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113. Ökumenisches Gespräch zum Thema Glaube und Digitalität

Wo religiöse Sozialisation heute stattfindet

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Regensburg, 14. Oktober 2022

Allverfügbar, unvergesslich, unsterblich? Macht das die Digitalität möglich? Wie lässt sich die Wirklichkeit Gottes im Zeitalter digitaler Weltbewältigung beschreiben und inwieweit löst die digitale Welt das Versprechen einer heileren Welt ein? Mit diesen Fragen befasste sich der gemeinsame Gesprächsabend des Evangelischen Bildungswerkes Regensburg e.V. (EBW) und der Katholischen Erwachsenenbildung Regensburg-Stadt e.V. (KEB) im Runtingersaal in Regensburg. „Zu diesem Thema bringt jeder seine eigenen Erfahrungen mit“, sagte Sandra Fröhling vom EBW bei der Begrüßung des Referenten und der Gäste. „Glaube und Digitalität berührt uns und wirft Fragen auf.“ Pfarrerin Dr. Gabriele Kainz aus Regensburg übernahm die Vorstellung des Referenten, bei dem das berufliche Detail ins Auge sticht, dass er zunächst den Beruf des Kaminkehrers gelernt hat, bevor er Theologie und Psychologie studierte. Seit 2010 ist er Pfarrer an der Haupt- und Bischofskirche St. Matthäus in München.

Pfarrerin Dr. Gabriele Kainz begrüßte die Gäste.

Religionserschließung findet über Medien statt

Gleich zu Beginn seines Vortrags schränkte Pfarrer Norbert Roth ein, dass es nicht möglich sei, die aufgeworfenen Fragen abschließend zu beantworten. Sein Vortrag bot Impulse an, die zum Nachdenken und Diskutieren anregen sollen über die Digitalität und den Einfluss auf das Leben und den Glauben. Sein Interesse ist es, die Theologie im Licht der Digitalität zu beleuchten. „Medien, als ein Überbegriff der Digitalität, waren und sind nie nur Transportmittel“, betonte er. Sie seien Bestandteil einer Gegenwartskultur und würden eine Menge über das Leben in einer Gesellschaft, über eine Epoche, eine Region, einen Kulturraum aussagen. „Medienfragen sind immer gesamtgesellschaftliche Themen“, erklärte Roth. Als Beispiel aus seiner pastoralen Wirklichkeit nannte er, dass es hochinteressant sei und zudem herausfordernd und auffallend, dass sich Religionserschließung heute zunehmend über Medien vollziehe wie Internet, Filme und Soziale Netzwerke. „Die religiöse Sozialisation finde kaum mehr über traditionelle Instanzen statt, also über die Familie, den Kindergarten, den Kindergottesdienst oder die Kirchengemeinde. „Was wir im kirchlichen Handeln und auch in der Theologie kaum berücksichtigt haben, ist, dass Kinder und Jugendliche sich religiöse Erfahrungen auch und mit großer Wahrscheinlichkeit immer mehr selbst, und dann über die ihnen leicht verfügbaren Medien erschließen“, erklärte er.

Yiliam Lopez an der Blockflöte und Moisés  Santiesteban Pupo am Piano gestalteten die Veranstaltung musikalisch.

Entstehung des Dataismus

„Der Spirit“ der Digitalisierung, der vor allem vom kalifornischen Silicon Valley ausgehe und inzwischen über die ganze Welt gehe, trete durchaus mit dem Anspruch an, eine neue Religion zu begründen. „Vielleicht ist es eine Quasi-Religion, aber in jedem Fall ist es eine geistige Bewegung, die an die Stelle dessen tritt, was man traditionell als Religion kannte“, erklärt Roth. Diese religiöse Bewegung, die gerade entstehe, sei der Dataismus, ein Begriff, der auf den Autor Yuval Harari zurück geht. „Der Dataismus verehrt weder Menschen noch Götter, er huldigt den Daten“, erklärte Roth. Dem Dataismus zufolge bestehe das Universum aus Datenströmen. Der Wert jedes Phänomens und jedes Wesens bemesse sich nach ihrem Beitrag zur Datenverarbeitung. Der Dataismus reiße die Grenze zwischen Tieren und Maschinen ein und gehe davon aus, dass elektronische Algorithmen irgendwann biochemische Algorithmen entschlüsseln und hinter sich lassen. Im Kern gehe es darum, Göttlichkeit zu erlangen und so die Attribute der Allwissenheit, Allmacht und Unsterblichkeit zu erfüllen.

Pfarrerin Dr. Gabriele Kainz (von links), Silke Schötz (EBW), Pfarrer Dr. Norbert Roth, Sandra Fröhling (EBW), Karin Hebauer und Miriam Metze (beide KEB).

Wenn ein Leben Platz im Speichermedium findet

Mit der Firma Calico, einer Tochterfirma von Google, gebe es ein Unternehmen, deren erklärtes Ziel es ist, den Tod abzuschaffen, wie auf deren Homepage zu lesen sei. Alles, was an Informationen und Erfahrungen über die Spanne des eigenen Lebens an Daten gesammelt wurde, werde irgendwann elektronisch aufgearbeitet und auf ein dauerhaftes Speichermedium kopiert. „Wenn man tot ist, bleibt der Bewusstseinsinhalt weiterhin vorhanden und kann wiederum von einem Roboter implementiert werden“, sagte Roth. Im Anschluss an den Vortrag bestand die Möglichkeit Fragen zu stellen und mit Norbert Roth über die von ihm vorgestellten Thesen zu diskutieren. Musikalisch umrahmt wurde der Abend von Yiliam Lopez an der Blockflöte und Moisés  Santiesteban Pupo am Piano. Nach dem offiziellen Teil konnten die Besucher noch bei Sekt, Selters und Knabbereien im direkten Gespräch mit dem Referenten den Abend beschließen.

Text und Fotos: Martina Groh-Schad/jas



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