostbayern vor allem im Bereich der Kirche mit Parallelen und Gemeinsamkeiten sowie natürlich auch unterschiedlichen Entwicklungen, die vor allem im 19. Jahrhundert mit der einsetzenden Industrialisierung und dem aufkommenden Nationalismus die Hauptursachen hatten – bis hin zu den jüngsten und schlimmsten Ereignissen im 20. Jahrhundert.
Frühe Industrialisierung in Böhmen
Die ca. 150 Mitglieder starke Ackermann-Gemeinde im Bistum Regensburg, deren Aktivitäten sowie den Bundesverband, der im letzten Jahr auf sieben Jahrzehnte Wirken zurückblicken konnte, stellte der Regensburger Diözesanvorsitzende Leonhard Fuchs vor. Und er machte deutlich, dass Integration und Beheimatung auch heute – freilich unter anderen Vorzeichen und Rahmenbedingungen – wieder wichtig sind. Bei der Podiumsdiskussion nahm Moderator Monsignore Dr. Schuller einzelne Aspekte des Vortrags von Prof. Unterburger auf und fragte zunächst die beiden Bischöfe nach den für sie wichtigen historischen Epochen. Bischof Holub nannte das 19. Jahrhundert mit den vielen Änderungen, weil sich hier „Antworten für die heutige Zeit“ finden. Insbesondere die Industrialisierung, die in Böhmen sehr schnell und früh eingesetzt hat, habe vor allem bei Intellektuellen die Kritik sehr zugespitzt – unter anderem im Verhältnis zwischen Lehrern und Priestern. Hier sei die Kirche auf ihre Barock-Mentalität zurückgewichen, was den Verlust der Fähigkeit zum Dialog für viele Jahrzehnte bewirkte.
Christentum ist beste Nationalismus-Prophylaxe
Bischof Voderholzer verwies einerseits auf das Gründungsjahr 1115 des Klosters Kladrau/Kladruby bzw. auf die Jahre 1945/46. Denn im Zuge der Vertreibung ging Bischof Voderholzers Mutter damals bei Eslarn „schwarz über die Grenze – eine Strecke, die man in der Nacht gehen konnte“. Aber auch die Zeit der Grenzöffnung 1989/90 nannte der Regensburger Oberhirte. „Jede der Jahreszahlen hat mit meinem eigenen Leben zu tun“, fasste Bischof Voderholzer zusammen. Er wies aber auch dem 19. Jahrhundert eine hohe Bedeutung als „Schlüssel für viele Probleme der weiteren Geschichte“ zu. „Das Christentum in seiner katholischen Ausprägung ist die beste Nationalismus-Prophylaxe, die es gibt“, erläuterte der Regensburger Bischof zum Aspekt des Nationalismus im 19. Jahrhundert.
Die Entwicklung der kirchlichen bzw. katholischen Milieus ab dem 19. Jahrhundert skizzierte Prof. Unterburger: Die Gründung etwa von Zeitungen und Verbänden trug im 19. Jahrhundert in Deutschland zu einer Stabílisierung der Kirche bei, während ab den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts die Milieus wieder abnahmen. Im Gegensatz dazu gab es in Böhmen keine solchen katholischen Milieus. Dadurch könne, so der Kirchenhistoriker, die Kirche dort „als glaubwürdiger Vermittler von Antworten für Suchende“ wirken. Bischof Voderholzer empfahl, die „großen Schätze der Kultur, Musik, Kunst und Architektur, d.h. den ganzen Reichtum des Glaubens“ stärker in die pastorale Praxis einzubeziehen - also weg vom traditionellen Zugang hin zu einem persönlichen Zugang.
Diesen Ansatz unterstützte auch Bischof Holub. „Erleben ist anders als jede philosophische Reflexion“, konkretisierte er und verwies in diesem Kontext auf seine eigenen Glaubenserfahrungen als Militärseelsorger der tschechischen Armee in Bosnien-Herzegowina. Bischof Voderholzer empfahl auch die vor allem in Grenzregionen organisierten Wallfahrten, an denen vielfach bereits Menschen beider Nationen teilnehmen.
Ein Triptychon für den Pilsener Bischof
Eine Überraschung hatte zum Abschluss des Symposiums Bischof Voderholzer für seinen Pilsener Amtsbruder parat. Da im letzten Jahr die Zeit zwischen der Ernennung (12. Februar 2016) und der Weihe (30. April 2016) Holubs zum Pilsener Bischof zu kurz für die Schaffung eines dem Anlass entsprechenden Geschenkes war, überreichte der Regensburger Oberhirte nun nachträglich das Präsent: ein von dem in Michelsneukirchen (Landkreis Cham) wirkenden Künstler Franz Berg (* 1953) geschaffenen Triptychon „Regensburg und Böhmen“. Das aus drei Bildtafeln bestehende Kunstwerk verbindet quasi die Bistümer Prag, Pilsen und Regensburg. Der Heilige Wolfgang - in der Darstellung wie am Hochaltar der Klosterkirche in Kadrau - verbindet in der Mitte die drei Teile. Die Pilsener Bistumskirche, die St.-Bartholomäus-Kathedrale auf dem Platz der Republik in Pilsen, wird eingerahmt vom Dom St. Peter in Regensburg und dem Prager Veitsdom.
Statio in der Klosterkirche Kladruby
Im Anschluss an das Symposium feierte Bischof Dr. Rudolf Voderholzer eine Statio in der Kirche des ehemaligen Benediktinerklosters im tschechischen Kladruby (Kladrau). Mit dem Regensburger Bischof Wolfgang hängt auch die Gründungslegende der Anlage zusammen. Denn auf dem Weg zur Inthronisation des ersten Prager Bischofs auf der Goldenen Straße soll Bischof Wolfgang bei Waldarbeitern Rast gemacht haben. Diese bat er um ein Beil, mit diesem soll er einen Ast von einem Baum geschlagen haben, und auf der Anhöhe, auf der dies geschehen ist, soll später -so die Verheißung - eine große Kirche stehen. Daher befindet sich auf dem Hochaltar auf der rechten Seite eine Figur des Heiligen Wolfgang mit Axt und Ast. Auch das Patrozinium der Kirche gilt ihm und der Gottesmutter Maria. Marienwallfahrten gab es bereits im 16. und 17. Jahrhundert, in den 90er Jahren – nach der Wende – versuchten die hier wirkenden Benediktiner diese Tradition zu beleben. Bischof Rudolf ließ es sich neben der Feier der Andacht nicht nehmen, den Gästen im Rahmen einer kleinen Führung diese Hintergrundinformationen zu erläutern.