Durch das Kirchenjahr
Warum habt ihr Angst?
… mit Benedikt
Zwölfter Sonntag im Jahreskreis – Markus 4,35-41
„35An jenem Tag, als es Abend geworden war, sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wir wollen ans andere Ufer hinüberfahren. 36Sie schickten die Leute fort und fuhren mit ihm in dem Boot, in dem er saß, weg; und andere Boote begleiteten ihn. 37Plötzlich erhob sich ein heftiger Wirbelsturm und die Wellen schlugen in das Boot, sodass es sich mit Wasser zu füllen begann. 38Er aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief. Sie weckten ihn und riefen: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen? 39Da stand er auf, drohte dem Wind und sagte zu dem See: Schweig, sei still! Und der Wind legte sich und es trat völlige Stille ein. 40Er sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben? 41Da ergriff sie große Furcht und sie sagten zueinander: Wer ist denn dieser, dass ihm sogar der Wind und das Meer gehorchen?“ – Markus 4,35-41
In Deutschland brauchen wir uns eigentlich nicht vor Naturkatastrophen zu sorgen. Zumindest dachten wird das: Erdbeben sind selten, Überschwemmungen halten sich regelmäßig in Grenzen, Tsunamis erreichen Deutschland nicht, Waldbrände wüten anderswo schlimmer als bei uns. Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat uns eines Besseren belehrt: Auch wir in Deutschland, wir modernen und entwickelten Menschen standen und stehen plötzlich machtlos einer um sich greifenden Krankheit gegenüber. Es ist kein Zufall, dass Papst Franziskus gerade dieses Evangelium auswählte, als er im März 2020 während des ersten Höhepunktes der Pandemie auf dem Petersplatz den Segen „Urbi et Orbi“ spendete. Auch wir befinden uns manchmal in der Situation der Jünger: Die Wellen gehen hoch, das Boot füllt sich bereits mit Wasser.
„Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?“
Die Jünger haben Angst und können ihren Augen nicht trauen: Jesus schläft seelenruhig im Boot. Sie sagen: „Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?“ Jesus erwacht und befiehlt dem Wasser Ruhe. Der Sturm legt sich augenblicklich. Einerseits zeigt das Markusevangelium hier erneut, dass Jesus mit Vollmacht handelt. Er spricht nicht nur, er greift auch ein. Und diese ungekannte Macht gar über Naturgewalten zeigt zugleich, dass Jesus nicht nur ein Prediger ist, sondern der vom Vater auf die Erde gesandte Sohn.
Diese Perikope hat aber noch eine zweite Zielrichtung. Jesus fragt die Jünger nach ihrem Unglauben: „Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“ Man könnte das nun so verstehen, dass Jesus wohl nicht den Tod seiner Jünger zulassen würde und alleine der Gedanke der Jünger daran schon Unglaube ist. Doch: Sterben nicht seit zweitausend Jahren Menschen, weil sie an Jesus Christus glauben? Sagt Jesus nicht selbst den Seinen: „In der Welt seid ihr in Bedrängnis“ (Joh 16,33)? Nur weil wir an Jesus glauben, sind wir nicht gegen alle Gefahren gefeit. Vielleicht bezieht sich damit die Aussage Jesu gar nicht unbedingt auf die Angst vor dem Sturm, sondern auf die Anrede der Jünger: „Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?“ Ist es vielleicht gerade dieser Satz, der den Unglauben manifestiert? Jesus, der gekommen ist, „damit die Welt durch ihn gerettet wird“, kann das Verderben, den Untergang der Menschheit nicht wollen (Joh 3,17). Niemals kann Jesus wollen, dass seine Jünger, dass die Menschheit überhaupt „zugrunde geht“. Machtvoll stellt er dies unter Beweis; er, dem sogar Wind und Wasser gehorchen müssen.