ZELIE und LOUIS MARTIN: Als Ehepaar heilig
Heilige Familien gibt es kaum – also Familien, in denen nicht nur ein Angehöriger heiliggesprochen wurde, sondern gleich mehrere; Eltern und ihre Kinder etwa. Eine Ausnahme bilden der heilige Kirchenlehrer Augustinus und seine Mutter Monika. Eine andere Ausnahme sind die Eltern der heiligen Thérèse von Lisieux, die 2015 von Papst Franziskus heiliggesprochen wurden.
Die Tochter Thérèse ist weltbekannt, Sie wurde zur Ehre der Altäre erhoben, ihr Heiligtum in Lisieux ist heute ein enorm pulsierendes Pilgerzentrum. Genau wie die Tochter wurden indessen auch die Eltern, Louis und Zélie Martin, in den Kreis der Heiligen erhoben. Sie sind dabei nicht nur als „Zusatz“ zu ihrer weit bekannteren Tochter heiliggesprochen worden – oder vielleicht einfach deswegen, weil sie diese Tochter und ihre weiteren Kinder zur Ehre Gottes erzogen haben. Vielmehr war es ihr Leben als Ehepaar selbst, das sie zu heiligen Menschen machte.
Verhindertes Ordensleben
Beide wollten eigentlich ein Leben im Kloster führen – der Plan Gottes scheint aber etwas anderes für sie bestimmt zu haben. Louis, geboren 1823 in Bordeaux, wollte Augustiner-Chorherr werden; sein Ordenseintritt scheiterte aber an mangelnden Lateinkenntnissen. Zélie, 1831 geboren, wollte Vinzentinerin werden, wurde aber aus gesundheitlichen Gründen als Kandidatin abgelehnt. Die beiden frommen Christen begegneten einander und müssen im ersten Augenblick schon gespürt haben, dass sie zu einem Leben miteinander als Eheleute berufen waren. Nur drei Monate nach dieser „Liebe auf den ersten Blick“ heirateten Zélie und Louis.
Neun Kinder bekamen die Eheleute, vier von ihnen aber starben bereits im Kindesalter. Die letzte der Töchter war Therese von Lisieux. Sie folgte ihren beiden Schwestern in den Karmelitinnenorden. Dort lebte sie eine ganz besondere Art der Nachfolge Jesu: Sie wollte die Liebe und Hingabe an Gott gerade in den kleinen Gesten des Alltags zum Ausdruck bringen. Als die heilige Ordensschwester im Alter von nur 24 Jahren starb, galt sie bereits als große Heilige. Bis heute wird sie von unzähligen Menschen auf der ganzen Welt verehrt.
Heilige Eltern
Als Eltern bemühten sich Louis und Zélie tagtäglich und mit großem Erfolg, ein Leben als christliche Familie zu führen. Gemeinsam beteten sie mit ihren Kindern, besuchten regelmäßig den Gottesdienst und versuchten, für arme und bedürftige Mitmenschen da zu sein. Im Alter von nur 45 Jahren starb Zélie an Brustkrebs. Die beiden Eheleute werden in der katholischen Kirche heute nicht deshalb verehrt, weil sie Eltern einer heiligen Tochter sind – sondern weil sie selbst ein heiliges Leben führten. Sie ließen sich nicht davon abhalten, ihr ganzes Leben Gott zu widmen, auch wenn der erste Versuch des Klostereintritts in beiden Fällen gescheitert war. Ihr Eheleben verstanden sie als Berufung, in dieser Welt Zeugnis von ihrem Glauben zu geben.
Louis und Zélie lebten im 19. Jahrhundert, aber sie übernahmen Verantwortung in einem Sinne, der auh heute als gültig und zeitgemäß gelten könnte. Einige Aspekte dieser Verantwortung nehmen quasi die Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils vorweg. Die Konzilsväter betonten stark die Verantwortung jedes Christen – egal, wo er steht; egal, welchen Beruf er verfolgt.
Apostolat der Laien
Wenn wir im kirchlichen Kontext von Berufungen sprechen, sind meist Ordensleute und Priester gemeint. Natürlich stimmt das: Es handelt sich hier um eine ganz besondere Berufung in den Dienst des Herrn. Aber auch die Ehe ist eine besondere Berufung. Die katholische Ehe ist ein Sakrament – das bedeutet: Die Liebe der Eheleute symbolisiert die Liebe Gottes zu den Menschen. Sie ist aber gleichzeitig mehr als ein Symbol; sie ist ein „Realsymbol“: Indem die Ehe die Liebe Gottes bezeichnet, vermittelt sie diese Liebe zugleich. Es ist damit die Aufgabe und Berufung der Eheleute, auf sichtbare Art und Weise die Wirklichkeit der Liebe Gottes sichtbar zu machen. Das ist eine große und wunderbare Aufgabe, zugleich aber auch eine Herausforderung. Im menschlichen und schwachen Zeichen wird die starke und unendliche Wirklichkeit Gottes sichtbar und spürbar.
Für die Konzilsväter ist der Einsatz der Laien für das Evangelium unerlässlich. Im Dekret „Apostolicam Actuositatem“ (AA) schreiben sie: „Denn das Apostolat der Laien, das in deren christlicher Berufung selbst seinen Ursprung hat, kann in der Kirche niemals fehlen.“ (AA 1). Und weiter: „Es besteht in der Kirche eine Verschiedenheit des Dienstes, aber eine Einheit der Sendung.“ (AA 2) Auch wenn die verschiedenen Berufungen der Kirche sehr unterschiedlich sind, dienen sie doch dem einen Ziel: Ob Priester oder Ordensfrau, Ehefrau oder Ordensmann – allen Christen ist die Verkündigung des Evangeliums anvertraut. Zélie und Louis Martin haben das auf vorbildliche, ja heiligmäßige Weise vorgelebt. Sie dürfen daher auch heute noch Schutzpatrone aller Familien und Eheleute sein. Papst Franziskus sprach die Eheleute während der Bischofssynode am 18. Oktober 2015 heilig.
Titelfoto © gemeinfrei